Magazin #06

Die Betonung liegt auf Arbeit

Aktionen, Auktionen, Ausstellungen – Ein Hamburger Arbeitskreis widmet sich dem Kulturgut Fotografie

Text – Lars Bauernschmitt

Arbeitskreis Photographie Hamburg e.V. lautet der nüchterne Name. Doch dahinter verbirgt sich ein Zusammenschluß von Menschen mit einem besonderen Ziel. »Förderung von Photographie als Kulturgut und als Medium der Kunst, der Publizistik und der Lehre für die Allgemeinheit«, so die Satzung. Denn: »Es fehlt in Deutschland am Wissen über die Fotografie«, sagt F. C. Gundlach, Vorstand des Arbeitskreises. »Die Fotografie wird hierzulande noch immer nicht ernstgenommen. In anderen Ländern hat sie eine ganz andere Tradition, das Museum of Modern Art in New York hat seit 1936 eine Abteilung für Fotografie. Der Fotografie fehlt noch immer eine Lobby.«

Diese Lobby will der Arbeitskreis schaffen. Um dabei eine möglichst große Effektivität zu erreichen, wurde die Zahl der aktiven Mitglieder auf 20 begrenzt – dazu gibt es noch 79 fördernde Mitglieder. So soll dem Arbeitskreis das Schicksal vieler Vereine erspart werden, in denen eine kleine Gruppe die Arbeit leistet, während der große Rest dem Treiben zusieht und außer guten Ratschlägen wenig zur Vereinsarbeit beiträgt. Die Aktiven des Vereins kommen aus allen Bereichen der Fotografie, sie sind unter anderem in Redaktionen, Bildagenturen oder Museen tätig.

Seine Hauptaufgabe sieht der Arbeitskreis in der Vermittlung von Wissen über die Fotografie. Zu diesem Zweck hat der Arbeitskreis in den letzten drei Jahren eine Reihe von Aktivitäten entwickelt. Bundesweite Beachtung fand die von Juni bis September ’96 in den Hamburger Deichtorhallen gezeigte Ausstellung zur Entwicklung des Fotojournalismus in Deutschland. Unter dem vom Leiter des Ausstellungsortes, Zdenek Felix, gewählten Titel »Das Deutsche Auge« wurden 280 Exponate von Erich Salomon bis Wolfgang Tilmans gezeigt. Gleichzeitig wurden in der Deichtorhalle zwei Ausstellungen über die Fotoagentur MAGNUM und den Fotografen Sebastião Salgado gezeigt. 41000 Besucher sahen das Programm.

Die Idee einer Ausstellungskonzeption zur Geschichte des Bildjournalismus in Deutschland konnte kaum größer gewählt werden – doch nur so erschien es den Veranstaltern möglich, die Bedeutung dieses Bereichs endlich in das öffentliche Blickfeld zu rücken. Daß die Rechnung aufging, zeigte vor allem die vom Arbeitskreis organisierte Diskussionsveranstaltung unter dem Titel »Gibt es den deutschen Blick?«, zu der mehr als 200 Interessierte in die Hamburger Deichtorhallen kamen.

Doch es sind nicht nur die spektakulären Großereignisse, durch die der Arbeitskreis in Erscheinung tritt. Um wirklich etwas für die Vermittlung von Fotografie zu tun, veranstaltet die Gruppe um F. C. Gundlach regelmäßige Portfoliosichtungen, bei denen junge Fotografen Gelegenheit haben, ihre Arbeit mit Profis aus Redaktionen und Agenturen zu diskutieren. Dabei sind es vor allem die aktiven Mitglieder, die sich neben wechselnden Gästen aus allen Bereichen der Branche als Gesprächspartner zur Verfügung stellen.

Als Begleitung zu Ausstellungen veranstaltet der Arbeitskreis immer wieder Symposien zu unterschiedlichsten Bereichen der Fotografie. Neben einer Veranstaltung zur Ausstellung »Das Deutsche Auge« fanden seit 1993 Veranstaltungen zu den Themen »Die Moden der Bilder der Mode«, »Architektur in der Photographie«, »Photography goes to the Movies« oder »Die Photographie als Zeitmaschine« statt.

