Veröffentlichung
Florian Kopp und Sandra Weiss

Götterdämmerung am Amazonas

Vieles liest man über die Zerstörung des Regenwaldes, wenig über gute Ideen, ihn zu schützen. Der FREELENS Fotograf Florian Kopp und die Journalistin Sandra Weiss haben sich mit ihrem Projekt »Götterdämmerung am Amazonas« deshalb auf die Suche nach Menschen begeben, die mit ihren Initiativen und guten Ideen der Zerstörung erfolgreich die Stirn bieten. Sie nennen diese Herangehensweise »konstruktiven Journalismus«, also einen Journalismus, der nach Lösungen, nicht nach Problemen sucht. Die Umsetzung des Projekts nahm zwei Jahre in Anspruch – wobei die Aufbereitung des Materials nicht weniger Zeit in Anspruch nahm als die Recherchen selbst. Einiges wurde angedacht und dann wieder verworfen, ein anrecherchiertes Thema stellte sich vor Ort als nicht solide genug heraus. Auf fünf Reisen recherchierten die beiden schließlich vier Geschichten, die als Web-Reportagen auf der Seite www.amazonian-future.de vorgestellt werden.

Eine Frau bereitet einen jungen Brillenkaiman zu. Ihre Tochter sieht dabei zu. Foto: Florian Kopp

»Die größte Hürde war die Finanzierung des Projekts, das knapp 30.000 Euro verschlang – Honorare für die Autoren nicht eingerechnet«, erzählen Florian Kopp und Sandra Weiss. »Klassische Verlage mit ihren niedrigen Budgets fielen allein deshalb von vorneherein aus. Außerdem war es uns wichtig, die journalistische und gestalterische Hoheit über die Inhalte des Projekts zu behalten. So wurden viele Klinken geputzt, Anträge auf Zuschüsse gestellt, Telefonate geführt, Bewerbungen für Stipendien verschickt, bis zumindest die Kosten gedeckt waren. Das Kapitel über syntropische Landwirtschaft wurde vom Kulturwerk der VG Bild-Kunst gefördert. Weitere Finanzierung erhielten wir vom Schweizer Medien-Fonds Real21 und von den Hilfswerken Misereor, Adveniat und Brot für die Welt. Keiner der Förderer hatte Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen und Inhalte.

In »Hüter der Quellen«, einer Reportage aus dem Quellgebiet der Amazonasflüsse im Hochland von Ecuador, geht es um die Frage, wie man am besten mit der knapper werdenden Ressource Wasser wirtschaftet. Der Wasserfonds FONAG kauft große Flächen in den Hochmoren der Anden auf, schützt die Quellgebiete vor Eindringlingen und Zerstörung und leistet mit Forschung und Bildungsarbeit einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Flüsse und Wälder im Tiefland.

Ernst Götsch tüftelt mit Großgrundbesitzern an einem Traktor, der für seine neue Landwirtschaft benötigt wird. Foto: Florian Kopp

Ebenfalls in Ecuador haben wir uns angeschaut, wie das in der Verfassung festgeschriebene »Gute Leben« im Amazonas umgesetzt wird. Wir haben die Indígena-Gemeinde Sarayaku besucht, die sich – wie einst die Gallier in »Asterix gegen die Römer« – erfolgreicher als Andere gegen die Invasion der Erdölkonzerne zur Wehr setzt und haben nach ihrem Zaubertrank gesucht.

Ganz tief in den Regenwald ging es danach im Dreiländereck zwischen Kolumbien, Peru und Brasilien. Menschen kommen dort nur mit Booten oder Wasserflugzeugen hin. Trotzdem sind industrialisierte Lebensmittel, Plastik und evangelikale Kirchen omnipräsent. Dort haben wir miterlebt, wie indigene Gemeinden sich der Vereinnahmung durch die individualistische Konsumgesellschaft widersetzen und in ihren Wurzeln und den heimischen Pflanzen neue Kraft finden.

Bis heute erfolgt die Jagt mit dem Blasrohr - Tradition und Moderne sind im Kichwa-Dorf Sarayaku kein Widerspruch. Foto: Florian Kopp

Brasiliens Sojabauern zählt man üblicherweise zu den Umwelt-Bösewichten. Doch es gibt eine wachsende Gruppe, die keine Zukunft mehr im Modell der industriellen und auf Gentechnik basierenden Landwirtschaft sieht und auf Syntropie setzt – eine neue Form der umweltverträglichen Landwirtschaft, die der Schweizer Agronom Ernst Götsch konzipiert hat.

Der Regenwald hat unsere Fähigkeiten und Ausdauer auf eine harte Probe gestellt. Wir sind stundenlang in einfachen Holzkähnen über Flüsse geschippert, haben in Hängematten geschlafen und in Flüssen gebadet. Wir mussten unsere Drohne aus Baumwipfeln retten, standen eine gefühlte Ewigkeit unter der brennenden Tropensonne auf Sojafeldern, haben auf 3800 Metern Höhe nach Sauerstoff gerungen und wurden von tropischen Platzregen bis auf die Unterhose durchnässt. Wir haben stachelige Früchte und Kaimane gegessen und literweise Insektenspray versprüht. Das alles war nötig, weil wir ganz nahe herangehen wollten an unsere Protagonist:innen und an die Natur. Und um unsere Leser:innen mitzunehmen auf eine authentische Reise in die faszinierendsten und unwirtlichsten Regionen Südamerikas.«