Berufsgenossenschaft
BERUFSGENOSSENSCHAFTEN
Die Berufsgenossenschaften spielen eine wesentliche Rolle im deutschen Sozialsystem für Angestellte genauso wie für Selbstständige. Sie fungieren als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Arbeits- und Wegeunfälle sowie Berufskrankheiten abdecken. Dabei agieren die BGs als sogenannte Körperschaften des öffentlichen Rechts, organisieren sich selbst und finanzieren sich über die Mitgliedsbeiträge.
Als selbstständige Fotograf*innen, Fotojournalist*innen, Filmemacher*innen oder Videograf*innen müsst ihr euch gemäß § 192 SGB VII innerhalb einer Woche nach dem Beginn eurer Selbständigkeit oder Geschäftsgründung bei der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) anmelden. Dies gilt unabhängig davon, ob ihr Mitarbeiter*innen beschäftigt oder nicht. Habt ihr aber Mitarbeiter*innen oder auch Praktikant*innen, müsst ihr diese ebenfalls anmelden.
Der Versicherungsfall
Ein Arbeitsunfall im juristischen Sinne (nach § 8 Sozialgesetzbuch VII) ist ein „zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt“ – und zwar im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit. Bevor Berufsgenossenschaften zahlen, prüfen sie den Sachverhalt sehr genau. Vor allem geht es dabei um die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Unfall im gesetzlichen Sinne handelt und wie er im Zusammenhang mit der Arbeit steht.
Versichert sind nicht nur Verletzungen unmittelbar während der Berufsausübung, sondern auch Unfälle auf dem Weg zum Auftragsort, in euer Studio oder während der Recherche und – auch wenn das extrem selten vorkommen mag – sogar Unfälle am Schreibtisch.
Die Leistungen nach einem Unfall
Wichtig ist zunächst, dass der BG ein Arbeitsunfall unverzüglich gemeldet werden muss, auch wenn die Verletzungen verhältnismäßig gering erscheinen mögen. Mögliche Spätfolgen durch den Unfall werden nicht übernommen, wenn der Unfall nicht rechtzeitig gemeldet wurde.
Übernimmt die Berufsgenossenschaft bei einem Unfall den Versicherungsschutz, hat die/der Arbeitnehmer*in oder die/der Selbstständige einen hohen Leistungsumfang zu erwarten. Die Berufsgenossenschaft will ihre Versicherten möglichst schnell wieder fit fürs Erwerbsleben machen, daher ist die Diagnostik und Behandlung oft umfangreicher und effizienter als in der gesetzlichen Krankenversicherung. MRT-Termine z. B. sind für BG-Fälle in der Regel viel schneller zu haben. Auch Maßnahmen zur Rehabilitation werden von der BG übernommen, wie spezielle Krankenhilfsmittel oder Spezialschuhe.
Seid ihr durch den Unfall arbeitsunfähig, bekommt ihr von der BG Verletztengeld. Dieses bemisst sich nach der Versicherungssumme, die ihr frei wählen könnt (siehe unten zur Höhe der Beitragssätze). Pro Kalendertag beträgt das Verletztengeld ein Vierhundertfünfzigstel der Versicherungssumme, (bei der derzeitigen Mindestversicherungssumme von 32.400 Euro wären das 72 Euro).
Bleiben 78 Wochen nach dem Arbeitsunfall noch gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen, und führt dies zu einer Erwerbsminderung von mehr als 20 Prozent, kann die Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente zahlen. Ob tatsächlich eine Rente gezahlt wird, hängt von der individuellen Feststellung des Grades der Erwerbsminderung durch die BG ab.
Höhe der Beitragssätze
Die Höhe des Jahresbeitrags ergibt sich aus der von euch gewählten Versicherungssumme und der sogenannten Gefahrtarifstelle des jeweiligen Berufs. Die Mindestversicherungssumme liegt derzeit bei 32.400 Euro, die Höchstversicherungssumme bei 96.000 Euro. Da sich Geldleistungen der BG nach der Versicherungssumme richten, macht es durchaus Sinn, mehr als die Mindestsumme zu wählen, wenn ihr euch das leisten könnt. Die Versicherungssumme kann jederzeit geändert werden.
Aktuell sind wir in der Gefahrtarifstelle „Papierbearbeitung und Papierverarbeitung, Fotografie“ eingruppiert. Wir halten das für falsch und sehen uns eher in der Gefahrtarifstelle „Medientechnik“, in der auch Kameraleute eingruppiert sind. Diese hat eine günstige Gefahrklasse und damit auch geringere Beiträge. Wir sind dazu mit der BG ETEM im Gespräch, und die Frage wird dort geprüft. Aktuell laufen die Sitzungen des Gefahrtarifausschusses, der (wahrscheinlich) Anfang 2026 einen neuen Gefahrtarif empfehlen wird, der dann von der Vertreterversammlung im Juni 2026 beschlossen wird. Wirksam würde dieser erst 2027 werden.