Um die Fotografie zu den Interessierten zu bringen, organisierte der Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit dem Auktionshaus Hauswedell & Nolte im Februar 1995 die erste Auktion für Fotografie in Hamburg. Wichtigstes Forum der Information von Interessierten ist dabei das Faltblatt »Photographie in Hamburg«, das alle zwei Monate die wichtigsten Termine der Fotografie in der Hansestadt veröffentlicht. Die Arbeit der kleinen Gruppe wirkt längst auch über die Grenzen der Medienstadt an der Elbe hinaus. So wurde die vom Arbeitskreis initiierte Ausstellung »Menschenbilder in Hamburg« im Januar des Jahres in Hamburgs Partnerstadt Marseille präsentiert, wozu außerdem ein zweisprachiger Katalog erschienen ist.

Die Aktivitäten werden vor dem Hintergrund ständig knapper finanzieller Mittel entwickelt – die Bereitschaft zur finanzielle Unterstützung von Seiten der Stadt und der Unternehmen ist noch immer gering. Das stellen die Mitglieder des Arbeitskreises immer wieder fest, wenn sie für ihre Aktivitäten auf Sponsorensuche gehen. Hier zeigt sich regelmäßig das Mißverhältnis zwischen öffentlichem Interesse und der Bereitschaft, die Fotografie wirklich zu unterstützen.

Dabei sollte es der Stadt nicht nur darum gehen, einen dringend nötigen Bildungsauftrag zu erfüllen, auch wirtschaftlich spielen die Medien in der Hansestadt eine besondere Rolle: Nach dem Krieg wurde Hamburg die führende deutsche Stadt im Bereich der Printmedien, womit hier die journalistische Fotografie einen wichtigen Stellenwert erhielt: Bauer, Gruner + Jahr, Springer, SPIEGEL – kaum ein wichtiges Verlagshaus, das seinen Sitz nicht an die Elbe legte.

Doch in Hamburg befinden sich nicht nur die wichtigsten Verlage und Redaktionen, in den letzten Jahren zogen auch immer mehr Werbeagenturen in die Hansestadt. Heute sitzen hier fünf der zehn erfolgreichsten Agenturen Deutschlands.

Nach dem Groß- und Einzelhandel und dem produzierenden Gewerbe sind die Medien drittgrößter Umsatzträger und viertgrößter Arbeitgeber der Hansestadt. Die Printmedien sind dabei mit 50 Prozent der Beschäftigten und des Umsatzes der wichtigste Bereich. Doch trotz der wirtschaftlichen Bedeutung der Fotografie für die Stadt fehlt es an öffentlicher Unterstützung. In einem Kulturhaushalt von 376,3 Mio Mark (1997) sind für die Förderung der Fotografie 40000 Mark von der Kulturbehörde der Stadt vorgesehen. Daß ausgerechnet in Hamburg, dazu noch eine Professur für Fotografie, einfach nicht neubesetzt wird, nachdem der bisherige Stelleninhaber in den Ruhestand getreten ist, sei nur am Rande bemerkt.

Bei solcher Unterstützung wird deutlich, warum die Mitglieder des Arbeitskreises selbst für bescheidene Projekte auf die Suche nach Spendern und Sponsoren gehen müssen. Dabei zeigt sich jedoch immer wieder, daß die Unternehmen der Stadt die Bedeutung der Kulturförderung häufig noch nicht erkannt haben.

Nach langen Gesprächen im Vorfeld war nur die Zeitschrift GEO bereit, die erste große Ausstellung zur Geschichte des Fotojournalismus in Deutschland finanziell zu unterstützen. Alle anderen Verlage und Redaktionen hatten abgewunken.

Durch mangelnde Unterstützung lassen sich die Mitglieder des Arbeitskreises jedoch nicht abschrecken. »Arbeitskreis Photographie – die Betonung liegt auf Arbeit«, erläutert der Vorsitzende des Arbeitskreises F. C. Gundlach den Namen des Vereins.

Für die Zukunft sind neben Symposien und Portfoliosichtungen die nächsten Großprojekte bereits geplant. Im nächsten Jahr soll es die zweite Auktion für Fotografie in Hamburg geben und für 1999 wird vom Arbeitskreis ein Sommer der Fotografie in Hamburg geplant. Die Museumsdirektoren der Hansestadt haben ihre Beteiligung und ihre Unterstützung bereits zugesagt. Wenn es nach den Plänen der Gruppe geht, werden dabei alle Sparten der Fotografie bis hin zu den elektronischen Medien ihren Platz finden. Ob dabei alle Ausstellungen unter einem Oberbegriff stehen oder verschiedene Themen präsentiert werden, wird noch diskutiert.

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Lars Bauernschmitt
Geschäftsführer von VISUM und +49, ist seit 1995 aktives Mitglied im Arbeitskreis Photographie Hamburg