Heidi und Hans-Jürgen Koch

Schwüler Hauch weht über dem Fluss aus Gras. Sumpfzypressen stehen in fauligem Wasser. Farne, Palmen, Luftwurzeln, Mangroven, Dickicht. Moosbärte hängen lang von Ästen herab. Würgefeigen erdrosseln ihre Wirtsbäume. Tod und Leben sind hier eins. Die Feuchtigkeit schmeckt modrig.

Der Legende nach geht hier das affenartige Wesen Skunk Ape um. Erschreckend groß und schwer. Aber sanftmütig. Wäre da nur nicht sein fürchterlicher Gestank. In dieser Welt ist alles möglich, der Lebensraum nicht für Menschen gemacht. König der Sümpfe ist der Alligator. Er hat die Dinosaurier kommen und gehen gesehen. Sein Geheimnis? Das lebende Fossil ließ die Zeiten einfach an sich vorüberziehen. Man sieht es ihm an: ein Gesicht, wie erkaltete Lava. Doch ein Auge öffnet sich, eine Schlange verschwindet, der Vogel Anhinga ruft.

Eine Anderswelt. Die Everglades. Das Gebiet erstreckt sich vom Lake Okeechobee im Norden Floridas bis zur Südspitze der Halbinsel. Dort befindet sich der Everglades Nationalpark, Weltnaturerbe der UNESCO. Sein Zustand: Kritisch!

Die größte subtropische Wildnis Amerikas ist existenziell bedroht. Sie verliert ihr Lebenselixier. Ihr Blut ist das Wasser. Das fragile System wird durch einen Fluss gespeist, der bis zu 60 Kilometer breit ist, aber nur wenige Zentimeter tief. Er fließt stetig und ganz, ganz langsam, nur einen Meter pro Stunde. Das war eigentlich immer so.

Jetzt ist der natürliche Lauf der Dinge unterbrochen. Der Aderlass erfolgt durch exzessive Landwirtschaft, Bevölkerungswachstum, urbane Entwicklung und Wasserregulierung. Klimawandel, verbunden mit einem bedrohlichen Anstieg des salzigen Meerwassers, gibt dem Ökosystem den Rest.

Das Verschwinden der Everglades würde nicht nur einem ökologischen Desaster gleichkommen, sondern es wäre auch der Verlust eines essenziellen Kulturgutes. In uns Menschen lebt ein tiefes Bedürfnis nach solch ungezähmt mythischen Orten da draußen. Ohne sie verlieren wir unsere Seele. Davon erzählen die Fotografien.