Politik & Medien
EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Aus Fotos werden Daten

Text – Dirk Feldmann & Lutz Fischmann

Am 25. Mai 2018 wird die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft treten und regeln, unter welchen Umständen personenbezogene Daten erhoben, gespeichert, verwendet und auch weitergegeben werden dürfen. Das ist im Wesentlichen nichts wirklich Neues – war dies doch schon bisher im alten Bundesdatenschutzgesetz geregelt.

Das Recht, Fotos mit darauf abgebildeten Personen zu veröffentlichen, war bisher im sogenannten Kunsturhebergesetz (KUG) von 1907 verankert. Es war die einhellige Rechtspraxis, dass diesbezüglich das KUG über dem alten Bundesdatenschutzgesetz steht.

Das ändert sich nunmehr durch die DSGVO. Danach wird die bloße Aufnahme von Personen (nicht nur die anschließende Veröffentlichung) zu einem Akt der personenbezogenen Datenerhebung und fällt damit unter den Anwendungsbereich der DSGVO mit all ihren Konsequenzen. Es ist dabei unerheblich, ob die abgebildete Person erkennbar ist oder nicht. Eine Konsequenz ist, dass der Fotograf nunmehr vor der Aufnahme alle Abgebildeten um Erlaubnis bitten muss – ein in der täglichen Praxis schon technisch nicht durchführbarer Vorgang.

Zwar sollen für journalistische, wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Verwendungszwecke Ausnahmeregelungen durch den nationalen Gesetzgeber geschaffen werden – nur tauchen diese noch nicht am Horizont in der Gesetzgebung auf.

Ende März lud der Bundesverband deutscher Pressesprecher in Berlin zur Fachkonferenz, um mit Experten, Betroffenen und Politik aus Bund und Land die Auswirkungen der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu diskutieren. Foto: Svea Pietschmann/FREELENS

Und selbst wenn, wäre damit der Bildermarkt in seiner jetzigen Form nicht mehr möglich. Denn z.B. das bloße Zeigen eines Fotos von Zuschauern im Fanblock eines Fußballstadions auf der Homepage eines Fotografen wäre rechtlich nicht mehr gedeckt. Es handelt sich nicht um eine journalistische Veröffentlichung – der Fotograf macht Werbung für sich selbst. Und ob es sich um eine künstlerische Verwendung handelt, müssten erst mal Gerichte entscheiden – das wird jedoch Jahre dauern. Noch härter wird es die Fotoagenturen treffen, die täglich Fotos für jeden, auch werblichen, Verwendungszweck anbieten müssen.

Selbst Verträge bzw. Modelreleases mit abgebildeten Personen müssen dann nicht mehr auf Dauer wirksam sein – nach der DSGVO sind diese kündbar.

Manche Beobachter sehen gar das Ende der Meinungsfreiheit kommen.

So geschehen auf einer Fachkonferenz des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher, auf der auch FREELENS durch seinen Justiziar Dirk Feldmann vertreten war. Vieles in der Diskussion der Konferenz bleibt naturgemäß dem Bereich der Spekulation überlassen. Sei es, dass Vertreter der Ministerien ein klares »wird schon« postulierten und auf die Gerichte vertrauen – also bereits kapitulieren – oder Vertreter der Öffentlichkeitsarbeit ihren Untergang sehen.

FREELENS Justiziar Dirk Feldmann erläuterte auf der Konferenz in Berlin, welche konkreten Probleme durch die DSGVO auf Fotografen zukommen werden. Foto: Svea Pietschmann/FREELENS

Vielleicht liegt der Weg in der Mitte. So stellte der FREELENS Vertreter Dirk Feldmann dar, dass er erwarte, bei den Gerichten auf ein abwägendes Verhalten zu treffen. Auch wenn auf dem Papier und rechtsdogmatisch aus seiner Sicht die Problematik eines absoluten Vorrangs des Datenschutzes entsteht, werden die deutschen Gerichte seines Erachtens den Verfassungsrang der Meinungsäußerungsfreiheit ebenso berücksichtigen wie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten.

Auch der Bundesgerichtshof hat wiederholt große Anstrengungen in seinen Urteilsbegründungen unternommen, um Ergebnisse zu rechtfertigen, die wirtschaftlich und gesellschaftlich gewollt, rechtsdogmatisch aber eigentlich nicht haltbar waren.

Feldmann erwarte daher, dass bei demnächst anstehenden Gerichtsverfahren nicht nur im Einzelfall, sondern auch generell von den Gerichten die Auffassung vertreten werden wird, dass Datenschutz und Meinungsäußerungsfreiheit nach wie vor gegeneinander abgewogen werden müssen und kein absoluter Vorrang des Datenschutzes besteht. Er erwarte, dass nach wie vor in allen Gerichtsverfahren der bei der Beurteilung von geltend gemachten Ansprüchen herangezogene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden wird.

Ulrich Deffaa (l.), Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, und Jan Mönikes vom Bundesverband deutscher Pressesprecher. Foto: Svea Pietschmann/FREELENS

Das Fazit der Konferenz zog Ulrich Deffaa vom Bundesjustizministerium: »Wir leben derzeit noch in einer Phase der Unsicherheit, des Übergangs. Sie wird so lange dauern, bis die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für mehr Klarheit sorgt.«

Natürlich darf dies kein Fazit sein. Es hat sich in den letzten Jahren seitens des Gesetzgebers eingeschlichen, Gesetze zu beschließen, die nicht durchführbar sind bzw. ihren Zweck verfehlen – sei es im Urhebervertragsrecht, dem Leistungsschutzrecht und jetzt im Datenschutz. Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet auf Kosten der Urheber. Es ist wohl nicht zu viel verlangt, dass der Gesetzgeber an der Praxis orientierte Gesetze erlässt und dabei nicht darauf vertraut, wie die obersten Gerichte diese interpretieren. Denn dies bedeutet nicht weniger als eine massive Rechtsunsicherheit – über viele Jahre. Dass die Politik den Handlungsauftrag seitens der Verbandsvertreter aus der Konferenz annimmt, ist leider nicht abzusehen.