Ausstellungseröffnung
Florian Müller

»Hashtags Unplugged« in der FREELENS Galerie

1. November - 1. November 2018
Einführende Worte anlässlich der Eröffnung von Florian Müllers Ausstellung »Hashtags Unplugged – Von Lastern und Leitmotiven« am 1. November 2018 in der FREELENS Galerie. Von Peter Lindhorst

 

Ich kenne mich überhaupt nicht aus. Wenn ich dort bin, kommt es mir immer ein bisschen so vor, als ob ich mich in eine Welt eingeschlichen hätte, in die ich eigentlich gar nicht gehöre. Eine überbordende Welt, in der ich mich kaum zurechtfinde, zumeist ohne Orientierung bleibe, mich ein wenig verloren fühle. Manchmal gebe ich mich dort selbst zu erkennen, werfe einen Beitrag in die Runde, aber das bedeutet längst nicht, dass mich dort auch nur irgendjemand zur Kenntnis nimmt.

Ich bin das, was man einen Instagram-Sonderling nennen könnte. Zwar bin ich hier ab und zu unterwegs, seltsamerweise ist meine Gier und Neugier aber zu wenig ausgeprägt, als dass ich mich lange bei Instagram aufhalten möchte. Es ist nicht so, dass ich nicht gerne den Geschichten Anderer folge, diese beklatsche und ihnen als Ausdruck meiner Dankbarkeit mein Herz schenke. Doch meine eigenen Geschichten sind nicht der Rede wert, ich erzähle sie nicht, zeige höchstens mal ein Reisefoto.

Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss

Ich kenne mich nicht die Bohne aus, wie Instagram funktioniert: Ich kenne nicht die Namen wichtiger Influencer und während ich mir spaßeshalber eine Liste mit den wichtigsten Tipps durchlese, die mir erklärt, wie man Aufmerksamkeit bei Instagram generiert, merke ich, dass ich alles, wirklich alles falsch mache. Ich bin unsicher, ob ich in Englisch oder Deutsch posten soll. Ich benutze meine Filter willkürlich, meine Hashtags sitzen nie richtig. Ich berücksichtige nicht die Tagszeit, wann es am günstigsten ist, seine Beiträge zu posten usw. Ich hab’ ungefähr 30 Follower. Die fünf Likes, die ich kriege, kommen von Freunden (tatsächliche Freunde aus der anderen Welt, die ebenso verloren wie ich dort wirken – man stützt sich gegenseitig). Sie kommen von Fremden, die sich zufällig zu mir verirrt haben und mir ein Like aus Mitleid geben.

Ich glaube, ein Problem ist, dass ich zu wenig regelmäßiges Mitteilungsbedürfnis habe (nein, ich poste nicht täglich). Das größere ist, dass ich keine Geschichten erzählen kann, weil ich einfach keine Geschichten zu erzählen habe. Geschichten aber sind das Gold bei Instagram. Wer seine Geschichte überzeugend erzählen kann, kriegt den verdienten Applaus. Wer eine völlig neue Geschichte erzählen kann, kann große Anhängerschaften um sich scharen. Ich kenne mich nicht aus mit Mode, mit Food, habe keine Katze, ich klettere nicht auf Hochhäuser, ich kann keine Beauty-Stories erzählen, ich habe zum Glück keine Essstörungen oder Depressionen, mit denen ich die Empathie meiner Follower herausfordern könnte. Ich bin Durchschnitt. Damit kann man keine Anhänger gewinnen.

Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss

Heute aber gibt es einen Gast, der sich viel besser in dieser Welt auskennt. Allerdings nicht, weil er wahnsinnig viel aktiv postet oder eine riesige Followerzahl um sich scharrt. Ich begrüße Florian Müller, der mit seiner Geschichte »Hashtags Unplugged« im Sommer den FREELENS Award auf dem Lumix Festival gewonnen hat und seine Arbeit zum ersten Mal in dieser Ausführlichkeit als Ausstellung vorführt. Florian Müller ist jemand, der für seine fotografischen Geschichten extrem viel Vorarbeit (Recherche und Überzeugungsarbeit) leisten muss, der aber nie kalkulieren kann, ob es am Ende den gewünschten Ertrag gibt oder doch einer der Akteure wieder abspringt.

In der Zeit, in der wir öfters telefonierten, war er ständig in Bereitschaft, auf dem Sprung zu einem Akteur, der dann ganz am Schluss doch wieder absagte oder, wenn er ihn getroffen hatte, sein Bild zurückzog. Es scheint extrem herausfordernd, sich auf die Suche nach Instagram-Akteuren zu begeben und diese oft davon überzeugen zu müssen, die Hyperkontrolle für das Image, das sie für ihren Bildstream geschaffen haben, aus der Hand zu geben.

Florian Müller setzt sich auf sehr intelligente Weise mit der Selbstdarstellungssucht seiner Akteure auseinander (wobei das Wort Sucht zu sehr ein Urteil impliziert). Er setzt zwei Welten in Beziehung und macht dem Betrachter bewusst, wie stark diese beiden Welten ineinandergreifen und was es mit den Leuten macht. Bigger than life – das ist das Versprechen von Instagram, doch Florian Müller zeigt genauso die Ernüchterung hinter dem Bling-Bling.

Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss
Foto: Philipp Reiss

Seine Arbeit ist so extrem stark, weil sie niemals wertet und so viele unterschiedliche Geschichten erzählt, so viele unterschiedliche Motive vermittelt, warum Leute Instagram für sich nutzen. Vor allem interessant ist natürlich, wie es ihm gelingt, eine Plattform, deren Urkern das Fotografische ist, mittels der eigenen Fotografie zu reflektieren. Florian Müllers Arbeit stellt viele Fragen und fordert den Betrachter heraus. Am Ende ergibt sich für diesen ein großer Erkenntnisgewinn.

Dennoch bin ich ein schlechter Vermittler und habe die ganze Zeit das Gefühl: Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen. Von meinem zweiten Gast habe ich die Idee, dass er viel bereiter ist, sich mit der Welt von Instagram zu beschäftigen und zu dieser und Florian Müllers Arbeit eine überaus dezidierte Meinung hat. Ich begrüße daher Francesco Giammarco, der Redakteur der Zeit ist und reiche das Mikrofon weiter. Ich komme deshalb zu der Annahme, dass unser Redner ausreichende Expertise hat, weil er einen wunderbaren Artikel geschrieben hat, den ich nur jedem empfehlen kann und der »Mein Leben als Influencer« betitelt ist…