Ausstellung
Esther Horvath

»Stars of Polar Night« – Vernissage mit Esther Horvath

Wissenschaftsfotografin Esther Horvath und GEO-Expeditionsreporter Lars Abromeit, der die Texte zu den Fotos beigetragen hat, eröffnen die Vernissage der Ausstellung »Stars of Polar Night« am 2. Februar 2023 in der FREELENS Galerie. In einem Gespräch erzählen sie von ihren gemeinsamen Erlebnissen und Erfahrungen in Ny-Ålesund.

Lars Abromeit: Herzlich Willkommen, wir freuen uns sehr, dass ihr alle hier seid!

Ny-Ålesund ist ein ganz besonderer Ort, die nördlichste Siedlung der Erde. Ursprünglich wurde sie als Kohlebau-Siedlung gegründet, seit den 60er Jahren wird sich in Ny-Ålesund aber komplett der Forschung gewidmet. Elf Nationen haben dort Forschungsstationen und untersuchen das ganze Jahr die Atmosphäre, die Gletscher und die Natur am Kongsfjord. Im Sommer leben dort bis zu 150 Menschen, im Winter zur Polarnacht sind es nur etwa 40 Menschen, die dort vier Monate in der Dunkelheit ausharren.

In der Ausstellung »Stars of Polar Night« wollen wir zeigen, was es bedeutet, dort zu überwintern. Wir stellen die Menschen dort vor, die Forschung und den Alltag in Ny-Ålesund. Die Fotografien hat Esther Horvath gemacht, die ich euch wahrscheinlich nicht vorstellen muss. Sie hat schon sehr oft in der Arktis gearbeitet und fotografiert und war auch schon einige Male in Ny-Ålesund – allerdings noch nie in der Polarnacht, bevor wir vor einem Jahr dort gemeinsam unterwegs waren und auch ich die Dorfgemeinschaft kennenlernen durfte.

Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss

Lars Abromeit: Esther, du bist ja schon sehr viel in der Arktis unterwegs gewesen, nicht nur in Ny-Ålesund, sondern unter anderem auf dem Eisbrecher Polarstern zur großen MOSAiC Forschungsexpedition. Kannst du mal erzählen, was dich an der Arktis so fasziniert?

Esther Horvath: Mich fasziniert die magische Landschaft der Arktis, die ich versucht habe, mit meinen Fotos zu zeigen. Besonders in der Polarnacht sieht man dieses besondere blaue Licht, das ich so wunderschön finde – genau wie die weiße Puderzucker-Landschaft, die Berge und diese Stille, die gleichzeitig keine Stille ist, weil der Wind in der Arktis oft extrem laut ist. Dabei ist man so stark mit der Natur verbunden, aber auch mit sich selbst und mit anderen Menschen, das habe ich noch nie vorher auf dieser Erde gefühlt und erlebt. Außerdem liebe ich die Kälte, ich liebe Eis und Schnee und das zieht mich immer wieder zurück in die Arktis.

 

Esther Horvath: Wie hast du denn die Arktis wahrgenommen, Lars, und was hat dich dort fasziniert?

Lars Abromeit: Für mich war die Entstehung des Projekts erstmal total spannend, vor allem die Aussicht, ein Überwinterungsteam zu besuchen. Für meine GEO-Expeditionen war ich bereits in der Antarktis, aber da waren wir in der Sommerzeit und da wurde uns erzählt, dass es im Winter ganz anders ist. Dann findet sich eine Gruppe, besonders die Bewohner*innen, nochmal ganz neu zusammen und auch die Herausforderungen sind anders, man kann die Station teilweise für längere Zeit nicht verlassen. Ich finde es so wahnsinnig schwer, das als außenstehende Person zu verstehen und zu erleben, weil die dort für Monate abgeschottet leben, da kommt auch kein Flugzeug rein oder raus.

Deshalb fand ich unsere Reise nach Ny-Ålesund eine tolle Gelegenheit, für eine kurze Zeit in das Leben und den Alltag dort einzutauchen. Tatsächlich fand ich erstmal die Forschung ganz spannend, aber am Ende der Zeit, die ich da war, war ich von den Menschen am meisten beeindruckt. Eine der Forscherinnen, Fieke Rader, hatte ich beispielsweise gefragt, was es für sie bedeutet, in Ny-Ålesund zu sein und sie sagte, dass es natürlich wichtig sei, in der Klimaforschung zu arbeiten, aber eigentlich sei es vor allem ein schöner Ort zum Leben. Das hat mich erstmal total irritiert, weil als wir dort ankamen, fand ich es sehr wild und beängstigend. Vor allem wenn‘s so dunkel ist, denkst du, dass jederzeit ein Eisbär auftauchen könnte. Aber was sie meinte, war, dass diese Gemeinschaft dort so zusammenwächst, dass alle einen Teil zum gemeinsamen Ziel beitragen und jeder Mensch so akzeptiert wird, wie er ist, egal wo man herkommt. Das fand ich sehr inspirierend.

