Social-Media-Lizenzen und der neue Wahrnehmungsvertrag
Unter Urheber*innen und in den Verbänden ist seit einiger Zeit von Social-Media-Lizenzen oder auch von Plattformlizenzen die Rede. Die einen hoffen, dass sich die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst durch diese Lizenzen erhöhen, die anderen befürchten den Verlust der Kontrolle über ihre eigenen Werke und Bilder. Roland Geisheimer, Vorsitzender der Berufsgruppe II im Verwaltungsrat der VG Bild-Kunst und Marco Urban, Mitglied der Gruppe »Fotografie hat Urheber«, beide Mitglieder des Vorstands von FREELENS, informieren hier über die Hintergründe zur neuen Gesetzgebung und den Veränderungen für Urheber*innen.
Follow-up zur »Social-Media-Bildlizenz«
Aufzeichnung des Follow-ups zu den »Sozial-Media-Bildlizenzen«. Dr. Helge Langhoff, Direktor Inkasso der VG Bild-Kunst und Dr. Urban Pappi, geschäftsführender Vorstand der Verwertungsgesellschaft, informieren euch darüber, wieviele Urheber*innen den Wahrnehmungsvertrag inklusive der Lizenz bereits unterzeichnet haben, wie der Stand der Verhandlungen mit den Plattformen ist und wie die angekündigte Opt-Out-Datenbank funktionieren wird.
Text – Roland Geisheimer & Marco Urban
Werke auf Social-Media-Plattformen hochladen kann jede*r, völlig unabhängig davon, ob man die entsprechenden Nutzungsrechte besitzt oder nicht. Viele von uns waren schon von Urheberrechtsverstößen auf Social-Media Plattformen betroffen, häufig haben wir davon aber nie etwas erfahren. Allein bei Facebook werden laut Statistiken täglich rund 350 Millionen Bilder hochgeladen. Je relevanter die Plattformen, desto brisanter wird die Frage, wie die Gesetzgebung diesen Urheberrechtsverstößen Einhalt gebieten kann.
Eine technische Lösung zu implementieren, die den Upload urheberrechtlich geschützter Werke für Nutzer:innen ohne entsprechende Berechtigung unmöglich gemacht hätte, stieß auf erheblichen Widerstand in der Netz-Community. Mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit und unterstützt von den Plattformen wurde dieser Vorschlag abgewehrt. Also suchte die Gesetzgebung eine Möglichkeit, die illegalen Uploads zu legalisieren und die Urheber:innen stattdessen zu honorieren.
Zur Gesetzgebung
Auf europäischer Ebene wurde im April 2019 die EU-Richtlinie »über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt« (DSM-RL) (1) beschlossen. In der Folge wurden die EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Die deutsche Gesetzgebung verabschiedete vor der Bundestagswahl 2021 das »Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz« (UrhDaG). Dieses Gesetz regelt die sogenannten Social-Media- oder Plattform-Lizenzen. Das heißt: Die Social-Media-Plattformen haften durch die neu eingeführte Plattformhaftung für die Urheberrechts-Verstöße ihrer Nutzer*innen (Uploader). Mit dem Erwerb von Social-Media-Lizenzen, wie sie zurzeit von der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst mit den Plattformen verhandelt werden, würden die Plattformen von dieser Haftung wieder befreit.
Die Rolle der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst
Die Rechte, die sich für uns aus den Social-Media-Lizenzen ergeben, sprich eine angemessene Honorierung, müssen von »repräsentativen Rechtsinhaber*innen« oder von den Verwertungsgesellschaften (UrhDaG §4) wahrgenommen werden. Das wäre in unserem Fall die VG Bild-Kunst, die hierfür mit dem Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) kooperiert, um den Plattformen ein sog. »Weltrepertoire« anbieten zu können.
Die neuen Verträge der VG Bild-Kunst
Aktuell verschickt die VG Bild-Kunst die neuen Wahrnehmungsverträge an ihre Mitglieder. Mit der Unterzeichnung dieser Verträge stimmen die Mitglieder einer Lizenzierung ihrer Bilder durch die Social-Media-Lizenzen nach dem UrhDaG (Wahrnehmungsvertrag, Punkt 1.21) (1) zu.
Eine Zustimmung zu dieser Lizenzierung legalisiert die Verwendung von Bildern durch andere Nutzer*innen und die Social-Media-Plattformen unter der Voraussetzung, dass diese »nicht kommerziell handeln oder keine erheblichen Einnahmen erzielen«. Im Wahrnehmungsvertrag wird der VG Bild-Kunst also von den Urheber*innen der Werke der gesetzlich geforderte Lizenzumfang, also für nicht kommerzielle Nutzer*innen oder jene ohne erhebliche Einnahmen, eingeräumt.
