Ausstellungen
Andreas Varnhorn und Dirk Eisermann

Aufbruch im Osten – VR Polen und ČSSR in den 80er Jahren

2. Juni - 30. August 2022

Polen und die ehemalige Tschechoslowakei in den 80er-Jahren – eine Zeit, gespickt mit vielen Vorboten des politischen Umbruchs, geprägt von freiheitlichen, gewerkschaftlichen Massenbewegungen und lauter werdenden Rufen nach Reformen. Zwischen 1980 und 1988 bereisten die Fotografen Andreas Varnhorn und Dirk Eisermann die beiden Länder, um dort die die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen abzubilden. Den Rückblick auf die Region, haben sie jetzt zu einer Ausstellung in Frankfurt verdichtet.

»Meine erste Reise in die Volksrepublik Polen im Sommer 1980 war für mich eine wahre Zeitreise. Im Jahr zuvor hatte ich in Skandinavien eine Gruppe polnischer Student:innen kennengelernt, die ich nun treffen sollte, um gemeinsam mit ihnen ihr Land zu bereisen: Warschau, Danzig und die Westkarpaten«, erinnert sich Fotojournalist Dirk Eisermann.

»Vom ersten Moment an war ich, aufgewachsen und sozialisiert in der kapitalistischen Wohlstands- und Überflussgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, beeindruckt von dem Lebensgefühl, mit dem die Menschen der Mangelwirtschaft trotzten und ihrer Kunst, sich mit dem realen Sozialismus zu arrangieren. Gänzlich eingefangen hat mich aber der herzliche Charme der Bewohner und das einfache Leben auf dem Land. Wobei ich gestehen muss, dass ich die schwierige wirtschaftliche Versorgungslage damals eher romantisiert als eine Reise in die Vergangenheit gesehen habe und nicht als Teil des täglichen Überlebenskampfes empfand.«

Jugendliche auf einem Platz in Warschau im Sommer 1982. Foto: Dirk Eisermann
Lebensmittelversorgung in Warschau im Dezember 1980: Einkaufende stehen Schlange vor einem Lebensmittelgeschäft. Foto: Dirk Eisermann

Ein Jahr später reiste Eisermann erneut nach Polen, dieses Mal als einer der ersten westlichen Fotojournalisten, getarnt als Beifahrer eines Hilfstransportes, drei Tage nach Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981. Ihm begegneten dort Straßensperren, aufmarschiertes Militär und Protestparolen.

»Sowohl in Danzig, als auch im darauffolgenden Sommer in Warschau, wurde ich mehrfach, meist aber nur kurzzeitig festgenommen und verhört. Doch nie flog meine Tarnung als ›neugieriger Student‹, der nur Freunde besuchen und sich das politische Geschehen näher anschauen wollte, auf. Im ganzen Land wurde es Tradition, sich täglich – wie z.B. auf dem Warschauer Siegesplatz (heute Pilsudski-Platz) – zu treffen und als Zeichen des Widerstands an frisch ausgelegten Blumenkreuzen niederzuknien und Blumen abzulegen. Nach nur wenigen Minuten kamen dann stets Sondereinheiten der Polizei, um die Menschenmengen mit dem Einsatz von Wasserwerfern und Knüppeln zu vertreiben und Protestierende festzunehmen. Vereinzelt kam es immer wieder zu neuen Streiks.«

Friedlicher und symbolischer Protest gegen die Verhängung des Kriegsrechts in Polen (1981–1983).  Foto: Dirk Eisermann

Der Frankfurter Fotojournalist Andreas Varnhorn bereiste 1988 Warschau und Prag und schildert seine Eindrücke so: »Polen war noch immer eine Volksrepublik. Im Land wurde gestreikt für die Legalisierung von ›Solidarność‹. Lech Walesa traf sich auf Augenhöhe mit Regierungsvertretern. Es dauerte noch einige Wochen bis zum Besuch der ›Eisernen Lady‹ Margaret Thatcher in Polen.

Aber ich war unterwegs für den ›Spiegel‹ und ›Newsweek‹, um die wirtschaftliche Versorgungslage zu fotografieren. Nebenbei blieb aber auch noch Zeit für Streetfotografie. Hieß das damals schon so? Neben Eiern, Obst und Blumen gab es natürlich auch reichlich Kultur in der polnischen Metropole, wie die avantgardistische ›Arsenal 88‹-Kunstausstellung.«

Straßenmusik in Warschau, August 1988. Foto: Andreas Varnhorn
Straßenszene in Warschau, August 1988. Foto: Andreas Varnhorn

Die Arbeiten der beiden Fotojournalisten dokumentieren politische Geschehnisse und alltägliche Momente, manchmal sogar von den gleichen Begebenheiten, unabhängig voneinander. Eines dieser Ereignisse war die Flucht hunderter DDR-Bürger in den Westen, die im Rahmen des Paneuropäischen Picknicks am 19. August 1989 in Ungarn stattgefunden hat. Dieses Ereignis gilt historisch als Initialzündung für eine Kettenreaktion, an deren Ende der Eiserne Vorhang nur noch Geschichte war.

Am 19. August 1989 fand das sogenannte »Paneuropäische Picknick« am ungarisch-österreichischen Grenzübergang Sopron/St. Margarethen statt. Die Grenze wurde an diesem Tag geöffnet und hunderte DDR-Bürger nutzen diese Gelegenheit, um in den Westen zu fliehen. Viele gingen einfach über Äcker und Wiesen zu Fuß nach St. Margarethen, von wo es mit Reisebussen nach Wien zum Bahnhof für eine Weiterreise in die Bundesrepublik ging. Foto: Andreas Varnhorn

Andreas Varnhorn & Dirk Eisermann
Aufbruch im Osten – VR Polen und ČSSR in den 80er Jahren
2. Juni bis 30. August 2022
Vernissage am 1. Juni 2022 um 19:30 Uhr, mit einer Podiumsdiskussion zur Frage »Go West? Über die Bedeutung der EU- Osterweiterung für die polnische und tschechische Community in Frankfurt«.
Die Einführung übernimmt Andrzej Kaluza vom Deutschen Polen Institut in Darmstadt.

Platzreservierung für die Vernissage erforderlich per Mail an:
hausamdom (at) bistumlimburg.de

Haus am Dom
Katholische Akademie Rabanus Maurus
Domplatz 3
60311 Frankfurt am Main
www.hausamdom-frankfurt.de

Öffnungszeiten
Montag bis Freitag 9–17 Uhr
Samstag und Sonntag 11–17 Uhr
bei Abendveranstaltungen auch länger

Eintritt frei