Ausstellungseröffnung
FREELENS Galerie

Vernissage von »Maximum Shadow Minimal Light« mit Gustavo Minas

Einführende Worte unseres Kurators Peter Lindhorst zur Eröffnung der Ausstellung »Maximum Shadow Minimal Light« von Gustavo Minas am 23. Mai 2019 in der FREELENS Galerie.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin überaus froh, einen Gast begrüßen zu dürfen, der einen sehr langen Weg auf sich genommen hat. Boa Noite, Gustavo Minas!

Der Streetphotographer ist extra aus Brasilien angereist, um uns heute sein bestechendes Licht- und Schatten- , Farben- und Formenspiel, das sich durch seine hier präsentierten Arbeiten zieht, zu präsentieren.

Dabei bekam ich gerade einen großen Schrecken, ob Gustavo rechtzeitig zur Eröffnung wieder da ist. Kurz vorher war er plötzlich verschwunden, das Hamburger Abendlicht zog ihn magisch fort. Er musste Bilder machen, aber das ist typisch für jemanden wie ihn. Er hat immer die Kamera dabei und wartet auf die Gelegenheit. Für Gustavo Minas ist die Straße der Ort, an dem er kreativ werden kann.

Peter Lindhorst, Kurator der FREELENS Galerie, bei der Begrüßung des ausstellenden Fotografen Gustavo Minas und des österreichischen Verlegers Lois Lammerhuber (v.l.n.r.). Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss

Jemand wie Gustavo Minas, aber auch viele seiner Kollegen, die ich kenne, ist getrieben, den öffentlichen Raum immer und immer wieder zu durchdringen und ihm Neues abzuringen – das Geschehen in den Straßen der zumeist großen Städte, es scheint ein nicht auszureizender, nicht enden-wollender Stoff zu sein. Denn was erzählt eigentlich besser über die Conditio Humana des modernen Individuums und die Rahmenbedingungen, die unsere gesellschaftlichen Ordnungen bestimmen, als die Straße?

Ein faszinierender und zugleich bitterer Umstand ergibt sich daraus, dass die tatsächliche Anerkennung der Akteure sich überhaupt nicht monetär ausdrückt, sondern allerhöchstens in einer Anerkennungswährung: Followerzahlen und Likes. Und so hat dann jemand wie Gustavo fast 50.000 Follower auf Instagram, wo er immer wieder seine Arbeiten präsentiert.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, dort selbst viel unterwegs sind, dann kennen Sie Gustavo vielleicht. Wenn nicht, ist er höchstwahrscheinlich eine Neuentdeckung für Sie. Er hat Fans überall, etwa in Lissabon, wo er gerade einem Workshop gab oder er trifft hier in Hamburg auf Kollegen aus seinem Genre, mit denen er sich gerne austauscht und die gleich die Chance nutzen, einen Film über ihn zu drehen.

Foto: Philipp Reiss
Gustavo Minas nutzte auch während der Vernissage die ein oder andere Gelegenheit, um zu fotografieren. Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss

Der eigentliche Ausstellungsraum für Streetphotography scheinen die sozialen Medien geworden zu sein, die Galerie ist wohl eher der Ausnahmefall. Streetphotography bewegt sich fernab aller Distributionswege und Verwertungsketten, die sonst die Fotografie bestimmen. Und dennoch ist es schön, dass wir Gustavos Arbeiten heute nicht auf dem Bildschirm betrachten, sondern an der Wand, wo sie sich sehr gut behaupten.

Wenn ich an Straßenfotografie denke, dann beneide ich deren Akteure vor allem dafür, dass sie einen Grund haben – einen Grund, in den Straßen zu flanieren und den Lebensraum, in dem sie sich bewegen, anders bzw. überhaupt zu erfahren. Ähnlich wie vielleicht nur Hundebesitzer sind sie getrieben, immer wieder raus zu müssen.

