Schwerpunktthema
Social Media für Fotograf*innen

Instagram und der weibliche Blick beim Reisen

Der Fotografin Alina Rudya folgen auf Instagram mehr als 60.000 Menschen. Sie hat Fotografie studiert, mit »Prypyat Mon Amour« vor zwei Jahren ihr erstes Fotobuch vorgelegt und gerade auf Instagram das Bell Collective gegründet. Weil sie Klischees auf Instagram langweilen und weil sie zeigen möchte, dass Fotografinnen mindestens genauso fähig sind wie Männer, wenn es beispielsweise um das Reisen geht. Wir haben mit ihr über Vor- und Nachteile von Instagram für junge Fotografinnen gesprochen.

Interview – Anika Meier

Anika Meier: Warum haben Sie sich entschieden, das Bell Collective zu gründen?

Alina Rudya: Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die mir nie sagte, dass ich nicht gut genug sei oder etwas nicht machen sollte, weil ich ein Mädchen bin. Nichtsdestotrotz leben wir in einer Gesellschaft, in der Frauen, wenn sie bestimmte Berufe ausüben, nicht gleichberechtigt behandelt werden. Wenn es etwa um Fähigkeiten oder Talent geht.

Wenn man ständig von bestimmten Meinungen und Haltungen und Gewohnheiten umgeben ist, nimmt man irgendwann an, dass es eben so ist und gar nicht anders sein kann. Man glaubt irgendwann, dass Frauen Make-up und Mode mehr mögen als Männer, und dass Männer Computer und Abenteuer lieben. Wenn wir aber unser Talent und unsere Wünsche nicht unterdrücken, fangen wir schnell an, außerhalb von Gender-Normen zu denken.

Wie sehen typisch weibliche Klischees auf Instagram aus?

Frauen auf Instagram erfüllen häufig Rollenklischees. Frauen sind fragile Geschöpfe, exotische Blumen, die sich für Lifestyle, Bloggen und Posen interessieren. Das ist in Ordnung, nichts daran ist falsch, wenn das die eigene Entscheidung ist.

Und wie ist es bei Ihnen?

Ich möchte nicht so gesehen werden. Ich möchte nicht von einer Gemeinschaft repräsentiert werden, die nur eine Seite davon zeigt, was mir als Frau möglich ist. Ich liebe Abenteuer, ich möchte die Welt erkunden und ich bin selbst selten vor der Kamera. Ich bin lieber eine Macherin statt ein passives Model. Und so geht es auch anderen professionellen Fotografinnen, die vielleicht übersehen werden, weil die stereotype mädchenhafte Haltung so präsent ist.

Im Januar 2018 übernahm Ella Singer (@ellamsinger) den Instagram-Account des @bellcollective. »This photo was taken on a long walk at the beach in Barcelona. I loved the big bold letters and when the bicycle passed it, I had my perfect shot.« Foto: Ella Singer/@ellamsinger

Einige dieser Frauen bringen Sie jetzt beim Bell Collective zusammen?

Ja, genau. Ich versuche, Frauen zusammenzubringen, die ähnlich anders denken und die Welt sehen wollen.

Sie möchten Stereotype widerlegen, wenn es um das Reisen geht? Mit welchen Stereotypen sehen sich Frauen konfrontiert?

Influencerinnen auf Instagram sind schöne Models, die in einem schönen Kleid vor einem schönen Gebäude oder einer schönen Landschaft posen. Männer dagegen sind Abenteurer. Mit Rucksäcken auf dem Rücken erkunden sie die Welt, bezwingen Berge und gehen Extremsportarten nach. Frauen nehmen meist eine passive Rolle ein. Wie gesagt, das ist nicht weiter schlimm. Aber darin muss es sich eben nicht erschöpfen.

Wie sieht es aus, wenn Sie mit den anderen Fotografinnen zusammen auf Reisen gehen? Was ist anders?

