The Atlantic Cowboy
In ihrem beeindruckenden Langzeitprojekt »The Atlantic Cowboy« führt uns die norwegische Fotografin Andrea Gjestvang an einen unvertrauten Ort, der mit einem besonderen Problem zu kämpfen hat. Die Färöer mit ihren knapp 50.000 Einwohnern erleben seit den 1990er Jahren ein Missverhältnis in der Geschlechterverteilung. Die Frauen zieht es zum Studium ins Ausland, die Männer fahren daheim zur See. Leben auf den Färöern bedeutet: viele Jobs in der Fischerei, wenige andere Berufsfelder. Der Fischfang bestimmt nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das gesellschaftliche Leben, aus dem sich die Frauen aber zunehmend herauslösen und emanzipieren. Nur wenige Frauen, die einst gegangen sind, kehren zurück.
Von 2014 bis 2019 ist Andrea Gjestvang in längeren Aufenthalten auf der nordatlantischen Inselgruppe. Sie untersucht, welche Auswirkungen der Umstand des Männerüberschusses auf die kleinen Inselgemeinden hat. Dabei stellt sie in ihrer fotografischen Arbeit Fragen nach Tradition, obsoleten Rollenbildern, Identität und sozialer Vereinzelung. Die Norwegerin ist viel auf der Insel herumgereist, hat intensiv recherchiert, Betroffene besucht und zahlreiche Gespräche geführt, bevor sie einige der betroffenen Männer schließlich auf bedachtsame Weise fotografiert hat. Deren Porträts kombiniert sie mit überwältigenden Ansichten eines ebenso faszinierenden wie rauen Lebensraums, der die Existenzbedingungen der dort Lebenden bestimmt. Entstanden ist eine poetisch kontemplative Arbeit mit ernstem Hintergrund, die dem Betrachtenden viel Raum für eigene Reflexion lässt.