Der kritische Punkt
Im Falle der Social-Media-Lizenzen bedeutet das, dass nicht-kommerziell tätige oder ohne erhebliche Einnahmen tätige Nutzer*innen (also nicht nur Privatpersonen) Bilder auf Social-Media-Plattformen frei verwenden dürfen. Nutzer*innen können also auch Behörden, Stiftungen, Vereine, Verbände, Parteien usw. sein (UrhDaG §6, Abs. 1).
Mit dem UrhDaG ist deshalb kein Urheberverband so richtig glücklich. Die Gesetzgebung zeigte sich im parlamentarischen Prozess weitestgehend beratungsresistent.
Eine mögliche Lösung
Entgegen der gesetzlichen Vorgaben aus Brüssel und Berlin möchte die VG Bild-Kunst versuchen, statt der nicht-kommerziellen Nutzung nur die private Nutzung zu lizenzieren. Gelingt dies, würde das möglicherweise gängige Geschäftsmodelle schützen. Lassen sich die Plattformen darauf nicht ein, wird sich das in den Lizenzkosten widerspiegeln müssen.
Welche Folgen hat das für uns?
Wenn sich die VG Bild-Kunst und die Plattformen geeinigt haben, wird es Vergütungen für die o.g. Verwendungen geben. Damit werden bislang illegale Uploads legal.
Die VG Bild-Kunst hat einen entsprechenden Tarif vorgelegt, der als Auftakt für Verhandlungen mit den Plattformen anzusehen ist. Wie hoch die zu erwartenden Vergütungen sind, werden die Verhandlungen zeigen. Bei den Autoren dieses Textes gehen die Einschätzungen dazu auseinander. Roland Geisheimer hofft auf erhebliche Mehreinnahmen für die Mitglieder der VG Bild-Kunst. Marco Urban befürchtet, dass die Erträge durch die Social-Media-Lizenzen deutlich geringer ausfallen als prognostiziert und bestehende Geschäftsmodelle dadurch eventuell beeinträchtigt werden.
Unabhängig davon, ob ihr den neuen Wahrnehmungsvertrag der VG Bild-Kunst unterzeichnet, werden wir im Rahmen des UrhDaG die Kontrolle über die Verwendung unserer Bilder auf den Social-Media-Plattformen verlieren. Das mag für einige kein Problem sein, für andere aber vielleicht schon.
Was kann gegen den Kontrollverlust getan werden?
- Wenn ein lizenziertes Bild mit einem anderen Inhalt (Text, Bild, Grafik) kombiniert wurde (»nutzergenerierte Inhalte«), können die Urheber*innen dieses Werk auch nach Upload durch die Plattform blockieren lassen (UrhDaG §11, Abs. 2). Das Bild wird dann als »mutmaßlich erlaubte Nutzung« eingestuft und bleibt für mindestens 48 Stunden online (mit der Vermutung, dass es sich um ein Zitat, eine Parodie, Karikatur oder Pastiche handelt). Erst danach wird geklärt, ob die Nutzung rechtmäßig war.
Auf das umfangreiche Thema der Blockierung und der »mutmaßlich erlaubten Nutzung« wird ausführlicher in Teil 2 eingegangen.
- Urheber*innen können die Löschung verlangen, um ihr Werk vor einer Entstellung nach dem Urheberpersönlichkeitsrecht zu schützen (UrhDaG §13, Abs. 3, UrhG § 14).
Bei der Entstellung muss es sich nicht nur um eine Bearbeitung des Bildes handeln, sie kann sich auch auf den Kontext beziehen, in dem das Werk verwendet wird. Es ist aber davon auszugehen, dass die Gründe für eine Löschung schwerwiegend sein müssen. Es wird vermutlich nicht ausreichen, dass mit dem Bild Meinungen verbreitet werden (z.B. als Meme oder im Text), welche die Urheber*innen nicht vertreten. Vielmehr muss es um strafbare Inhalte wie der Leugnung des Holocaust oder Hass-Botschaften gehen. Wo genau die Grenze liegt, werden Gerichte entscheiden müssen.
Welche Werke sind von der Social Media Lizenz ausgenommen?
Wenn auf Bildern Personen oder urheberrechtlich geschützte Objekte abgebildet werden, sind diese Bilder mit Rechten Dritter (Persönlichkeits- oder Designrechten) belegt. In diesem Fall sind die Bilder eindeutig nicht von der Social-Media-Lizenz erfasst und die Nutzer*innen haften für ihren Upload selbst.