In einem kleinen Begleittext erwähnt Gustavo, dass das Fotografieren ihn an Orte bringt, die er sonst nie besucht hätte, dass es die langen Spaziergänge durch die Stadt sind, die manchmal viel befriedigender sind als die fotografischen Ergebnisse selbst, die er später zu Hause sichtet.

Während der Laufzeit der Ausstellung ist auch Gustavo Minas Buch »Maximum Shadow Minimal Light« bei uns in der Galerie erhältlich. Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss

Er ist gerne unterwegs, wenn ein Großteil der Stadt noch schläft und durchwandert dann zu Fuß die großen Städte Brasiliens. Viele seiner Bilder sind in der 20-Millionen-Metropole São Paulo entstanden, die in seiner Bilderwelt extrem ruhig, fast meditativ dargestellt wird. Wer tatsächlich einmal dort war, weiß, wie extrem druckvoll und fordernd die Stadt sein kann. Ein Moloch, der seine Bewohner täglich verschlingt. Aber davon erfährt man nichts in diesen Bildern.
Im Gegenteil – aus ihnen strahlt eine tiefe Ruhe, ein großes Versprechen auf einen neuen Tag, auf Stille und Idylle, was sich in der Realität später als großer Trugschluss herausstellen wird.

Gustavo ist müde von der frühen Stunde, in der er unterwegs ist, er ist aber sofort hellwach in dem Moment, wo er eine Situation antizipieren kann. Ein Lichtstrahl, der plötzlich eine Mauer zum Leuchten bringt. Ein Schatten, der geworfen wird. Eine Spiegelung in einer Scheibe. Gustavo kommt den Menschen nah, manchmal ist es der berühmte »Decisive Moment«, der in seinen Fotos festgehalten ist. Ein Beispiel ist die Szene eines Mannes, der seine Hand in die Dunkelheit ausstreckt, als wolle er jemanden begrüßen.

Mich persönlich kriegen jene Bilder am meisten an den Haken, in denen zugleich Distanz und Nähe abgebildet sind. Es sind die Ansichten durch Auto- und Fensterscheiben. Wir sind als Betrachter – genau wie der Fotograf – ganz nah dran und zugleich durch die Scheibe getrennt. Wir betrachten die Personen und können ihren Blicken nicht entnehmen, wohin diese schweifen. Schaut die Frau im Bus auf uns zurück oder einfach durch uns hindurch. Bewegt sie sich noch in der eigenen Gedankenwelt oder schon in realer Welt?

Für den Betrachter von Gustavos Bildern verkehrt es sich ins Gegenteil. In ihren besten Momenten ziehen seine Bilder uns aus einer realen Welt in eine Gedankenwelt. Dann ist ein Foto von Gustavo wie der Anfang einer Geschichte, die wir in unserem Kopf weiter spinnen können.

Die Ausstellung ist noch bis zum 8. August 2019 in der FREELENS Galerie zu sehen. Foto: Philipp Reiss

Aber jetzt bin ich inhaltlich doch schon viel mehr auf die Arbeit eingegangen, als ich eigentlich wollte. Denn dafür habe ich mir ja einen Experten eingeladen. Als zweiten Gast begrüße ich Lois Lammerhuber!

Lois ist Fotograf und Verleger aus Österreich, er ist Initiator des Alfred-Fried-Photography-Awards, Initiator eines großen Fotofestivals etc. Wir haben vor vielen Jahren schon mal eine sehr schöne Ausstellung über die Cappoziello–Brüder gemacht. Wer damals dabei war, wird sich noch gut erinnern.

Damals war der Anlass das Erscheinen eines neuen Foto-Buches. Seitdem ist viel Zeit vergangen und Lois hat viele Fotobücher herausgegeben und auch »Maximum Shadow Minimal Light« von Gustavo Minas ist ganz druckfrisch und feiert hier Premiere.

Die Ausstellung »Maximum Shadow Minimal Light« von Gustavo Minas ist noch bis zum 8. August 2019 bei uns in der FREELENS Galerie zu sehen. Während der Laufzeit der Ausstellung ist auch das Buch zur Ausstellung bei uns erhältlich.