Wenn ausschließlich Frauen zusammen auf Reisen gehen, ist die Dynamik in der Gruppe anders. Früher war ich oft die einzige Frau in einer Männergruppe. Das führt zu enormem Druck. Ich habe so viele Kommentare über meine schwere Kamera gehört oder darüber, was ich körperlich nicht im Stande sei zu leisten. Was ziemlich unnötig ist. Wenn ich mit anderen Frauen unterwegs bin, habe ich diesen Druck nicht gesprürt, weil es keinen Kampf der Geschlechter gibt.

Zur Zeit bespielt die österreichische Fotografin und Bloggerin Marion Vicenta Payr (@ladyvenom) für das @bellcollective Instagram. »Aruba’s sister island Bonaire is famous for it’s flamingo colonies. Unfortunately if you check out Instagram photos from Aruba you’ll also find many photos of flamingos. As Aruba isn’t their natural habitat they are brought here just for the tourists. They are confined to a small island, that belongs to a luxury hotel and visitors have to pay for the boat ride to the island. I didn’t know what I was getting into before I was brought here, but was quite shocked. It seems the bird’s wings were trimmed, so that they can’t escape. The naturally shy animals are stuck at the hotel beach where tourists take selfies with them all day long. Our guide later told us that one of the birds is in an animal hospital due to stress symptoms since months. Therefore I would recommend to skip the flamingos in Aruba and enjoy the rest of the island (which has enough to offer).« Foto: Marion Vicenta Payr/@ladyvenom

Welche Pläne haben Sie mit dem Bell Collective?

Ich möchte unseren Instagram-Kanal weiter ausbauen. Ich möchte Interviews mit Frauen aus verschiedenen Berufszweigen führen, die als typisch männlich wahrgenommen werden. Aktuell möchte ich so viele Fotografinnen wie möglich finden, die ähnliche Ideen haben wie wir und ihr Portfolio auf unserem Kanal zeigen wollen. Die Welt sollte wissen, dass sie Heldinnen sind.

Inwiefern werden Fotografinnen anders behandelt?

Es gibt verschiedene Situationen. Manchmal werden Frauen tatsächlich nicht anders behandelt. Aber wenn es um Wettbewerb und Konkurrenz geht, ein Preis, Geld, Ehre oder Stolz involviert sind – dann werden Frauen anders behandelt. Als Frau wird man gelegentlich von Auftraggebern und Kunden weniger respektvoll behandelt. Nicht selten ist Mansplaining, oder Männer benehmen sich wie ein gönnerhafter Patron.

Sie sind nicht erst durch Instagram zur Fotografie gekommen. Sie haben einen professionellen Hintergrund.

Bevor ich Fotografie studiert habe, habe ich meinen MA in Politikwissenschaft und Journalismus gemacht. Doch schnell habe ich gemerkt, dass das Dinge sind, die ich nicht machen möchte. Während meines Fotografiestudiums war ich unter anderem in New York an der Parsons School of Design.

»Drone photography opened up new perspectives for photographers. More and more countries imposed strict rules onto the drone usage due to privacy and security issues.« Foto: Alina Rudya/@rrrudya

Sie haben auf Instagram als @rrrudya 63.000 Follower. Sehen Sie sich selbst als Influencerin?

Ein Influencer ist jeder mit einem etwas größeren Publikum und genug Glaubwürdigkeit und Kraft, zu diesem Publikum zu sprechen. Ich hatte Glück und konnte mit meinem Instagram-Account Aufmerksamkeit auf mich und meine Fotografie ziehen. Ich bin also im klassischen Sinne auch eine Influencerin, weil ich viele Menschen mit meinem Kanal erreiche. Das Wort mag ich natürlich nicht, es ist mittlerweile sehr negativ konnotiert. Unternehmen möchten mit mir arbeiten und treten mit Angeboten an mich heran. Ich arbeite aber nur mit Marken und Unternehmen, die ich mag und denen ich vertraue.

Ist Instagram hilfreich für junge Fotografen?

Ja, Instagram hat jungen Fotografen viel geholfen. Aktuell versucht fast jeder zu monetarisieren, was er oder sie sich mit Instagram vielleicht aufgebaut hat. Weil es offenbar sehr leicht ist, mit Instagram oder anderen Social-Media-Kanälen Geld zu verdienen, greifen einige zu unlauteren Methoden. Kaufen Follower oder machen Fotos gar nicht mehr selbst. Das Ziel ist oft, über Nacht berühmt zu werden.

