Crowdfunding
Fotobuch

Call it Corona

2. Februar - 19. März 2023
Lockdowns, Veranstaltungs- und Reisebeschränkungen – die Corona-Pandemie hat den Alltag in Deutschland über zwei Jahre hinweg geprägt. Wie haben Menschen diese Ausnahmezeit überhaupt erlebt? Was hat sie am meisten geprägt und welche Momente sind besonders im Kopf geblieben?

Mehrere Fotograf*innen aus dem deutschsprachigen Raum haben sich mit ihrer Kamera auf die Suche nach Antworten gemacht, auch um sich zu beschäftigen und ihrem stillgelegten Berufsleben wieder Sinn und Struktur zu geben. Jetzt soll eine Crowdfunding-Kampagne die Veröffentlichung der daraus entstandenen Fotografien als Bildband ermöglichen.

»Diese besondere Zeit musste einfach in Bildern festgehalten werden. Der Bildband wird ein Zeitdokument sein, das unverzichtbar ist«, so die Hamburgerin Valeska Achenbach, eine der Initiator*innen des Bildbands »Call it Corona«. Gemeinsam mit vier weiteren Fotografen aus Karlsruhe, Berlin und Bad Vilbel arbeitet sie seit fast zwei Jahren an diesem Herzensprojekt.

Hans-Peter Brockmöller als Saunabeauftragter zuständig für die Sauna-Landschaft im Aqualaatzium bringt es auf den Punkt: »Leere Saunen, keine Gäste, keine Emotionen, kein Spaß! Einfach Nichts.« Foto: Michael Wallmüller

Auch ihr Mit-Herausgeber, der Fotograf Ralph Pache sieht einen großen Mehrwert im Bildband: »Ich glaube, wenn wir dieses Buch in seiner Gesamtheit sehen, erinnert es uns daran, dass wir als Menschen, als Gesellschaft, nicht alleine, sondern zusammen sind und dass wir sehr stolz darauf sein können, dass wir das hinbekommen haben.«

Über 50 Fotograf*innen, viele davon Mitglieder bei FREELENS, sehen das ähnlich und sind dem Aufruf des Teams gefolgt, Bilder und Serien dafür einzureichen. Entstanden sind dokumentarische und konzeptionelle Arbeiten, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der damaligen Ausnahmesituation auseinandersetzen: Sie zeigen verlassene Straßen und Plätze, die Herausforderungen in den Kliniken, die Erschöpfung der Helfenden oder geben intime Einblicke in den Familienalltag. Die Fotografien begegnen der harten Realität mitunter auch mit Humor. »Das Projekt ist der Versuch, mit Fotografie eine Situation darzustellen, die wir so noch nicht erlebt haben«, sagt Herausgeber David Baltzer. »Nämlich eine Pandemie, die alle betroffen hat, in allen gesellschaftlichen Bereichen.«

In Spanien durften die Menschen während des Lockdowns sieben Wochen nur Einkaufen oder zum Arzt. Kein Sport, keine Spaziergänge, keine Natur. Daraus entstand ein fotografisches Selbstporträt-Tagebuch über das Eingesperrtsein und die Erschaffung alternativer Realitäten. Foto: Claudia Wiens
Der Erfrischungsraum bzw. das Cafe der historischen Tankstelle im April 2020 während des ersten Lockdowns in Hamburg Rothenburgsort. Foto: Jérome Gerull

Jeder Mensch hat diese Situation für sich selbst unterschiedlich genutzt – und all diese verschiedenen Perspektiven finden sich im »Call it Corona« Bildband wieder.

Die Fotografin Henriette Pogoda wurde bei der Heimkehr nach den Frühjahrsferien vom Corona-bedingten Lockdown überrascht: »Wir kamen nach Hamburg zurück und es gab nichts mehr. Es waren nur noch leere Regale und einen Tag später wurden alle Jobs abgesagt. Und da ist die Situation entstanden, dass ich gedacht habe, ich möchte diese Perspektivlosigkeit irgendwie visualisieren.«

Wann darf ich wieder meinem Job nachgehen, wann darf ich meine alten Eltern besuchen, wann endet dieses Homeschooling, was koche ich dieses Mal den Kindern zum Mittag? Da sich die Nudel in der Pandemie plötzlich als essenzielles, verknapptes Lebensmittel entpuppte, nutzte Pogoda diese und konstruierte damit sozusagen einen Vorhang, der ihr die Sicht nimmt. Dadurch ist dann auch das Titelbild des Corona-Bildbands entstanden – mit der Nudel sowohl als Symbol der Perspektivlosigkeit als auch der Eintönigkeit des Alltags in der Isolation.

Aus der Zeit gefallen: Selbstinszenierung zur Perspektivlosigkeit zu Beginn des Lockdowns. Die Nudeln symbolisieren die Eintönigkeit des Alltags in der Isolation. Foto: Henriette Pogoda
Nic Seiboldt arbeitet als Spezialreiniger und Desinfektor. Zusammen mit seinen Kollegen reinigt er Regierungsflugzeuge, Bahnhöfe, Pflegeheime und Krankenwagen. Foto: Patrick Junker

Mithilfe von Crowdfunding will das Team die finanziellen Mittel zur Realisierung des Bildbands »Call it Corona« sammeln. Am 2. Februar 2023 startet die Crowdfunding-Kampagne bei Startnext. Interessent*innen können dort das Buch und Fotoprints zahlreicher beteiligter Fotograf*innen erwerben. Herausgeber Ralph Pache hofft auf zahlreiche Unterstützer*innen: »Genau deswegen machen wir diese Crowdfunding Kampagne, dass du sagst: Okay, ich glaub an dieses Projekt, ich möchte dieses Buch in der Hand halten.«

Als Kurator des Bildbands konnte der bekannte Kölner Fotograf Wolfgang Zurborn gewonnen werden. Dieser wird die eingereichten Arbeiten in einer Gesamtkomposition zusammenführen und so eine einzigartige Erzählung schaffen: »Ich finde gerade das so spannend, die verschiedenen Genres in einem Buch zusammenzubringen.«

Die Gestaltung des Bildbands übernimmt die Hamburger Fotografin und Grafikerin Nicole Keller.

Freitagabend in der U-Bahn zwischen Kottbusser Tor und Warschauer Straße: Die Künstlerin breeda CC sitzt in der leeren U-Bahn mit einer Bierflasche, Schutzanzug und Maske. Eine Art Performance in der neuen Wirklichkeit in Zeiten von Corona. Foto: Christian Jungeblodt