Social Media für Fotograf*innen
Marion Payr

Warum mir auf Instagram 270.000 Menschen folgen

Der österreichischen Fotografin Marion Payr (@ladyvenom) folgen auf Instagram 270.000 Menschen. Was sie 2012 noch sehr glücklich machte, weil es ihr dabei half, ihren alten Job an den Nagel zu hängen, fühlt sich inzwischen eher an wie eine Last. Hier verrät sie, welche Faktoren für ihre hohe Reichweite auf Instagram ausschlaggebend waren und wie sich die Followerzahlen auf ihre Karriere ausgewirkt haben.

Text – Marion Payr
Übersetzung – Susanne Krieg

Diese Geschichte habe ich schon oft erzählt und auch wenn es mir schwerfällt, sie zu wiederholen, muss ich es hier erneut tun. Denn bis heute verfolgt mich ein und dieselbe Frage: »Wie hast du nur so viele Follower bekommen?«

Früher war diese Frage mal ein Kompliment, in das sich die Hoffnung mischte, ich könne das magische Geheimnis hinter dem Erfolg reichweitenstarker Instagrammer lüften. Heute ist diese Frage eher eine Beleidigung, in der Argwohn und Misstrauen mitschwingen. Hat sie Follower gekauft?

Eigentlich ist die Frage nicht mehr, ob jemand betrügt, sondern vielmehr, wie jemand betrügt.

Das Traurige daran ist: Betrug ist heute auf Instagram so weit verbreitet, dass inzwischen jeder jeden beschuldigt. Wahrscheinlich auch zu Recht. Ich selbst habe dabei auf Facebook proklamiert, dass 80% der österreichischen Influencer auf die eine oder andere Weise betrogen haben, und ich stehe immer noch zu dieser Zahl. Vielleicht ist sie sogar noch höher… Es lohnt sich auch, die Kommentare zu lesen, die ich damals mit meinem Facebook-Post ausgelöst habe (ebenfalls unter obigem Link abrufbar)!

Screenshot: Facebook

Eine kleine Geschichte meines »Erfolges«

Doch werfen wir zunächst einen Blick auf meine Instagram-Geschichte: Im März 2011 habe ich mich auf der Plattform angemeldet. Instagram war noch nicht mal 6 Monate alt und kaum eine Million Menschen hatten sich registriert (heute sind es 800 Millionen). Ja, ich bin stolz darauf, zu den Nutzern der ersten Stunde zu gehören (ein bisschen Prahlerei darf sein, oder? ;-)).

Im Nachhinein liegt darin auch der Schlüssel zu meinem Erfolg: Ich war ein »Early-Adopter«, d.h. eine Art Instagram-Pionierin, noch dazu eine sehr aktive. Im ersten Jahr veröffentlichte ich täglich mindestens ein Foto (obgleich ich nebenbei einem stumpfen Vollzeitjob nachging). Außerdem folgte ich Hunderten Leuten auf der ganzen Welt. Ich habe Instagram geliebt! Es war mein Fenster zur Welt jenseits meines langweiligen Büros, jenseits von Wien, jenseits meiner Freunde auf Facebook.

Ich hatte noch keine Ahnung vom Fotografieren, habe einfach mit meinem iPhone 3GS lustige Fotos von meinen ziellosen Touren durch Wien gemacht. Bald fand ich andere Leute in Wien, die die App ebenfalls nutzten. Ich ging sogar auf zahlreiche Instawalks und Instameets, um endlich die Gesichter hinter den Fotos zu sehen. Instagram war zur Sucht geworden! Aber ich hatte niemals Ambitionen, eine »Influencerin« zu werden (wahrscheinlich gab es dieses Wort auch noch gar nicht).

Ein Jahr später hatte ich etwa 600 Follower. Und tatsächlich habe ich Instagram mit meinen 600 Followern oft mehr geliebt als mit 270.000 (die übrigens einst sogar die 300.000 überstiegen – doch dazu später mehr).

»Nostalgischer« Rückblick auf die unbeschwert geposteten Bilder aus den Anfangszeiten von Instagram… Fotos: Marion Vicenta Payr

Wie ich »Suggested User« wurde

Im Jahr 2012 ging Instagram aufs Ganze – die Plattform wuchs in den USA kontinuierlich und wollte sich nun auch global vergrößern. Hierzu wollte Instagram ein Netzwerk aus internationalen »Botschaftern« schaffen und bezahlte dafür extra »Community Manager«, damit sie Botschafter für einzelne Länder und Regionen ausfindig machten. Wie sich herausstellte, hatten sie mich zusammen mit @anasbarros und @gui_ ausgewählt, die Botschafterrollen in Österreich zu übernehmen.

