Politik & Medien
Meisterpflicht für Fotograf*innen

Vom Versuch, die Fotografie mit der Kernspaltung zu vergleichen

Es geht ein Gespenst um in Berlin – die Wiedereinführung der Meisterpflicht für Fotografinnen und Fotografen. Damit soll die Meisterprüfung wieder als zwingende Voraussetzung für die selbstständige Tätigkeit im Bereich der handwerklichen Fotografie eingeführt werden. Die Argumente für die Wiedereinführung sind haarsträubend und zeugen eher davon, dass die handwerkliche Fotografie und deren Interessenvertreter*innen sich an ein sinkendes Schiff klammern.
Text – Lutz Fischmann

2004 wurde die Meisterpflicht für Fotograf*innen abgeschafft. Die Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder erhoffte sich vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosenzahlen mit der Deregulierung in vielen Handwerken, darunter der Fotografie, eine Belebung des Arbeitsmarktes. Der Plan ist voll aufgegangen. Die Anzahl der eingetragenen Betriebe im deregulierten Handwerksbereich hat sich zwischen 2003 und 2017 von 74.940 auf 244.273 erhöht.

Erster Verfechter der »Rückvermeisterung« ist, wen wundert’s, der »Centralverband Deutscher Berufsfotografen« – (CV). Laut Eigendarstellung ist er das »Sprachrohr« von über 5.300 im Handwerk tätigen Berufsfotograf*innen. Wie viele Mitglieder er hat, sagt der Verband nicht. Mehr noch – er kann auch nicht beantworten, wie viele Fotograf*innen in Handwerksinnungen organisiert sind und wie viele davon Mitglieder des CV sind. Die Begründung ist einfach. Hans Starosta, Bundesinnungsmeister des CV, erklärt, er könne keine Zahlen nennen, »da wir die nicht kennen und auch nicht abfragen.«

Qualitätssicherung und Verbraucherschutz sind eher Scheinargumente

Die Wiedereinführung des Meisterzwangs in der Fotografie wird auch wegen der Aufrechterhaltung der fotografischen Produkt- und Dienstleistungsqualität vom CV gefordert.

Inwieweit der Meisterzwang ein geeignetes Instrument zur dauerhaften Qualitätssteigerung und/oder -sicherung ist, erschließt sich allerdings überhaupt nicht. Der Meisterzwang mit seiner formalen Qualifikation (die nur einmalig nachgewiesen werden muss) befähigt nur, einen Handwerksbetrieb zu gründen bzw. zu führen. Über die Qualität im fotografischen Bereich sagt sie gar nichts aus. Außerdem werden viele Arbeiten von Lehrlingen und Gesellen ausgeführt und in vielen Betrieben arbeiten gar keine »Meister« mehr, sondern fungieren lediglich als Konzessionsgeber.

Es gibt keinerlei Studien, die belegen, dass die Qualität der fotografischen Arbeiten im handwerklichen Bereich, auch wenn man diesen sehr weit fasst, in den letzten 15 Jahren abgenommen hat. Wie soll man das auch messen? Wer will, kann sich leicht selbst informieren, indem er die Internetseiten der handwerklichen und der freien Fotograf*innen durchforstet oder in den Fußgängerzonen mal einen Blick in die Auslagen der Fotostudios wirft – es ist leicht, sich ein umfassendes Bild zu machen.

Ein weiteres »Argument« ist der vorgebliche Verbraucherschutz. Seit der Popularisierung des Internets ist der Markt der Fotograf*innen allerdings äußerst transparent geworden. Verbraucher*innen können sich umfassend über die Qualität, die Bildsprache, Referenzen und die Preise informieren und dann selbst entscheiden, wessen Angebot sie wählen.

Auch das dauernd vorgebrachte Scheinargument der »Gewährleistung« verfängt bei Fotograf*innen nicht. Wenn, dann wird ein Mangel des erledigten Auftrages sofort erkannt, der unmittelbar zwischen Fotograf*in und Verbraucher*in geklärt werden kann – sowohl bei handwerklichen als auch bei freiberuflichen Fotograf*innen. Weitere Fristen wie z.B. im Bauhandwerk existieren nicht. Im Übrigen wird eine Durchsetzung der Gewährleistung durch Gesetze wie das Produkthaftungsgesetz oder das Haftungsrecht sichergestellt.

