RECAP
Foto: Finn Jahnke
Während in Deutschland das Thermometer in den roten Bereich kletterte, fuhren wir am Samstag, den 5. Juli, mit dem TGV von Hamburg Richtung Arles – vollgepackt mit Plänen, Neugier und einer gesunden Portion Vorfreude auf die Eröffnungswoche der Rencontres de la Photographie d’Arles 2025.
Nach einer kurzen Nacht in Marseille ging’s am Sonntagmorgen weiter nach Arles. Ankunft gegen Mittag, Sonne, 35 Grad, und direkt in den Endspurt: letzte Bilder einrahmen, Texte kleben, Schrauben nachziehen. Am Abend dann: Erleichterung. Alles steht. Die Ausstellung ist bereit.
„At the heart of this exhibition lies a simple yet profound question: What shapes human existence?“
So beginnt die kuratorische Einführung unserer Ausstellung »Sein und Werden« im Haus der Fondation Manuel-Rivera Ortiz, wo FREELENS gemeinsam mit der Hamburg Portfolio Review unter dem Dach der Gruppenausstellung „Paradox and Controverse“ ausstellt. Die Leitung der Organisation lag bei Christel Boget (Paris – Berlin Fotohaus), kuratiert und koordiniert haben David Kern und Heike Ollertz.
Die Ausstellung versammelt acht fotografische Positionen von FREELENS-Mitgliedern, Young Professionals und HPR-Teilnehmenden und hinterfragt die unsichtbaren Kräfte, die unser Leben formen: Erinnerungen, Rituale, Traumata, Zugehörigkeit und Glaube.
Die gezeigten Arbeiten reichen von dokumentarischen Fragmenten über intime Porträts bis zu hybriden, performativen Bildwelten und kollaborativen Projekten. Vom verblassenden Echo des Nomadenlebens in Sibirien bis zum selbstbewussten Blick einer Drag-Performerin in Berlin zeichnen diese fotografischen Projekte die subtilen Spannungen zwischen Isolation und Gemeinschaft, Tradition und Neuerfindung, Liebe und Angst, Glaube und Realität nach.
Mit Arbeiten von Lucia Bláhová, Andrea Durán, Christian Falck Wolff, Simon Gerlinger, Aaron Leithäuser, Magnus Terhorst, Oded Wagenstein, Doro Zinn.
Doro Zinn’s Projekt »Future Kids« - Foto: Finn Jahnke
Mit Beginn der Festivalwoche ist auch die FREELENS Ausstellung »Sein und Werden« für das Publikum zugänglich – und wird direkt gut angenommen. In der Eröffnungswoche strömen jedes Jahr rund 18.000 bis 20.000 Menschen durch die Gassen von Arles. Viele von ihnen fanden auch den Weg in unser Haus in der Rue de la Calade – neugierig, offen und mit viel Zeit für Gespräche.
Foto: Finn Jahnke
Am Abend präsentierte Aliona Kardash ihr bewegendes Projekt „It smells like smoke at home“, das kürzlich bei World Press Photo 2025 ausgezeichnet wurde.
Alionas Arbeit über ihre Familie in Sibirien vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs fesselte das Publikum – persönlich, nahbar und mit einer eindringlichen fotografischen Sprache. Danke, Aliona, fürs Einspringen und Teilen!
Artist Talk mit Aliona Kardash - Foto: Finn Jahnke
Am Nachmittag führte Kurator David Kern durch die Ausstellung. Viele der ausstellenden Fotograf*innen waren selbst anwesend – daraus entstand ein Dialog zwischen Fotograf*innen und David über die gezeigten Positionen. Der Raum war voll, die Gespräche lebendig.
Führung mit Kurator David Kern - Foto: Finn Jahnke
Am Abend dann die große Eröffnung des Fotohaus Paris-Berlin – zusammen mit unseren Kolleg*innen von laif und Inland. Bereits ab 17:30 Uhr zeigte laif seine Ausstellung, in der auch einige FREELENS-Mitglieder vertreten sind. Im Raum neben uns präsentiert laif zudem die Ausstellung »Tracing the Possible« – mit dabei sind auch die FREELENS-Fotograf*innen Jeanette Petri, Jana Islinger, Sitara Ambrosio, Nora Bibel und Daniel Chatard. Ab 19 Uhr wurde das gesamte Haus geöffnet – und es wurde voll. Sehr voll. Alte Bekannte, neue Kontakte, Austausch über Projekte, Pläne, Bildsprachen. Eine große, warmherzige Stimmung, wie man sie sich für ein Festival dieser Größenordnung nur wünschen kann.