»Botschafter« zu werden, beruhte dabei nicht auf gegenseitigem Einvernehmen, es gab keinen Vertrag, es gab nicht einmal eine »Vorwarnung« seitens Instagram. Alles, was wir erhielten, war eine E-Mail, in der stand, dass wir nun »Suggested User« seien, d.h. neuen Nutzern empfohlen wurden. Jeder, der sich bei Instagram anmeldete, wurde fortan mit der Einladung begrüßt, uns zu folgen (zusammen mit ca. 200 weiteren Instagrammern weltweit). Wie das genau funktioniert hat, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Jedenfalls wachte ich am nächsten Morgen auf und hatte ca. 3.000 neue Follower.

Eine Sache, die ich sicher weiß, ist, dass ich nicht nur österreichischen Nutzern vorgeschlagen wurde. Bis heute kommen die meisten meiner Anhänger aus den USA, aus Brasilien und Deutschland – Österreich steht an vierter Stelle, vielleicht weil es ein verhältnismäßig kleines Land ist.

Heute ist die »Suggested User«-Liste so etwas wie eine Fußnote in der Geschichte von Instagram. Sie existiert nicht mehr. Ich war auf dieser Liste in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu finden: von 2012 bis 2014. Bis 2014 hatte mein Profil dadurch einen Zuwachs von 290.000 Followern verbuchen können.

Ein Wochenende, das ich nicht vergessen werde

Im Juni 2014 gab es ein großes Treffen der Instagram-Community in Berlin. Es war das erste (und letzte) »europaweite Instameet«, das die Berliner organisiert hatten. Jeder von uns bezahlte Flug und Hotel selbst.

Wir waren eine Gruppe von 200 Instagrammern, die sich seit Jahren in der App gegenseitig gefolgt waren. Meine virtuellen Freunde zum ersten Mal zu treffen, fühlte sich an wie ein riesiges Familientreffen mit vielen »Oh mein Gott – das bist du!!! Ich folge dir seit Jahren!!!!!«.

Am Montag nach dem Instameet strich Instagram uns alle von der Vorschlagsliste.

Das Ende der »Suggested User« Liste war eingeläutet

Nach diesem Montag im Juni 2014 blieb niemand mehr länger als ein paar Wochen auf der Liste (ich glaube, am Ende waren es maximal zwei Wochen). Noch dazu schwankten die Wachstumsraten stark. Als @pruegl vorgeschlagen wurde, gewann er zum Beispiel »nur« 5.000 neue Follower. Zwei Wochen später wurde @naikon_ vorgeschlagen und gewann über 100.000.

Die »Suggested User«-Liste war ein Chaos. Und es sollte immer unordentlicher werden.

Das gesamte Konzept der »Suggested User«-Liste fiel in Ungnade. Bis 2014 war Instagram voller Influencer und gesponserter Beiträge – die App hatte zu ihrem Leidwesen noch keine eigene Werbeplattform gestartet. Offensichtlich war Instagram nun an dem Punkt angelangt, Profit machen zu wollen, indem sie Reichweite lieber verkaufen statt verschenken wollte.

Deshalb widerstrebte es Instagram auch, weiterhin »Influencer« durch Vorschlagslisten heranzuzüchten. Das war also das Ende. Es gab keine offizielle Ankündigung, die Liste wurde eines Tages einfach abgeschaltet. Sobald ich von ihr gestrichen worden war, begann meine Followerzahl zu sinken.

Die »Putzaktion«

Und dann – ebenfalls 2014 – entdeckte Instagram ein weiteres Problem: dass falsche Profile und Bots die Plattform infiziert hatten. Heimlich begann Instagram, gefälschte Konten zu löschen. Doch wollte man die Nutzer nicht schockieren und darum wurde die Anzahl der Follower in den Profilen offiziell nicht korrigiert.

Während Instagram (gefakte) Follower löschte, blieben die Followerzahlen in den Profilen unberührt.

Irgendwann wurde Instagram klar, dass man das nicht mehr »verheimlichen« konnte. Nun kam die sogenannte »Putzaktion« (engl. »The Purge«) zum Einsatz. Man würde die Followerzahlen von jedem einzelnen Instagrammer mit einem Urknall bereinigen.

Das Ganze fand im Dezember 2014 statt – kurz vor Weihnachten – als vorzeitiges »Geschenk«. Als langjähriger »Suggested User« wusste ich, dass es mich hart treffen würde, da viele Bots die Vorschlagsliste gecrawlt hatten. Dafür habe ich zwei echte »Geschenke« von Instagram bekommen:

1) Im Oktober 2014 wurde ich für kurze Zeit wieder zum »Suggested User« (was mir ca. 22.000 neue Follower einbrachte). Warum, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

2) Im November 2014 teilte man mir dann per E-Mail mit, dass ich im Dezember wiederum 22.000 Follower verlieren würde. Kein Zufall also!

So hatte ich 2014 für zwei Monate sogar 314.000 Follower – mein Allzeithoch. Und dann war ich wieder bei 292.000. Seitdem nimmt meine Followerzahl ab.

