»Katzenbildchen mag ich nicht sehen müssen«
Peter Bialobrzeski ist einer der bekanntesten deutschen Fotografen, bisher hat er 17 Fotobücher veröffentlicht. Und er arbeitet weiter an seinen so genannten City Diaries, die jeweils im Anschluss an ausgedehnte Spaziergänge mit der Kamera entstehen. Das soziale Netzwerk Instagram nutzt Bialobrzeski erst seit wenigen Monaten. Wir sprachen mit ihm darüber, wie es zu dieser Entscheidung kam, ob er Filter nutzt und ob sich seine Meinung gegenüber Instagram geändert hat.
INTERVIEW – ANIKA MEIER
Anika Meier: Herr Bialobrzeski, Sie sind erst seit kurzem auf Instagram, Ende Juli 2017 wurden Sie aktiv. Seitdem posten Sie regelmäßig (https://www.instagram.com/bialobrzeski_peter/). Wie kam es dazu?
Peter Bialobrzeski: Das hat sich nach einem Gespräch mit Anna Gripp von Photonews ergeben. Sie hat mir erzählt, dass sie sich abends seit neuestem Zeit nimmt, um sich Beiträge von Leuten anzuschauen, die für die Fotoszene interessant sind. Das geht nur, wenn man selbst auch auf Instagram ist, deshalb bin ich da jetzt.
Haben Sie gleich angefangen zu posten?
Am Anfang habe ich gar nichts gepostet. Ich bin aber auch erst seit einem Jahr bei Facebook, das habe ich mal für eine Recherche genutzt. Wenn man Facebook richtig filtert, ist es tatsächlich ganz interessant, weil man sich auf News konzentrieren kann. Bei mir sind das beispielsweise Beiträge von Klaus Honnef oder Artikel aus dem Guardian und der New York Times. Ich nehme nicht jede Freundschaftsanfrage an, Katzenbildchen mag ich nicht sehen müssen. Auf Instagram habe ich letztendlich angefangen zu posten, weil ich keine Facebook-App auf dem Smartphone habe, das möchte ich nicht, Facebook nutze ich nur über meinen Browser am Computer. Über Instagram kann man gleichzeitig Fotos auch auf Facebook teilen, das war also mein Grund und mein Einstieg.
Sie achten sehr darauf, dass sich Ihre Fotos auf Instagram von Ihren Arbeiten unterscheiden. Nutzen Sie Filter?
Ich wurstele da immer irgendwas rein. Datenvorlagen, aus denen später Bilder werden, poste ich nicht. Wenn ich Bilder teile, die meinen Arbeiten ähnlich sind, fotografiere ich sie mit dem Smartphone vom Screen ab, lege Millionen von Filtern drauf und mache sie quadratisch. Für mich ist das vignettenhafte Unterhaltung. Vom Gefühl her richte ich mich eher an Leute, die ich kenne, und wenn die meine Beiträge liken, finde ich das schön – es ist eine Art des in Kontaktbleibens.
Beschäftigen Sie Likes?
Likes sagen nichts über die Qualität eines Bildes aus. Instagram ist eine Eitelkeitsmaschine. Durch Likes bekommt man Aufmerksamkeit im Sinne von »jemand hat an mich gedacht«. Menschen wollen wahrgenommen werden. Likes sagen: Ich habe das wahrgenommen, ich halte es für bemerkenswert – für mich war der Aufwand es wert, ein Like zu hinterlassen. Wenn man diesen Vorgang zerlegt, ist es natürlich Unsinn.
Was ist Ihnen Bemerkenswertes aufgefallen?
Ich finde interessant, dass Fotografen wie Mark Power teilen, woran sie gerade arbeiten. Das werde ich nicht machen, weil ich das Gefühl habe, die Bilder nutzen sich ab. Man hat irgendwas davon schon gesehen, aber man hat es nicht richtig gesehen. So nutzt sich die Intensität sehr leicht ab, wenn man zwar einen Wiedererkennungswert hat, aber dann erst ins Detail einsteigt. Instagram ist wie Papier. Letztendlich kann man alles darauf drucken und es wie Papierflieger in die Welt schmeißen. Dem einen gefällt der Papierflieger besonders gut, dem anderen gefällt er gar nicht.