Ebenfalls nicht von der Lizenz erfasst sind Bilder, welche von den Urheber*innen selbst auf Plattformen hochgeladen werden. Wie bisher werden die Nutzungsrechte durch die jeweiligen AGB auf die Plattform übertragen. Auch das Recht auf Anerkennung der Urheber*innenschaft am Werk (Autor*innennachweis) ist Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts und wird durch das UrhDaG bzw. die Lizenz nicht tangiert.
Praxisbeispiele
Paul und Cassandra haben dem Wahrnehmungsvertrag zugestimmt.
Paul fotografiert Landschaften und Tiere. Er freut sich, wenn seine Bilder verwendet werden. Bislang hat er von Privatpersonen dafür selten ein Honorar bekommen. Es war häufig nicht lohnend, dieses einzuklagen. Durch das UrhDaG ist der Upload auf Plattformen für die Nutzer*innen legal und Paul bekommt einen Anteil der Erträge aus den Social-Media-Lizenzen. Paul ist zufrieden.
Cassandra hat für einen ihrer Kunden Symbolfotos produziert, Rechte Dritter sind nicht betroffen. Dieser verwendet die Bilder auf der Firmen-Webseite. Eine Privatperson oder ein:e Mitarbeiter*in einer nicht-kommerziellen Organisation kopiert diese Bilder von der Webseite und verwendet sie auf Social Media. Das kann in einem völlig anderen Kontext erfolgen, eventuell in Kombination mit anderen Bildinhalten oder mit Text, z. B. als Meme. Dies ist durch das UrhDaG und die Social-Media-Lizenz legal.
Cassandras Kunde wird sich natürlich fragen, warum er einen Auftrag erteilt, um Bilder exklusiv nutzen zu können, wenn diese dann nicht exklusiv sind. Hier kann der Kunde als Rechteinhaber die Nutzung der Bilder durch die Social-Media-Lizenz blockieren.
Was können und müssen wir jetzt machen?
Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst wurde von ihren Mitgliedern beauftragt, mit den Plattformen diese Kollektivlizenzen zu verhandeln. Für uns ist es nur von Vorteil, dass unsere Verwertungsgesellschaft sich dem annimmt, als wenn andere Organisationen hier tätig werden.
Als in der Verwertungsgesellschaft gut vertretener Verband (FREELENS stellt ein Vorstandsmitglied und den Vorsitz in der Berufsgruppe II) sitzen wir direkt an der Quelle und geben den Verhandler*innen Rückmeldungen aus den Urheberverbänden. Anders als die Verträge zwischen YouTube und der GEMA wird es mit den Plattformen keine Geheimverträge geben. Der Verwaltungsrat, in dem die Verbände sitzen, muss diesen Wahrnehmungsverträgen zustimmen und die Aufsichtsbehörde, das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), beaufsichtigt das Handeln des Verwaltungsrates.
Den Wahrnehmungsvertrag unterschreiben oder nicht?
Die Frage, ob man den Wahrnehmungsvertrag unterschreibt, ist selbstverständlich eine individuelle Entscheidung. Für uns als Urheber*innen ist es wichtig, diesen neuen Wahrnehmungsvertrag vor allem zu verstehen. Wenn dazu noch Fragen aufkommen, werden wir gerne versuchen, diese zu beantworten. Auch die VG Bild-Kunst steht gerne mit Auskünften zur Verfügung.
Da die VG Bild-Kunst den Plattformen eine »erweiterte Kollektivlizenz« anbietet, sind alle Urheber*innen von der Lizenz erfasst. Dies geschieht unabhängig davon, ob sie Mitglieder der VG Bild-Kunst sind und ob sie den neuen Wahrnehmungsvertrag unterschrieben haben. Wer nicht unterschrieben hat (oder kein Mitglied der VG ist) gilt als »Außenstehende*r« und hat damit die gleichen Rechte und Pflichten wie Unterzeichnende des Wahrnehmungsvertrages, insbesondere in der Ausschüttung.
Gleichwohl ist es wichtig, dass die Mitglieder der BG II, die aktuell von der VG Bild-Kunst den Wahrnehmungsvertrag erhalten, diesen zügig zurücksenden (so sie ihn unterzeichnen wollen).