Schaut man statt auf die Followerzahlen auf die Anzahl der Impressionen (zur Illustration in den Fotos angezeigt), ergibt sich ein weitaus realistischeres Bild von der Reichweite der eigenen Beiträge. Foto: Marion Vicenta Payr

Der Höhepunkt meines »Erfolgs«

2014 wurde der »Erfolg« eines Instagrammers noch ausschließlich in Followerzahlen gemessen. Meine große Followerschaft hatte zur Folge, dass mir Jobs angeboten wurden – bezahlte Jobs – was ich nie erwartet hätte. Es ist nicht so, dass ich geplant hätte, Influencer zu werden, es fiel mir irgendwie in den Schoß. Ich gab Interviews und tauchte in Medienberichten auf – fast immer mit einem Fokus auf meine Followerzahlen.

Die Medien fragten mich nach meinem »Erfolgsrezept«. Als hätte ich das alles selbst im Griff und wüsste, wie man 200.000 Follower auf Instagram bekommt. Die Wahrheit ist: Es ist nicht reproduzierbar. Es ist nicht so einfach, wie man vielleicht denken mag (es sei denn, man schert sich nicht um Ethik und kauft sich Follower oder betrügt auf andere Weise).

Die Wahrheit hinter meinem Instagram-Ruhm

Die nackte Wahrheit hinter meinem Instagram-Ruhm:

Ich hatte im Jahr 2012 Glück und habe meine Karriere auf der Grundlage dieses Glücks aufgebaut. Der Rest der Geschichte war allerdings kein Glück mehr, es war Arbeit.

Ich habe hart daran gearbeitet, eine »Karriere« auf der Grundlage dessen aufzubauen, dass ich einer von wenigen »Suggested Users« gewesen bin. Es folgten Jahre des inhaltlichen Schaffens. Ich lernte, zu fotografieren und baute eine Beziehung zu meinen echten Followern auf (die nur einen Teil der mittlerweile 270.000 ausmachen). Gleichzeitig hieß es, Ruhe zu bewahren, auch wenn die Zahlen stetig sanken.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, die letzten zwei Jahre hätten nur Spaß gemacht. Ich habe beobachtet, wie zu viele Menschen diesen »Traum« vom Influencer-Dasein verfolgten und so die Glaubwürdigkeit aller zerstörten. Und ich habe dabei zusehen müssen, wie Instagram zu einem Ort des Misstrauens und des Neides wurde.

Vielleicht bin ich einfach nur verbittert und zu einem dieser »Früher war alles besser«-Menschen geworden ;)) Aber ich habe tatsächlich den Eindruck, dass Instagram durch die Followerzahlen, die ja so eine große Rolle spielen, vergiftet worden ist. Bitte nicht falsch verstehen, ich komme aus der Marketingwelt und weiß sehr wohl, wie wichtig Zahlen sind. Aber ich glaube auch, dass Instagram ein besserer Ort wäre, wenn wir die Followerzahlen nicht derart prominent im Profil anzeigen würden.

Was wirklich zählt

Also, was ist wirklich wichtig?

Als begeisterte Instagrammerin nenne ich das Offensichtliche: Fotografieren und Teilen. Sich mit anderen Menschen über Bilder zu verbinden. Die Leidenschaft für das Einfangen von Momenten. Sein Wissen zu teilen und andere zu inspirieren.

Für einen Marketing-Profi ist die Sache komplizierter. Ja, natürlich sind Zahlen wichtig. Doch mein Rat ist: Bitte nicht sklavisch auf die Followerzahlen oder die Engagement-Rate schielen. Die Zahlen, um die es tatsächlich geht, sind im öffentlichen Profil verborgen. Man nennt sie Reichweite und Impressionen. Es sind die einzigen Daten, die meiner Meinung nach ausschlaggebend sein sollten (wenn man wirklich nur von Daten ausgehen will). Und mal ganz ehrlich: am allerwichtigsten sollten doch die Qualität der geposteten Inhalte sowie die Übereinstimmung mit der Zielgruppe einer Marke sein. Aber das ist eine andere Geschichte!


Marion Vicenta Payr

ist Fotografin, Instagrammerin und Reisebloggerin. Seit 2011 fotografiert sie ihre Reisen für ihren Instagram-Kanal @ladyvenom und seit 2017 auch für ihren Reiseblog www.thetravelblog.at. Sie hat Journalismus an der FH Wien studiert und sich im Jahr 2016 in Wien selbstständig gemacht. Neben ihrer Tätigkeit als Fotografin hält sie Workshops zu Themen wie »Influencer Marketing«, »Self Branding auf Social Media« und Instagram und spricht bei Konferenzen wie dem Fifteen Seconds Festival. Außerdem berät sie namhafte Unternehmen zu Social Media Strategie, Content und Influencer Marketing.