Was schmeißen Sie in die Welt?
Seit meiner Reise nach Budapest poste ich regelmäßig. In Budapest fand ich es schön, jeden Tag meine Kamera von hinten zu fotografieren. Das ist meine Art des Kontakthaltens.
Ist es auch ein visuelles Tagebuch für Sie?
Nein, damit hat es bei mir gar nichts zu tun. Dafür ist es viel zu eklektisch. Ein Tagebuch, was ich eventuell in Verbindung mit meinen Projekten, den »Diaries«, verwende, schreibe ich unabhängig davon auf Englisch.
Hat sich Ihre Meinung Instagram gegenüber geändert, seit Sie es nutzen?
Ich nutze kein Twitter und will Donald Trump nicht folgen. Journalisten-Freunde von mir schauen morgens als erstes, was Trump wieder getwittert hat. Social Media ist ein Overkill an Information. Wenn ich zu Hause bin, schaue ich nicht wirklich in Instagram. Irgendwann kille ich Instagram wieder. In Facebook habe ich eine zeitlang häufiger reingeschaut, jetzt mache ich das nur noch alle drei Tage und lese auch nur die ersten zehn Postings, wenn ich mal Zeit habe. Soziale Medien an sich sind ein unglaublicher Zeitfresser.
Entwertet Instagram die Fotografie?
Ich glaube nicht. Die Fotografie, die sich durchsetzen wird, hat andere Qualitäten als Schnelllebigkeit. Instagram kann der Fotografie nicht gefährlich werden. Eher das Gegenteil könnte der Fall sein. Noch mehr Leute treibt es vielleicht in Museen, weil dort eine andere Art der Wahrnehmung von Fotografie möglich ist. Die Ausstellungen von Alec Soth und mir in den Deichtorhallen haben schon 15.000 Menschen gesehen, das ist toll. Die Menschen schauen sich also nicht nur das Buch und die fünf Bilder im Internet an. Magnum-Fotografen nutzen beispielsweise Instagram zu Werbezwecken, das Martin Parr Studio postet jeden Tag Bilder aus seinen Projekten. Magnum habe ich entfolgt, weil dort jeden Tag fünf Bilder geteilt werden, die ich schon kenne.
Magnum erreicht über Instagram vermutlich mehr Leute, die die Bilder noch nie gesehen haben.
Genau. Instagram ist ein zusätzliches Tool, um eine Öffentlichkeit zu generieren. Man muss heute nicht mehr mit dem Portfolio rumgehen und sagen, ich mache schöne Landschaftsfotografie. Instagram ist ein Türöffner, für Dinge, die es früher nicht gab, nämlich Influencer und gesponserte Beiträge in den sozialen Medien. Das nutzt sich aber auch irgendwann wieder ab.
Was nutzt sich aktuell auf Instagram noch nicht ab? Wem sollten alle unbedingt folgen?
Was ich mir gern anschaue, das sind die Sachen von David Campany. Er ist eigentlich Theoretiker, auf Instagram finde ich seine Bilder überraschend. Die Momente, die Verschachtelungen, die abstrakt und sehr direkt fotografisch kommunizieren. Das sind gute Beobachtungen.
Wenn man es nicht kennt, ist es natürlich toll, Martin Parr und Carl de Keyzer zu folgen. Da würde ich aber eher sagen: Schaut euch die Bücher an!
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Anika Meier
ist freie Autorin und Kuratorin. Für das Monopol Magazin schreibt sie über Kunst und soziale Medien. Sie ist Gründerin des Kollektivs This Ain’t Art School, das auf Instagram aktiv ist und zeigt, auch im sozialen Netzwerk kann es um Fotografie gehen.