Vernissage der FREELENS-Ausstellung »Sein und Werden« - Foto: Finn Jahnke
Etwas entspannter ging es am Donnerstag weiter: FREELENS und laif luden gemeinsam zu einem kleinen Get-Together in die Ausstellungsräume. Bei gekühltem Rosé und wedelnden Fächern richteten Manfred Linke (laif) und David Kern (FREELENS & HPR) ein paar persönliche Worte an die Gäste – schöne, lockere Minuten inmitten der Festivaltrubel.
Ab 11 Uhr waren Book Signings mit allen ausstellenden Fotograf*innen geplant. Anfangs etwas chaotisch – aber am Ende konnten viele ihre Bücher doch noch im Innenhof der Fondation Manuel-Rivera Ortiz präsentieren.
Felix Schmale, Young Professional und Verfasser des Vorworts, mit der druckfrischen YP-Broschüre. - Foto: David Kern
Sitara Ambrosio signiert ihr Buch »Fragile as Glass«
Philipp Meuser, Enver Hirsch und Heike Ollertz während des Book-Signings. Foto: Finn Jahnke
Der Abend gehörte dann dem »Behelfsheim« von Enver Hirsch und Philipp Meuser. Die beiden stellten ihr gemeinsames Buchprojekt in einem Artist Talk vor – und erzählten vom Entstehen der Arbeit, ihren Recherchen und der fotografischen Auseinandersetzung mit den geschichtsträchtigen Wohnorten. Die Präsentation war gut besucht, das Gespräch angeregt und humorvoll atmosphärisch.
Artist Talk und Buchvorstellung »Behelfsheim« mit Enver Hirsch und Philipp Meuser. - Foto: David Kern
Die Woche in Arles war intensiv, bunt, manchmal improvisiert – und genau deshalb so lebendig. Wir konnten FREELENS und die Hamburg Portfolio Review in einem inspirierenden Umfeld präsentieren, neue Netzwerke knüpfen, bestehende vertiefen und das tun, was Fotografie am besten kann: verbinden.
Besonders schön war es, so viele bekannte Gesichter wiederzutreffen – Kolleg*innen von FREELENS und laif, Teilnehmende und Reviewer der Hamburg Portfolio Review, Wegbegleiter*innen, Freund*innen. Arles wurde zum Treffpunkt, zum Ort des Wiedersehens und Weiterdenkens.
Und wir freuen uns über all die neuen Kontakte, die sich in diesen Tagen ergeben haben – über Menschen, die durch Arles auf FREELENS aufmerksam geworden sind und nun vielleicht Teil unseres Netzwerks werden. Willkommen!
Die Ausstellung läuft noch bis zum 5. Oktober 2025 in der Fondation Manuel-Rivera Ortiz – und bleibt damit ein fester Bestandteil eines der wichtigsten Fotofestivals weltweit. Wer es bis dahin nach Arles schafft: Ein Besuch lohnt sich.
Foto: Finn Jahnke
Sie hat inspiriert, motiviert, neue Fragen aufgeworfen und alte bestätigt. Sie hat gezeigt, was Fotografie kann – heute, morgen und darüber hinaus. Sie ist nicht tot, wie manche behaupten. Im Gegenteil: Sie lebt. Und wie!
Es gibt unzählige Themen, Methoden, Wege und Formate – sei es analog oder digital, kollektiv oder individuell, essayistisch oder performativ. Fotografie verändert sich, ja. Aber sie bleibt relevant. Sie bleibt berührend. Und sie bleibt politisch.
Wir gehen mit einem guten Gefühl aus dieser Woche. Mit neuen Ideen, mit offenen Fragen, mit toller Energie.
Ein riesengroßes Dankeschön geht an Daniel Oschatz und das gesamte Team von Oschatz Visuelle Medien für die großzügige Unterstützung unserer Ausstellung und die herausragenden Drucke.
Ein ebenso herzliches Dankeschön an Christel Boget vom Fotohaus Paris-Berlin für die engagierte Organisation, den Überblick und die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Wir danken außerdem der Fondation Manuel-Rivera Ortiz für die Gastfreundschaft, die großartige Betreuung vor Ort und die Möglichkeit, unsere Ausstellung in so einem besonderen Haus zeigen zu dürfen.
Und natürlich: Vielen lieben Dank an alle Fotograf*innen – für eure Arbeiten, euer Vertrauen, euer Engagement und den offenen, kollegialen Austausch. Es war uns eine Freude!
Fotos: Finn Jahnke und David Kern