Handwerkskammer vs. Fotograf*innen – Absage an die Zwangsmitgliedschaft
Freiberufliche Fotograf*innen und die Handwerkskammer geraten immer wieder in Konflikt. Der Streitpunkt: Die Handwerkskammer ist der Auffassung, dass professionelle Auftragsfotografie als Handwerk anzusehen ist und pocht auf eine entsprechende Mitgliedschaft in der HWK. Die Freiberufler*innen hingegen sehen das ganz anders, empfinden sich viel mehr als künstlerisch tätige Kreative.
Text & Interview – Christian Ahrens
Genau um diese Frage ging es auch bei der jüngst geführten juristischen Auseinandersetzung unseres Mitglieds Robert Dieth mit der Handwerkskammer Rheinhessen. Letztere wollte Dieth »Verzwangsmitgliedschaften«. Dagegen setzte sich der Diplom-Fotodesigner, der zusammen mit seiner Frau Iris Schröder überwiegend in der Werbefotografie tätig ist, erfolgreich zur Wehr. FREELENS hat den Prozess begleitet und finanziell unterstützt.
Vorgeschichte
20 Jahre lang hat »dieth+schröder – visuelle Kommunikation« in gutem Einvernehmen mit der zuständigen HWK junge Menschen im Fotograf*innenberuf ausgebildet. Nach der damaligen Gesetzeslage war dem Dipl.-Fotodesigner dies als »Regiebetrieb« möglich. Zum Konflikt kam es, als dieth+schröder den letzten Azubi aufgrund seiner Verstöße gegen die Prüfungsvoraussetzungen nicht zur Prüfung zuließ. Die HWK hat entgegen der gültigen Ausbildungsordnung die Zulassung dennoch ermöglicht.
Der Azubi fiel daraufhin in allen drei Prüfungsteilen durch. Die Frage der HWK, ob dieth+schröder auch in Zukunft ausbilden wolle, bejahten sie grundsätzlich, beharrten allerdings darauf, dass sich die HWK dabei ordnungsgemäß an die Prüfungsordnung halten müsse. Die Folge: die HWK brachte beim Gewerbeamt der Verbandsgemeinde zur Anzeige, dass die beiden ohne Genehmigung ein Gewerbe ausübten. Das Gewerbeamt stellte sich jedoch auf Seiten der beiden Fotodesigner und machte deutlich, dass sie als anerkannt künstlerisch tätige Fotodesigner angesehen werden. Auch trotz der fast 30-jährigen Mitgliedschaft in der KSK ließ die HWK daraufhin Dieth die Aufforderung zukommen, umgehend Mitglied der HWK zu werden und die entsprechenden Mitgliedsbeiträge zu zahlen. Als die beiden Designer dem nicht nachkamen, folgte die »von Amts wegen« getroffene Entscheidung der HWK, dass dieth+schröder als Handwerksbetrieb eingestuft worden sei.
Der Prozess
Klein beigeben oder die Mühen eines Prozesses auf sich nehmen? Robert Dieth und Iris Schröder entschieden sich für letzteres und wandten sich an FREELENS mit der Bitte um Unterstützung. FREELENS sagte daraufhin eine Prozesskostenunterstützung zu. Der »Zwangsvermitgliedschaftung« wurde mit einer Klage widersprochen. Dorothe Lanc, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, übernahm die rechtliche Vertretung.
Die Folgezeit war von aufwändiger Beweiserhebung geprägt. dieth+schröder mussten nachweisen, dass sie eben nicht »handwerklich« tätig seien, sondern ihre Arbeiten mit einem künstlerischen Anspruch gestalten. Stichwort »Schöpfungshöhe«. Der Beweiserhebung folgten Gegenbeweise und zahlreiche Briefwechsel.
Gegenstand der Beweiserhebung waren auch Portfolio-Jahrbücher, die die beiden Fotodesigner zusammengestellt hatten, um ihre Tätigkeit zu charakterisieren. Hier wurde sehr detailliert nachgefragt, wie die Bilder entstanden – vom ersten Kund*innenkontakt bis zur ausgearbeiteten Bildserie. Dabei wurde immer wieder auch der hohe Kreativanteil der Fotograf*innen deutlich: Beratung der Kund*innen, Entwicklung einer Bildsprache, kreative selbständige Umsetzung on location oder im Studio, Ausarbeiten einer Ästhetik in der Nachbearbeitung – all diese Schritte gehören dazu und unterstreichen den künstlerischen Anteil in der Bildproduktion.
Das Verwaltungsgericht Mainz fällte daraufhin sein Urteil. Es stellte fest, dass Berufsfotograf*innen, die im Auftrag handeln, keineswegs pauschal als handwerklich tätig eingestuft werden könnten. Es käme vielmehr auf die Gestaltungshöhe und den Gestaltungsfreiraum an, dies müsse im Einzelfall stets geprüft werden. Bei dieth+schröder sei die künstlerische Tätigkeit jedenfalls gegeben.
