Thomas Hoepker verstorben (1936-2024)
Wir trauern um den großen deutschen Bildjournalisten und unser langjähriges FREELENS Mitglied Thomas Hoepker, der nach langer Krankheit am 10. Juli in Santiago de Chile verstorben ist.
Thomas war von Anfang an bei FREELENS dabei und wurde schon im Gründungsjahr 1995 Mitglied. Über die Jahrzehnte ist er einer unserer aktiven Unterstützer geblieben. Er zählt zu den bedeutendsten Fotografen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hat die Hochzeiten des Bildjournalismus miterlebt und als Fotograf wichtiger Magazine, aber auch als künstlerischer Autorenfotograf, als Art Director, als Dokumentarfilm-Regisseur und als Mitglied der Bildagentur Magnum prägende Spuren hinterlassen.
Geboren wurde Thomas Hoepker 1936 in München und begann schon als Jugendlicher zu fotografieren. Erste Aufmerksamkeit erzielen seine Auszeichnungen im Rahmen der Jugendwettbewerbe auf der Photokina 1954 und 1956. Sein Studium der Archäologie und Kunstgeschichte bricht er ab und wird 1960 Bildreporter der Münchner Illustrierten, schon 1961 reist er erstmals in die USA. Im selben Jahr zeigt die Landesbildstelle »Reportagen eines jungen Bildjournalisten«, ein Jahr später wird er Redaktionsmitglied des Magazins Kristall, für das er 1963 zusammen mit dem Journalisten Rolf Winter eine dreimonatige Reise durch die USA unternimmt. 1964 geht er zum Stern, hier ist er mit seiner damaligen Ehefrau Eva Windmöller ab 1974 drei Jahre in Ostberlin tätig und zeigt den westdeutschen Magazinleser*innen ungewöhnliche Einblicke in den DDR-Alltag. Danach ist er USA-Korrespondent in New York, kehrt aber von 1986 bis 1989 als Art Director für den Stern nach Hamburg zurück. 1989 wird er als erster Deutscher Mitglied in der Bildagentur Magnum.
Thomas Hoepker wurde vielfach ausgezeichnet, hat eine große Anzahl von Bildbänden und Ausstellungskatalogen produziert. Mit seiner Ehefrau Christine Kruchen drehte er in den vergangenen Jahrzehnten weiterhin Dokumentarfilme. Das letzte gemeinsame Projekt »Dear Memories« wurde ein sehr persönlicher Dokumentarfilm, bei dem die beiden 2020 auf einem erneuten Roadtrip quer durch die USA von einem Filmteam begleitet werden. Zu dieser Zeit leidet Hoepker schon unter den Symptomen seiner fortschreitenden Alzheimer-Erkrankung. Die letzten Monate hat er in einem Pflegeheim in Chile verbracht, hier ist er am 10. Juli im Kreise seiner Familie friedlich verstorben, wie seine Frau Christine Kruchen am Donnerstag bekannt gab.
Thomas Hoepker war ein sensibler Chronist, ein unermüdlich Reisender und leidenschaftlicher Bildjournalist. Im Mittelpunkt seines noch immer zu entdeckenden riesigen Lebenswerks steht immer der Mensch und dessen Alltag, aus dem sich allgemeingültige gesellschaftliche Themen ablesen lassen. Sein humanistischer Blick, seine präzise, so engagierte wie unaufgeregte Bildsprache sind außergewöhnlich. Viele seiner Reportagen sind längst legendär, wie beispielsweise seine Porträts von Muhammad Ali.
Einzelne Motive haben internationale Aufmerksamkeit erzielt, so die am 11. September 2001 entstandene Aufnahme einer Personengruppe, die scheinbar unbekümmert die brennenden Twin Towers beobachtet. Erst Jahre später von Ulrich Pohlmann bei der Vorbereitung einer Retrospektive im Münchner Stadtmuseum im Archiv des Fotografen entdeckt, wurde das Bild rasch zu dem vielleicht heute bekanntesten Motiv Hoepkers, zeigt es doch die Ambivalenz von Wahrheit und Dokumentation. Nicht zuletzt mit dieser Fotografie hat Thomas Hoepker viel zur Diskussion um die Rolle des Fotografen und die Interpretation von Bildern beigetragen. Dabei wollte er doch selbst eher im Hintergrund bleiben, seine Bilder für sich sprechen lassen. Dass dies nicht ohne die Kenntnis des Kontexts geht, ist eine Erfahrung, die insbesondere für die Zukunft gelten kann.