Veröffentlichung
Klaus Heymach

Sonnenallee – Arabische Straße

Nachbarschaft, Heimat und Parallelwelt im besten Sinne. Liedfetzen aus Beirut und das beste Kichererbsenfrühstück der Stadt. Der Geruch von Apfeltabak, frischem Fladenbrot und Weihrauch. Salam aleikum im Späti. Eine Hommage an 1500 Meter »Arabische Straße« in Neukölln, Fernweh! Das ist »Sonnenallee«.

Aus dem Buch »Sonnenallee – Arabische Straße«. Foto: Klaus Heymach

Gut ein Jahr lang hat der Kreuzberger Fotograf Klaus Heymach das arabische Leben auf der berühmt-berüchtigten Magistrale in Neukölln fotografiert, auf der »Arabischen Straße«, wie sie hier viele nennen – verrufen und fremd für manche, Heimat und Sehnsuchtsort für andere.

Seit er in Berlin wohnt, stillt die Sonnenallee Heymachs Fernweh. Sie erinnert ihn an sein Auslandsjahr in der Altstadt von Sanaa, wo der 48-Jährige einst Arabisch lernte und das Leben seiner jemenitischen Nachbarn beobachtete. Frisches Fladenbrot aus dem Tandurofen und dicke Bohnen mit Hummus gibt es auch auf der Sonnenallee. Lieder von Fairuz mischen sich hier mit kunstvoll intonierten Versen aus dem Koran, der Duft von Apfeltabak mit den Abgasen von Stadtbussen und hochmotorisierten Luxuskarossen.

Aus dem Buch »Sonnenallee – Arabische Straße«. Foto: Klaus Heymach

Mit seinem im Eigenverlag erschienen Büchlein setzt Heymach der Sonnenallee ein kleines fotografisches Denkmal. Eine Hommage an das arabische Leben, an die Menschen, die der Straße zwischen Hermann- und Hertzbergplatz ihr Gesicht geben, die kleinen Details, die einen gedanklich wahlweise nach Syrien, Libanon oder Irak versetzen. Aus einer Seminararbeit an der Ostkreuzschule für Fotografie wurde eine Ausstellung, aus der Ausstellung ein Buch.

Es kann nur eine Momentaufnahme sein, das verrät ein Spaziergang über die Straße: sie verändert sich noch immer rasant. Aus dem Schnellrestaurant mit dem sprechenden Namen »Sonnen City« ist inzwischen »Mr. Grill« geworden, die marmorierten rosa Fliesen im »Azzam« wurden während des Lockdowns durch klinisches Weiß ersetzt, die Schischabar »Umm Kulthum« ist seit einem Wasserschaden geschlossen. Die Straße ändere sich so schnell, dass er sich dort wie ein Fels in der Brandung fühle, sagt Said, dessen Büro hier seit 20 Jahren Spenden für libanesische Waisenkinder sammelt.

Aus dem Buch »Sonnenallee – Arabische Straße«. Foto: Klaus Heymach

Der aus Beirut stammende Bäcker Imad erinnert sich daran, wie er anfangs Schrippen und Hörnchen für die Berliner Kundschaft buk – heute sind eher Baklava gefragt. Vor drei Jahrzehnten waren es vor allem Palästinenser aus dem Libanon, die vor dem Bürgerkrieg flohen und den Leerstand in Neukölln für ihre Läden nutzten.

2015 kamen die Syrer dazu und tauften die damals schon boomende Sonnenallee kurzerhand »Arabische Straße«. Von Leerstand ist dort heute keine Spur mehr, im Gegenteil. Er sei froh, wenn er nach Feierabend zu seiner Frau nach Reinickendorf könne, meint Konditor Imad. »Dort ist es ruhiger.«

Klaus Heymach
Sonnenalle – Arabische Straße
64 Seiten mit Fadenheftung, 50 Fotografien mit ergänzenden Textprotokollen.
19cm x 14cm, Klappenbroschur.
Gedruckt auf Magno Volume 150 g/m2 in Weimar, Auflage: 500.
Eigenverlag, Berlin, 2021
Preis: 16,- Euro