Fotografien aus Berlin
Christian Schulz & Harald Hauswald

Die wilden Achtziger & Goodbye Ostberlin

Berlin in den achtziger Jahren, gesehen von zwei jungen Fotografen, getrennt durch eine Mauer, aber verwandt in der Art, das alltägliche Leben der Menschen in ihren jeweiligen Stadthälften mit der Kamera einzufangen: Ohne voneinander zu wissen, schufen Christian Schulz im Westen und Harald Hauswald im Osten lebendige Ansichten »der beiden Städte Berlin«, die Mathias Bertram nun mit ihnen zu einem faszinierenden Doppelporträt der geteilten Stadt zusammengefügt hat.

Nicht ohne Ironie ist dabei, dass der Osten in meisterhaften Farbfotos und der Westen in klassischem Schwarzweiß auftritt. Sichtbar wird eine Stadt, die auch nach mehr als zwanzig Jahren der Spaltung letztlich ein großes Ganzes darstellte – und schon damals der lebendigste Ort Deutschlands war.

Kinder, Prenzlauer Berg, Berlin, 1986.
Kinder, Prenzlauer Berg, Berlin, 1986. Foto: Harald Hauswald/OSTKREUZ
Polizeischutz bei einer Demo, 1982.
Polizeischutz bei einer Demo, 1982. Foto: Christian Schulz

Wie ein Magnet zog Westberlin im Jahrzehnt von Helmut Kohl, Margaret Thatcher und Ronald Reagan junge Leute an, die aus der westdeutschen Wohlstandsgesellschaft fliehen wollten. Hier, in der hoch subventionierten, aber immer noch von den Provisorien der Nachkriegszeit gezeichneten Frontstadt des Kalten Krieges fanden sie einen Raum, in dem sich alternative Lebensformen entfalten konnten. Die Hausbesetzerszene blühte, die Punkkultur war auf dem Vormarsch, politischer Protest und Straßenfest waren oft kaum zu unterscheiden.

Christian Schulz hat diese vom Fall der Mauer jäh beendeten wilden Jahre als Fotograf miterlebt. Seine in Grautönen schwelgenden, detailreichen und hintergründigen Fotografien erzählen vom Alltag, von Demonstrationen, Konzerten und Bällen, und erinnern an Rio Reiser, Ideal, Quentin Crisp und andere legendäre Akteure jener Zeit.

Fest im Hirschhof, Prenzlauer Berg, Berlin, 1986.
Fest im Hirschhof, Prenzlauer Berg, Berlin, 1986. Foto: Harald Hauswald/OSTKREUZ
Drei Omas, 1983.
Drei Omas, 1983. Foto: Christian Schulz

Wer in den achtziger Jahren in Ostberlin lebte und staatsfernen Interessen nachging, traf unvermeidlich auch auf Harald Hauswald. Als Flaneur mit einer allzeit bereiten Kamera blickte er hinter die Kulissen eines müde und mürbe gewordenen Staates und entdeckte dabei immer wieder Szenen im alltäglichen Leben der Berliner mit einer überraschenden Mischung aus Heiterkeit und Melancholie.

Ab 1986 fotografierte Hauswald auch in Farbe, von westdeutschen Illustrierten großzügig ausgestattet mit hochwertigen Kodak-Filmen. So entstanden neben seinen klassisch gewordenen Schwarzweiß-Bildern nun auch Aufnahmen, die das »Abendlicht« über einer untergehenden Gesellschaft, aber auch den farbenfrohen Aufbruch einer jungen Generation festhielten – still, unspektakulär, aber von umso größerer Suggestivkraft.

Union Spiel, Berlin, 1986.
Union Spiel, Berlin, 1986. Foto: Harald Hauswald/OSTKREUZ
Lima Theaterfest, 1982.
Lima Theaterfest, 1982. Foto: Christian Schulz

Gemeinsame Buchvorstellung am 27. September 2016 um 21 Uhr in Berlin:
»Die stillen und die wilden Achtziger – ›die Städte Berlin‹ in einem Doppelporträt«
Open-Air-Bildprojektion. Christian Schulz und Harald Hauswald im Gespräch mit dem Verleger Mark Lehmstedt über Leben und Fotografieren im Berlin der achtziger Jahre. 
Restaurant Riogrande,
May-Ayim-Ufer 9 (ehem. Gröbenufer, Nähe Oberbaumbrücke), 10997 Berlin

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Christian Schulz
Die wilden Achtziger – Fotografien aus West-Berlin
Herausgegeben von Mathias Bertram, mit einem Vorwort von Arno Widmann.
Leipzig, Mark Lehmstedt Verlag, 2016, 160 Seiten, 27 x 24 cm, gebunden, Fadenheftung, Schutzumschlag
ISBN 978-3-95797-041-1, 24,90 Euro

Harald Hauswald
Goodbye Ostberlin – Fotografien 1986–1989
Herausgegeben von Mathias Bertram
Leipzig, Lehmstedt Verlag, 2016, 112 Seiten, 27 x 24 cm, gebunden, Fadenheftung, Schutzumschlag
ISBN 978-3-95797-026-8, 19,90 Euro