Die daraufhin von der HWK angestrengte Revision wurde vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz entschieden. Das Gericht bestätigte das vorhergehende Urteil in allen Punkten. Ein wichtiger Schritt und ein großer Erfolg für die Position der freiberuflichen Fotografie in Deutschland!
Für die beiden Designer war die Sache damit erst einmal ausgestanden. Die Handwerkskammer akzeptierte das Urteil und nahm davon Abstand, das Bundesverwaltungsgericht anzurufen. Das Urteil ist damit rechtskräftig (Az. 6 A 10127/22.OVG).
Interview mit Robert Dieth
Es war ein langer Weg bis zum Urteil. Wie siehst du die Sache in der Rückschau?
Robert Dieth: Ich bin froh, dass dieser für uns sehr zeitaufwendige und existentielle Fragen betreffende Vorgang (Altersversorgung KSK) nun vorbei ist und dass das Urteil im Sinne der Fotodesigner ausgegangen ist. Es kann nicht sein, dass eine Organisation wie die halbstaatliche Handwerkskammer willkürlich Zwangsmitgliedschaften verhängt. Das ist ein Missbrauch von Macht, der letztendlich dazu dient, hochqualifizierten Wettbewerber*innen die Berufsausübung zu erschweren. Dagegen muss man sich zur Wehr setzen. Zumal das Handeln der Handwerkskammern dem im Grundgesetz verankerten Recht auf freie Berufsausübung widerspricht.
Was war letztlich entscheidend für das Urteil?
Die HWK steht auf dem Standpunkt, dass jede Auftragsarbeit zwingend bedeute, dass keine kreative bzw. künstlerische Leistung vorliege. Das konnten wir erfolgreich widerlegen und deutlich machen, dass unsere Fotografien geistige Schöpfungen sind, dass wir Konzeptionen erarbeiten, Ideen entwickeln und letztlich eine hohe kreative Leistung abliefern. Diese Argumentation hat die Richter überzeugt.
Was rätst du Kolleg*innen, die in einen ähnlichen Konflikt mit der Handwerkskammer geraten?
Das jetzt gefällte Urteil wird sicherlich weiterhelfen, darauf kann man sich berufen. Im Einzelfall gilt es immer herauszuarbeiten, wie wir Fotograf*innen tatsächlich inhaltlich und gestalterisch vorgehen und dass auch Auftragsarbeiten von großer »Schöpfungshöhe« geprägt sein können.
Bei der Argumentation ist aber unbedingt zu beachten, dass mit der Neufassung der handwerklichen Ausbildungsordnung für Fotograf*innen zahlreiche Ausbildungsinhalte des Designstudiums übernommen wurden. Diese werden dann im Einzelfall als Argument angeführt, dass z.B. ein 16-jähriger Azubi bereits im ersten Lehrjahr lerne, was ein Designer mit 30-jähriger beruflicher Erfahrung praktiziere…
Im Falle eines Konflikts mit der Handwerkskammer wendet euch im Zweifel direkt zu Beginn des Vorgangs an FREELENS und lasst euch unbedingt beraten. Denn – so haben zumindest wir es erlebt– die Handwerkskammer praktiziert es bisweilen, ihr Gegenüber durch teilweise bedenkliche Aussagen in die Irre zu führen. Der juristische Sachverstand im Verband in Verbindung mit der Argumentationskraft des gerade ergangenen Urteils sollte helfen, solche Auseinandersetzungen in Zukunft besser zu überstehen.
Kommentar
Kommentar unseres Justiziars Dirk Feldmann
Die Urteile der Verwaltungsgerichte sind sehr zu begrüßen. Erneut wurde darin unmissverständlich festgestellt, dass Herstellungsprozess und Inhalt der Fotografie maßgeblich dafür sind, sie von der rein handwerklichen Tätigkeit abzugrenzen.
Sobald ein künstlerischer Schaffensprozess oder ein bildjournalistischer Inhalt erkennbar werden, scheidet die Einordnung als Handwerksberuf mit den daran hängenden Konsequenzen aus.
Das Vorgehen der Handwerkskammer in diesem Fall ist schon als Rückzugsgefecht zu bewerten. In der Vergangenheit hatte die Rechtsprechung bereits die Leitlinien festgelegt, die auch in den aktuellen Urteilen Anwendung finden.
Offenbar sollte noch einmal versucht werden, ein Gericht zu finden, das die veraltete Sichtweise der Handwerkskammern bestätigt, um deren Existenzberechtigung zu sichern. Dies ist zum Glück (und gleichzeitig erwartungsgemäß) nicht gelungen.
Es bleibt also bei dem Rat an alle FREELENS Mitglieder, stets Rechtsrat einzuholen und sich fristgemäß zur Wehr zu setzen, wenn Bescheide einer Handwerkskammer zugestellt werden.