Wandel durch Annäherung?
Fotojournalisten und Polizisten haben unterschiedliche Arbeitsaufträge. Das macht das Miteinander schwierig. Wie man die Zusammenarbeit trotzdem verbessern kann, darüber haben beide Seiten in Hannover diskutiert.
Welche Rechte haben Polizisten und Fotojournalisten? Was beschäftigt beide Gruppen, insbesondere bei Demonstrationen und beim Aufeinandertreffen in Extremsituationen? Wie können sie miteinander umgehen, um Konflikte zu entschärfen? Und wie schaffen Polizisten und Fotojournalisten eine Situation, in der beide Seiten ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können?
Diese Fragen standen im Zentrum einer Diskussionsveranstaltung, zu der FREELENS gemeinsam mit der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) in Hannover eingeladen hatte. Die Veranstaltung stand unter dem Motto »Im Dialog: Fotojournalisten und Polizeibeamte«. Auf dem Podium führten zwei Polizeivertreter und Roland Geisheimer, 1. Vorsitzender von FREELENS, zunächst in das Thema ein.
»Der Sprung ins Vertrauen«
Uwe Reinert wurde in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Einsätzen vom hannoverschen Fotojournalisten Janko Woltersmann, Vorstandsmitglied bei FREELENS, mit der Kamera begleitet. Durch das wachsende Vertrauensverhältnis der beiden wurden auch Diskussionen möglich, die schließlich in die Veranstaltung mündeten. Reinert ist seit 1982 Polizist und seit 2006 Hundertschaftsführer bei der 2. Bereitschaftspolizei Hannover. »Wir machen alles, wo viele Menschen sind«, so umschrieb er sein Aufgabenfeld.
Reinert berichtete auch von seinen Erfahrungen mit Medienvertretern. Die könne er in einem Satz zusammenfassen: »Ich habe noch nie negative Erfahrungen gemacht.« Probleme gibt es aus seiner Sicht mit Journalisten, die bewusst provozieren wollen und auf ein spektakuläres Bild hoffen. Reinert versuche bei Einsätzen immer, den Sprung ins Vertrauen zu machen, wie er das nennt.
Das Versammlungsrecht sei sein Hobby, sagte Reinert. Er berichtete den Diskussionsteilnehmern etwa von der Definition einer Störung auf Versammlungen und wann er als Polizist eingreifen müsse. Es gebe im Einsatz manchmal Situationen, in denen es keinen Raum für eine persönliche Kommunikation zwischen Polizei und Journalisten gebe. In Ausnahmemomenten sei der Schutz einer Person wichtiger als der Schutz der Berichterstattung, der grundsätzlich auch wichtiger Teil der Polizeiarbeit sei. »Bei den Chaostagen haben wir Leute aus dem Steinhagel getragen«, sagte er. In so einer Situation könne er niemanden nach seinem Presseausweis fragen.
Karsten Wolff, Pressesprecher der ZPD, berichtete im Anschluss an diesen ausführlichen Praxisteil auch von der Mittlerfunktion einer Pressestelle der Polizei. Der Umgang mit Medien mache in der Polizeiausbildung nur einen kleiner Teil aus. Und es sei dann auch menschlich, wenn ein Beamter aus Unsicherheit zurückhaltend gegenüber den Medienvertretern ist. »Reden hilft«, das sei sein Motto. Wolff habe auch schon oft am Rande einer Demonstration vermittelt und den Beamtenkollegen die Lage erläutert und Fotojournalisten so auch zu ihrem Recht verholfen.
Presseausweise als Problemfall
Ein Problem seien auch die vielen Anbieter von Presseausweisen. Manche seien, man müsse das so deutlich sagen, gekauft. »Wir müssen aber alle gleich behandeln«, sagte Wolff. Roland Geisheimer wies dabei noch einmal darauf hin, dass der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius das Thema »einheitlicher Presseausweis« auf seinem Tisch habe und nun handeln müsse.