Hier könnt ihr den Jahresbeitrag berechnen: https://www.bgetem.de/mitgliedschaft-beitrag/unternehmerversicherung/ihr-beitrag-fuer-die-unternehmerversicherung/versicherung-view
Arbeitsschutz
Die Berufsgenossenschaft ist auch für den Arbeitsschutz zuständig. Es kann also passieren, dass Mitarbeiter*innen der BG angemeldet oder auch unangemeldet bei euch auftauchen und den Arbeitsschutz kontrollieren. Für gewöhnlich gibt es bei Fotografie weniger zu kontrollieren als bei einem Industriebetrieb. Erfahrungsgemäß stehen wir da nicht im unmittelbaren Fokus.
Nähere Informationen findet ihr im Medienportal der BG ETEM: https://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/brancheninformationen1/druck-und-papierverarbeitung/fotografie/medien
Mitgliedschaft in einer anderen Berufsgenossenschaft
Viele sind der Meinung, dass die Beiträge in der BG ETEM zu hoch sind, da sie einen Großteil ihrer Arbeitszeit am Schreibtisch verbringen. Richtig ist, dass die Berufsbilder Fotografin, Bildberichterstatterin, Fotodesigner*in etc. in den Berufsgenossenschaften nicht scharf abgegrenzt sind.
Wenn sich eure Tätigkeit auf zwei Berufsgenossenschaften erstreckt, könnt ihr euch auch bei einer anderen Genossenschaft anmelden, wenn ihr überwiegend in deren Bereich tätig seid. Vielleicht naheliegend ist eine Anmeldung oder ein Wechsel zur Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), die geringere Beiträge verlangt. Die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen sind in beiden Fällen gleich, weil der Leistungsumfang im SGB VII verbindlich vorgegeben ist.
Die VBG antwortete uns auf unsere Frage, unter welchen Voraussetzungen sich Fotograf*innen bei ihr versichern lassen können, im Oktober 2025 wie folgt:
Die Zuständigkeit für Bildberichterstatter/Fotografen richtet sich nach dem Schwerpunkt der ausgeführten Tätigkeiten. Die Zuständigkeit der VBG ist gegeben, wenn der Schwerpunkt im Schreiben von Textreportagen besteht und Fotos hierzu nur zur Unterstützung eingesetzt werden.
Die Zuständigkeit liegt bei der BG ETEM, wenn schwerpunktmäßig Fotografien (oder Videos) hergestellt werden. Das beinhaltet die Bildaufnahme, Bildbeschaffung, Bildredaktion und Bildarchivierung usw.
Im Gegensatz zur BG ETEM besteht bei der VBG für die Unternehmer keine Pflichtversicherung. Sollte der Unternehmer Versicherungsschutz wünschen, kann ein Antrag auf eine freiwillige Unternehmerversicherung gestellt werden.
Egal, ob das Unternehmen/der Unternehmer bei der BG ETEM oder der VBG versichert ist, sind alle Tätigkeiten, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit ausgeführten Arbeiten, versichert.
Natürlich sollten in der Unternehmensanmeldung die ausgeführten Tätigkeiten und der jeweilige Umfang möglichst konkret angegeben werden, damit eine zutreffende Zuordnung zur zuständigen Berufsgenossenschaft erfolgen kann. Sollten die VBG im Einzelfall feststellen, dass die Zuständigkeit der VBG nicht gegeben ist, wird sie ein Überweisungsverfahren an die BG ETEM prüfen.
Befreiung von der Versicherungspflicht
Wer weniger als 100 Arbeitstage im Jahr im Unternehmen (also als Fotograf*in sowohl fotografierend als auch am Schreibtisch) tätig ist, kann sich mit einem formlosen Antrag bei der BG ETEM von der Versicherungspflicht befreien lassen. Damit entfällt natürlich auch der Versicherungsschutz.
Grundlage hierfür ist § 46 Absatz 2 der Satzung der BG ETEM:
„Nach Absatz 1 versicherte Unternehmer und Unternehmerinnen, die selbst nicht mehr als 100 Arbeitstage (8 Stunden = 1 Arbeitstag) jährlich im Unternehmen arbeiten, werden auf schriftlichen Antrag von der Versicherungspflicht befreit.“
Es gilt wie immer bei Versicherungen: Wägt eure Entscheidung im Hinblick auf eure individuelle Risikosituation sorgfältig ab. Über die Schreibtische der FREELENS-Geschäftsstelle sind viele existenzbedrohende Versicherungsfälle gewandert. Es gibt immer wieder Kolleg*innen, denen bei wirklich schweren Unfällen sehr gut und schnell geholfen wurde.
Nach wie vor ist die (Pflicht-)Versicherung in einer Berufsgenossenschaft die mit Abstand preiswerteste Möglichkeit, sich gegen Arbeitsunfälle abzusichern, zumal die Beiträge vollständig als Betriebsausgabe abgesetzt werden können.
FREELENS veranstaltet regelmäßig Informationsveranstaltungen mit Vertreter*innen der BG per Zoom. Dort könnt ihr natürlich auch Fragen stellen.
Bei Fragen könnt Ihr Euch auch an die Berufsgenossenschaften selbst wenden.