Ausstellungseröffnung
Frank Schinski

»Ist doch so« in der FREELENS Galerie

Auszüge der Eröffnungsrede von Peter Lindhorst und ein Gespräch mit Frank Schinski.

»Ich glaube, ich habe die Arbeit von Frank Schinski in dem Augenblick schon geliebt, als er mir eines Tages von seinem Projekt erzählte und mir lediglich den Titel nannte. Und ich hab vielleicht auch ein wenig Angst gehabt, ob die Fotos das einhalten können, was der Titel mir versprach.

Dann aber kamen die Bilder. Das erste Bild, das ich sah: Vier Raubkatzen überqueren im aufrechten Gang die Brücke über einen Fluss. Mein Blick heftet sich an ihre Rückenansichten. In welcher Mission sind die denn unterwegs? Ein Raubzug? Aber was machen die roten Schleifen an ihrem Schwanz? I wanna go to paradise… zu welchem Paradies sind die wohl unterwegs? […]

So offen wie die Türen, so offen sind manchmal die Situationen, in die uns Frank Schinski führt. Wir gehen durch seine Türen und dann sehen wir das: auf einer Straße liegen Blechinstrumente, daneben mit Federn geschmückte Kappen. Wo aber ist die dazugehörige Kapelle? Im Streit, im Stau, am Bierstand, aufgelöst?

Frank Schinski - Ist doch so
Foto: Evgeny Makarov

Wir gehen durch eine andere Tür von Frank Schinski und befinden uns plötzlich in einem Zugabteil. Wir lassen uns auf unseren Sitz nieder, aber keine Fahrkarte wird uns abgenommen. Stattdessen eine Speisekarte gereicht, aus der wir schließlich die Empfehlung des Hauses wählen. Und natürlich erstmal ein Bier. […]

Frank Schinski hat eine besondere Gabe. Er sucht seine Sujets in genau jenen Bereichen, deren Relevanz nicht jedem von uns bis dahin klar gewesen sein dürfte. Er dringt in die Hölle des Alltags, in unwirtliche Pausenräume, in eigenartig dekorierte Feiersäle von Gaststätten, in muffige Umkleidekabinen, in nüchterne Chefzimmer, an das funktionale Produktionsband in einem Autokonzern, er blickt in die spezielle Ordnung von Parkhäusern. Überall dort findet er sein Gold. […]

Frank Schinski sucht nach Situationen, die uns die oft absurde Dimension unseres Alltags aufzeigen. Auf billige Effekte verzichtet er, die zu offensichtliche Pointe meidet er. In den kleinen Dingen verhandelt er die großen Fragen des Lebens.

Manches Mal weiß man nicht, ob machen lachen, oder vielleicht auch ein bisschen Tränen verdrücken soll. Einer meiner absoluten Favoriten: eine Büroszene. Riesige Aktenberge warten in noch riesigeren Rollwagen, die wie Transportfahrzeuge für Gefangene aussehen, auf ihre Bearbeitung. Zwei Personen lesen mit Sorgfalt die Akten und man erhält das unbedingte Gefühl, es wird Jahr über Jahr dauern, bis dieser Berg abgetragen ist. Tatsächlich, ist endlich eine Akte bearbeitet, wandert sie in einen der roten Behälter unter dem Schreibtisch, was einen dann doch irgendwie noch mehr enttäuscht. Denn man dachte bis gerade eben noch allen Ernstes, die roten Behälter würden als Wannen für ein Erholungsfußbad der Angestellten dienen.

Es ist, wie es ist. Es ist nichts, wie es ist. Ist es so? Ist doch so. Ach so.«

Frank Schinski - Ist doch so
Foto: Evgeny Makarov

Frank, warum interessierst du dich fotografisch für Themen und Bereiche, bei denen wir uns eigentlich als allerletztes vorstellen können, warum sie einen Fotografen interessieren? Meinen Alltag will ich doch nicht auch noch in Fotos präsentiert sehen…

Frank Schinski: Es sind eigentlich genau das die spannenden Momente, finde ich. Oft wird man irgendwo hingesteckt, muss einen Auftrag, muss irgendwelche Sachen fotografieren, die einen Höhepunkt für irgendetwas darstellen oder zeigen, dass irgendetwas passiert – dabei ist es doch viel spannender, wie Sachen passieren und warum Sachen passieren. Das war schon immer ein Konflikt während meines gesamten Studiums. Warum man fotografiert, das ist eigentlich das, was man lernen sollte und nicht, wie man die Blende einer Kamera einstellt.

Wie ist diese Arbeit entstanden? In einem Schwung?

Frank Schinski: Nein, definitiv nicht. Das war daran auch das Schöne für mich. Man kennt das ja, man schreibt ein Exposé oder versucht eine Arbeit in Worte zu fassen, um irgendwo ein Stipendium zu bekommen oder einen Kunden, ein Magazin, eine Zeitschrift zu überzeugen, dass sie das dann vielleicht irgendwann auch mal drucken. Auf jeden Fall muss man die Idee in Worte fassen, bevor überhaupt das erste Foto entstanden ist.