Roland Geisheimer fotografiert selbst seit mehr als 20 Jahren an Orten, an denen Polizei und Fotojournalisten in Extremsituationen kommen. Er kennt wie so viele Fotojournalisten Situationen, bei denen es etwa an einer Polizeiabsperrung kein Durchkommen mehr gibt. Er leitete mit seinen Erfahrungen von Einschränkungen und auch Gewalt durch Polizisten in die offene Diskussion über. In dieser lebhaften Diskussion zeigte sich, dass Fotojournalisten nicht immer auf Polizeibeamte treffen, »die das Grundgesetz zitieren können«, so ein Teilnehmer der Veranstaltung. Anhand vieler Beispiele wurde deutlich, wie schwer die Kommunikation und das Verständnis für die Fotojournalisten gerade bei den sogenannten besonderen polizeilichen Lagen ist. Einige der Fotojournalisten bewegte besonders die Frage, wie man daran arbeiten kann, dass die Sachlage klarer ist, dass also sowohl Fotojournalisten als auch Polizisten besser wüssten, was erlaubt ist und was nicht.
Es gibt keine Checkliste für das Miteinander von Fotojournalisten und Polizisten
An dieser Stelle der Diskussion zeigte sich ein Grundproblem. Roland Geisheimer fasste es so zusammen: »Das föderale System ist toll – hier hilft es nicht.« Denn in den Ländern gebe es viele Unterschiede, etwa beim Versammlungsrecht. Eine Checkliste, an der sich beide Seiten vor Ort orientieren können, sei so gar nicht denkbar. Vieles hänge auch von den Menschen vor Ort ab. Die Polizei sei nicht unfehlbar, sagte Uwe Reinert: »Wir sind ein Spiegel der Gesellschaft«.
Verbesserungen sind nur durch einen ständigen Austausch möglich, da waren sich die Polizeivertreter und auch viele der Fotojournalisten einig. Uwe Reinert bemerkte, dass es nach Einsätzen in Nachbesprechungen auch um den Kontakt mit Medienvertretern geht. Die Sensibilisierung für solche Fragen sei aber ein Prozess. Denn: »Wir müssen bedenken: Polizisten und Fotojournalisten haben andere Prioritäten«, sagte Reinert. Polizisten und Medienvertreter hätten aber kein Interesse daran, sich aneinander zu reiben. Die Veranstaltung könne ein Auftakt sein für mehr Verständnis. Polizeisprecher Karsten Wolff bot den Fotojournalisten ganz offensiv an, hinter die Kulissen der Polizeiarbeit zu schauen. »Wir machen vieles möglich«, sagte Wolff. Im geschützten Raum könne man sich kennenlernen und Verständnis für rechtliche Fragen fördern, aber auch für Sorgen und Wünsche der Gegenseite sensibler werden.
Bei der Diskussion wurde deutlich, dass sich die Fotojournalisten Ansprechpartner wünschen, um Fehlverhalten zu thematisieren. Roland Geisheimer von FREELENS machte darauf aufmerksam, dass es die Möglichkeit der Beschwerde beim Innenministerium gebe. Er bat auch betroffene Kollegen, verstärkt den Weg zu FREELENS suchen – nur so könne der Verband auch helfen. Im Nachgang der Veranstaltung wollen die Organisatoren klären, wie der Dialog fortgeführt werden kann, wie trotz aller Unterschiede in den Bundesländern dennoch Handreichungen bereit gestellt werden können und wie womöglich innerhalb von FREELENS eine Form des Austauschs unter Interessierten gefunden werden kann.
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Gerd Schild arbeitet als freier Journalist in Hannover. Er schreibt über Themen, die ihn interessieren – von Saatgut über abseitige Helden des Fußballs bis hin zu den Folgen der Erdgasförderung. Die Texte erscheinen in verschiedenen Zeitungen und Magazinen, darunter die Hannoversche Allgemeine Zeitung, Echt. Niedersachsen und 11 Freunde.
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