Foto: Philipp Reiss

Lars Abromeit: Welche Rolle spielen die Menschen in Ny-Ålesund für dich und deine Fotografie, Esther, und welche Rolle spielt die Forschung?

Esther Horvath: Für mich ist die Kombination aus beidem wichtig. Mein Ziel ist es, mithilfe meiner Fotos über Forschung und Wissenschaft zu sprechen, aber durch die Augen von Forscherinnen und Forschern. Jedes Mal, wenn ich auf einer Reise bin, muss ich mich ständig wieder daran erinnern, Landschaftsbilder zu machen, weil ich das einfach vergesse. Ich konzentriere mich in meinen Fotos immer auf die Menschen und was sie machen, ich bin eine absolute Menschenfotografin. Dadurch habe ich auch meine Nische in der Fotografie gefunden, Wissenschaftskommunikation durch die Augen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Lars Abromeit: Als wir zusammen dort waren, in Ny-Ålesund, fand ich auch, dass man gemerkt hat, die Leute binden einen richtig ein und haben auch selbst Interesse daran, dass man die Wissenschaft versteht. Was mich dabei vor allem überrascht hat, war, dass ich vorher dachte, viele von diesen Geräten könnten den Winter über einfach da stehen und selbstständig Messungen durchführen, aber so ist es nicht. Man braucht eben doch Menschen, die die Geräte und Instrumente Instand halten, sonst wären die Ergebnisse ungenau oder verfälscht. Diese Erkenntnis fand ich echt spannend, dass die Forscher:innen aus gutem Grund dort überwintern und im Endeffekt sind sie ja auch stellvertretend für alle Menschen da, um das Klima und seine Veränderungen zu messen.

Foto: Philipp Reiss

Lars Abromeit: Hast du ein bestimmtes Konzept in deiner Fotografie, wie du Menschen und Forschung zusammenbringst, Esther?

Esther Horvath: Meine absolut größte fotografische Inspiration ist die Mondlandung. Wenn wir an die Mondlandung denken, denken wir nicht an die vielen wissenschaftlichen Paper und die Forschung, sondern an ein Bild. Das ist das, was ich mit meiner Fotografie erreichen möchte, dass ich Bilder schaffe, an die wir uns erinnern können. Ich möchte gerne die Schönheit der Forschung zeigen, also nicht den Prozess der Forschung, sondern einfach deren Schönheit. Ich liebe es außerdem, in der Dunkelheit zu fotografieren und das habe ich auf der MOSAiC-Forschungsexpedition machen dürfen. Da war ich monatelang auf dem Eisbrecher Polarstern in Richtung Nordpol unterwegs und dort habe ich dann entschieden, dass ich gerne in der Polarnacht zurück nach Ny-Ålesund gehen würde.

Lars Abromeit: Ist das Projekt mit der Ausstellung »Stars of Polar Night« für dich jetzt abgeschlossen oder willst du irgendwann nochmal nach Ny-Ålesund fahren?

Esther Horvath: Tatsächlich werde ich jetzt im März wieder nach Ny-Ålesund fahren. Denn ein Teil meiner Ausstellung ist die Serie »Women of Arctic Science«, in der ich Wissenschaftlerinnen porträtiere und daran möchte ich gerne weiterarbeiten, so wie jetzt im März. Bei den Fotos der Forscherinnen handelt es sich um Porträts und ich habe sie so fotografiert, dass jede Frau in ihrer Umwelt zu sehen ist, also wo sie arbeitet und jede Frau ihr Instrument dabei hat oder etwas in der Hand hält, was für sie wichtig ist. Beim Fotografieren nutze ich Licht, damit die Fotos cinematisch aussehen, etwas theatralisch, weil ich die Forscherinnen gerne auf eine Bühne ins Licht heben will.

Wenn ihr euch die »Women of Arctic Science« in Esther Horvaths Ausstellung »Stars of Polar Night« anschauen möchtet, kommt gerne noch bis zum 31. März 2023 in der FREELENS Galerie vorbei.

Foto: Philipp Reiss