Unterschreiben zu wenige Urheber*innen den Wahrnehmungsvertrag, wird es für die VG Bild-Kunst schwer, die vom UrhDaG geforderte Repräsentativität nachzuweisen. Die VG Bild-Kunst kann die erweiterten Kollektivlizenzen nur anbieten und auch stark in den Verhandlungen sein, wenn sie »repräsentativ« sind, d.h. genügend Verträge unterzeichnet wurden und sie somit ausreichend Urheber*innen vertreten kann.
Der Lizenzierung widersprechen
Wer nicht will, dass seine Werke über die Social-Media-Lizenz legal verwendet werden können, muss dem gegenüber der VG Bild-Kunst widersprechen. Mitglieder der VG Bild-Kunst streichen dafür im Wahrnehmungsvertrag § 1 Absatz 1.21 Buchstabe a.
Buchstabe b enthält die Vergütungsansprüche aus der gesetzlich erlaubten Nutzung, also Parodie, Karikatur und Pastiche. Diese kann man als Urheber*in ohnehin nicht unterbinden. Sie werden aber voraussichtlich nur ca. 5% (grober Richtwert lt. VG Bild-Kunst) der Lizenzerlöse ausmachen.
Wer den besagten Absatz a streicht, wird in eine generelle Opt-Out Datenbank von Urheber*innen aufgenommen. Hier werden Name und Geburtsdatum zur eindeutigen Identifizierbarkeit gespeichert. Wenn die VG eine Bildlizenz mit einem Diensteanbieter abschließt, erhält dieser Zugriff auf diese Datenbank und somit Kenntnis von den Urheber*innen, deren Werke nicht von der Lizenz umfasst sind.
Im Falle dieses sog. Opt-Out bleibt rechtlich gesehen für die Urheber*innen alles beim Alten.
Für eine Blockierung stellen Rechteinhaber*innen die entsprechenden Bilder (oder sog. Fingerprint-Dateien) in eine Datenbank ein. Uploads werden mit der Datenbank abgeglichen und ggf. werden Nutzer*innen beim Upload darauf aufmerksam gemacht, dass sie das betreffende Bild nicht nutzen dürfen.
Ohne Blockierung werden die Nutzer*innen nicht daran gehindert, nicht-lizenzierte Bilder hochzuladen. Wenn Rechteinhaber*innen davon Kenntnis erhalten, können sie eine Honorierung verlangen und das betreffende Bild umgehend von der Plattform löschen lassen.
Bis wann muss der Wahrnehmungsvertrag unterschrieben werden?
Im aktuellen Newsletter teilt die VG Bild-Kunst mit, dass die letzten Mitglieder der BG II ihre Verträge wohl erst im Frühjahr 2023 erhalten werden. Bis dahin ist für alle noch Zeit, sich umfassend zu informieren. Die große Informationskampagne »share aber fair« der VG Bild-Kunst läuft gerade erst an. Dort wird es in der nächsten Zeit noch weitere Informationen geben.
Kann man seine Zustimmung auch nachträglich wieder zurückziehen?
Ja. Gemäß § 12 VGG ist es allen Berechtigten möglich, auch bei bestehendem Wahrnehmungsvertrag einzelne Rechte zu kündigen, wenn bestimmte Fristen eingehalten werden.
Teilkündigungen einzelner Rechte sind mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündbar (Wahrnehmungsvertrag § 13). Man kann also einmal im Jahr auch aus der Social-Media-Lizenz (§ 1 Absatz 1.21 Buchstabe a) aussteigen. Dann müsste dieser Teil des Wahrnehmungsvertrags gegenüber der VG Bild-Kunst schriftlich und formlos gekündigt werden.
Fazit
Wer seine Bilder über die VG Bild-Kunst für die Social-Media-Lizenzen lizenzieren lässt, wird damit Erträge erhalten, deren Höhe noch mit den Plattformen auszuhandeln ist. Dafür werden Urheber*innen im Rahmen der Lizenz aber die Kontrolle über ihre Werke verlieren. Letzteres gilt in bestimmtem Umfang aber auch für jene Urheber*innen, die der Lizenzierung nicht zustimmen. Der Wahrnehmungsvertrag wurde in den Gremien der VG Bild-Kunst ausgiebig diskutiert und am Ende auf der gemeinsamen Berufsgruppenversammlung 2021 einstimmig beschlossen.
Ob Urheber*innen den Vertrag unterzeichnen wollen, bleibt eine individuelle und persönliche Entscheidung.
Im nächsten Teil dieser Serie werden wir euch erklären, was es mit dem Blockieren von Bildern und der »mutmaßlich erlaubten Nutzung« dieser blockierten Bilder genau auf sich hat.