»I am studying architecture, this is why wherever I go I am interested in finding unique and interesting buildings.« Foto: Ella Singer/@ellamsinger

Und die positiven Seiten?

Instagram hilft einem, sehr viele Menschen mit der eigenen Arbeit zu erreichen. Es befördert die Kreativität, weil viel möglich zu sein scheint. Ich hoffe sehr, dass sich gute Fotografen nicht davon einschüchtern lassen, dass Klischees, besonders wenn es um Landschaftsfotografie geht, scheinbar am besten auf Instagram funktionieren. Die Bilder werden zu Tode gefiltert und sehen am Ende alle gleich aus.

Sie selbst haben zwei Accounts auf Instagram. Warum das?

Vor fünf Jahren habe ich als @rrrudya auf Instagram angefangen. Wie jeder, habe ich verschwommene Smartphone Fotos aus meinem Alltag geteilt und ein bisschen Kunst darunter gemischt. Nachdem ich auf der Suggested User Liste von Instagram stand, also neuen Nutzern vorgeschlagen wurde und so viele Follower sammeln konnte, habe ich mich umorientiert. Ich habe besser ausgewählt und meinen Account sorgfältig kuratiert.

Und heute? Was zeigen Sie heute?

Ich liebe das Reisen seit meinem neunten Lebensjahr. Damals habe ich das erste Mal National Geographic in den Händen gehalten. Ich mag helle Farben, und das ist es, was ich auf meinem Account @rrrudya zeigen möchte.

Warum der zweite Account?

Nach einer Weile habe ich gemerkt, dass nicht alles dort seinen Platz hat. Ich habe als Fotojournalistin gearbeitet, ein Buch publiziert, und Storytelling ist eine meiner Stärken als Fotografin. Auf Instagram ist das alles nicht sehr populär, wenn man sich einmal für etwas einen Namen gemacht hat, wie ich mit meinem Account @rrrudya. Deshalb gibt es den zweiten Account, @alina_rudya. Dort teile ich Bilder, die weniger dem Massengeschmack auf Instagram entsprechen, aber die Leute interessieren, die sich für meine Sicht der Welt begeistern.

»Before I went to Cuba I had this thought, that all the vintage cars could be just there for the show and for tourists. Early on I learned that’s not true. There are over 50.000 vintage cars on the island and they are used every day. But if you want to ride one of those I recommend to select the local shared taxis instead of the tourist cars. This way you’ll ride together with the locals and only pay a couple of CUCs and get the real deal.« Foto: Marion Vicenta Payr/@ladyvenom

Bevorzugen Sie einen Account aus einem bestimmten Grund?

Ich mag beide. Es würde mich freuen, wenn sich mehr Menschen für meine individuelle Sicht interessieren würden. Aber dafür ist Instagram vielleicht auch nicht das richtige Medium.

Haben Sie durch Instagram etwas über Fotografie gelernt?

Jeder kann lernen, ein gutes Landschaftsfoto zu machen. Weil es so einfach ist, viele Menschen zu erreichen mit einer bestimmten Art von Fotos, sind viele kreative junge Fotografen gefangen. Sie produzieren immer wieder die gleichen Fotos, um weiter gut bezahlte Aufträge von Unternehmen zu bekommen. Um nicht auch in diese Falle zu tappen, mache ich gerade mit @rrrudya eine Pause. Ich möchte wieder weniger auf Instagram zugeschnittene Fotos machen und persönlicher werden.

Welchen Accounts sollten wir alle folgen?

Wenn ihr nach Inspiration sucht: @natgeo, @humansofny und natürlich @bellcollective.


Anika Meier
ist freie Autorin und Kuratorin. Für das Monopol Magazin schreibt sie über Kunst und soziale Medien. Sie ist Gründerin des Kollektivs This Ain’t Art School, das auf Instagram aktiv ist und zeigt, auch im sozialen Netzwerk kann es um Fotografie gehen.