Hier war es so, dass ich am Ende selber überrascht war, dass die Arbeit entstanden ist. Die Fotos stammen aus den verschiedensten Kontexten: einzelne Bilder sind Auftragsarbeiten entnommen, teilweise sind es Motive aus Serien, die ich frei fotografiert habe.

Frank Schinski - Ist doch so
Foto: Evgeny Makarov

Und irgendwann gab es diesen Moment. Ich musste damals nach zwei, drei Jahren als Juniormitglied bei Ostkreuz in einer Präsentation die Arbeiten zeigen, die während dieser Zeit entstanden sind. Kurz vorher war ich ziemlich beschäftigt und hatte gar nicht so richtig Zeit, mich da groß drauf vorzubereiten. Also habe ich einfach jede Menge Fotos auf meinen Rechner gekippt, bin nach Berlin gefahren und ich habe dort alles gezeigt. Die letzten Fotos der Präsentation hatte ich in der Woche davor gerade erst fertiggestellt.

Ich hatte damals überhaupt keinen Bezug zu meiner Arbeit, weil – ihr kennt das vielleicht zum Teil – man arbeitet und arbeitet und arbeitet und die Bilder landen auf einem Rechner in irgendwelchen Ordnern in irgendwelchen Archiven und dann vergisst man sie relativ schnell.

Als ich dann mit meiner Präsentation fertig war, saßen alle mit offenem Mund da und waren total geflasht und Ute Mahler meinte irgendwann: »Ist dir eigentlich klar, was du da gemacht hast?« Und hat mir dann den Hinweis gegeben, nochmal genauer hinzugucken.

Dafür habe ich dann ein paar Jahre gebraucht – und das Ergebnis seht ihr jetzt hier.

Das war auch für mich total spannend, nach mittlerweile so zehn Jahren als Berufsfotograf zu sehen, dass einfach eine Arbeit entsteht, obwohl man es eigentlich gar nicht merkt. Dass ich ein Bild, das zehn Jahre als ist, neben ein Bild hängen kann, welches drei Monate alt ist, das hat mich total beeindruckt!

Frank Schinski - Ist doch so
Foto: Evgeny Makarov
Frank Schinski - Ist doch so
Foto: Evgeny Makarov

Wie schaffst du es, den Menschen so nah zu kommen und gibst du auch manchmal irgendwelche kleinen Regieanweisungen?

Frank Schinski: Du meinst ja die grundsätzliche Frage: »Inszenierst du deine Bilder oder inszenierst du sie nicht?« Ich würde sagen, ja, die sind inszeniert – nur ich hab’ sie nicht inszeniert. Das machen wir schon alle selber, jeden Tag. Jeder von uns hat bestimmte Gewohnheiten, folgt bestimmten Ritualen. Ich esse zum Beispiel jeden Morgen ein Frühstücksei, gehe meistens in das selbe Café… Wir alle, ich möchte da auch gar nicht raus.

Jeder wird das kennen, es gibt so einen Arbeitsmodus, man zieht sich bestimmte Sachen an, man verschwindet auf Arbeit, redet nichts Privates mehr… Wir kennen das sicherlich alle. Und das ist es, was ich so spannend finde. Deswegen sage ich: Ja, die Bilder sind inszeniert – nur ich mach’s nicht. Das schaffen die ganz alleine, die Menschen.

Frank Schinski - Ist doch so
Foto: Evgeny Makarov

Und wie komme ich nun dahin, wie mache ich die Bilder. Ich glaube, irgendwann im Studium hab ich einen Kollegen getroffen, einen Fotoprofessor in Prag, Viktor Kolár, den haben wir damals besucht. Und bei diesem Besuch ist klar geworden, wenn man Fotografie studiert, heißt das auch, dass man sich selber fragt, wer bin ich eigentlich, was kann ich eigentlich und warum kann ich bestimmte Dinge besser als andere Dinge.

Ich hab mich immer geärgert, dass ich zum Beispiel nicht Kriegsfotograf bin. Ich fand das immer toll damals – die Bilder von James Nachtwey oder auch von Kollegen, die heute noch an solche Orte fahren. Ich habe aber gemerkt, ich würde endlos versagen. Ich hätte viel zu viel Schiss. Aber dafür hab ich andere Schlüssel, für bestimmte andere Türen in meiner Hosentasche. Und das war das, was mir damals Viktor Kolár auch deutlich gemacht hat, das wir alle gucken müssen, was machen wir eigentlich, wer sind wir eigentlich.

Und mir ist irgendwann aufgefallen, ich bin kein großer starker Mann, vor mir muss man keine Angst haben. Ich hab jetzt nicht so einen Alphatier-Habitus und deswegen komme ich irgendwie mit der Putzfrau und mit dem Vorstandschef klar. Niemand muss sich irgendwie gegen mich positionieren. Ich bin auch meistens ziemlich ehrlich, ich erzähl den Leuten relativ viel von mir – ungefragt auch manchmal, damit sie mich einschätzen können. Das sorgt dann dafür, dass die mich schnell wegsortieren, schnell vergessen und mich nicht mehr wahrnehmen. Oder einfach so in ihrem Alltag akzeptieren, ohne sich großartig über das zu wundern, was ich da mache…