Bundesverfassungsgericht zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit

Die rechtlichen Bedenken bei einer »Rückvermeisterung« sind gravierend. Bereits in seiner Entscheidung vom Dezember 2005 (1 BvR 1730/02) hat das Bundesverfassungsgericht »Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der alten Handwerksordnung zum Meisterzwang« geäußert, aber noch nicht über den Meisterzwang entschieden. Besonders das Grundrecht auf freie Berufsausübung, der Gleichheitsgrundsatz (ungleiche Behandlung von Bewerber*innen aus anderen EU-Staaten – Inländerdiskriminierung) sowie willkürliche Ausnahmebestimmungen in den Handwerksordnungen harren noch einer höchstrichterlichen Überprüfung.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), das federführend an der Wiedereinführung der Meisterpflicht in verschiedenen Gewerken arbeitet, stellt besonders auf die »Gefahr für die Gesundheit oder das Leben Dritter« ab. Die Meisterpflicht galt ab 2004 nur noch für solche Gewerke, die auf Grund von mangelnder Qualität in der Ausführung der Arbeit eine Gefahr für Dritte darstellen. Die Gewerke, die damals von der Meisterpflicht ausgenommenen wurden (u.a. die Fotografie), sollen diesbezüglich neu bewertet werden.

Auch hier zeigt sich der Lobbyverband CV wieder besonders kreativ, um den gefährlichen Job der Fotograf*innen zu untermauern, führt er doch aus: »Für eine ordentliche Ausbildung spricht auch heute noch die Gefahrengeneigtheit in unserem Beruf, wie zum Beispiel der Umgang mit Hochspannung in billigem Blitzequipment aus China oder auch jetzt, wo erstaunlich viele wieder mit zum Teil richtig ungesunden Prozessen arbeiten (C41 Prozess, nasses Kollodiumverfahren, Ambrotypie etc.).«

Dieser Artikel wurde auf einem Rechner geschrieben, der in China hergestellt wurde. Auch die Monitore und die Telefone wurden in China gebaut. Selbst die Computermaus outet sich als »Made in China«… Fast schon lustig wird es mit den »richtig ungesunden« chemischen Prozessen der Filmentwicklung. Die Chemikalien für die Entwicklung von Farbnegativfilmen (C 41) wurden von den Fotostudios und den angeschlossenen Fotoläden selbst an jedermann verkauft, wie sich der Autor noch erinnert.

Die Ambrotypie (hergestellt im nassen Kollodiumverfahren), die seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr kommerziell angewendet wird, führt bei Liebhaber*innen noch ein historisches Nischendasein – wie der Lichtdruck, das Besenbinden oder das Schnitzen von Löffeln aus Lindenholz.

Seit der Jahrtausendwende und der Etablierung der digitalen Fotografie wird kaum mehr mit Chemikalien hantiert – mit denen eh nur die Angestellten im Fotolabor in Berührung kamen. Von weiteren Arbeitsgeräten wie Kameras, Stativen, Blitzen etc. geht für Endverbraucher*innen und Mitarbeiter*innen auch keine Gefahr aus. Eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben Dritter durch die Fotografie ist in der Praxis nicht vorstellbar.

Ist die Fotografie überhaupt noch ein Handwerk?

Es stellt sich eher die Frage, ob die Fotografie überhaupt noch ein Handwerk ist. Alle rein handwerklichen Fähigkeiten in der Fotografie sind im Zuge der Digitalisierung und Popularisierung entfallen. Die Fotografie ist eher ein künstlerischer Beruf und sollte daher ebenso wenig wie die Arbeit der Schriftsteller*innen, Musiker*innen, Regisseur*innen und Bildhauer*innen Restriktionen unterlegen sein. Die Fotografie sollte daher komplett aus der Handwerksrolle gestrichen werden.

Oder warum sollten diplomierte Fotodesigner*innen nach dem Hochschulstudium in Deutschland kein Passbild anfertigen dürfen? Absurd!