Pressefreiheit à la Sachsen
Eine zum Glück nicht alltägliche Situation als Fotojournalist erlebte das FREELENS Mitglied Nick Jaussi am 22. August 2015 im sächsischen Heidenau.
Am Rande einer antirassistischen Demonstration vor der Notunterkunft für Geflüchtete im sächsischen Heidenau zeigten Polizeibeamte eine sehr merkwürdige Auslegung des Kunsturheberrechtsgesetzes und auch des Artikel 5 des Grundgesetzes.
Während sich ein rassistischer Mob auf einem nahe der Notunterkunft für Geflüchtete gelegenen Parkplatz in Position brachte und unter anderem durch das Skandieren der Parole »Heil Hitler« auf sich aufmerksam machte, bekam Jaussi Probleme mit der Polizei.
Er fotografierte Beamte der 2. Hundertschaft aus Dresden. Einer von ihnen trug ein Abschussgerät für Tränengasgranaten. Nach dem Jaussi die Szene ohne Probleme fotografieren konnte, wollte er noch ein schnelles Twitter-Bild mit dem Smartphone machen. Das bemerkte einer der Beamten. Mit den Worten: »Das wird nicht fotografiert«, versuchte er den Journalisten von der Berichterstattung abzuhalten. Als dieser dennoch ein Bild anfertigte, intervenierte der Beamte mit den Worten »Jetzt haben sie auch noch ein Porträt gemacht, zeigen sie das mal sofort her«. Nick Jaussi wies den Beamten darauf hin, dass er sein Handy sicher keinem Polizisten zur Sichtung überlassen würde und dass es keine rechtliche Grundlage für eine Durchsuchung des Handys eines Journalisten gäbe.
Bevor es zu einer weiteren Diskussion kam, sagten die Beamten recht forsch, er müsse jetzt mitkommen. Zu zweit nahm man Jaussi ohne weitere Ankündigung in einen schmerzhaften Polizeigriff und führte ihn ab. Die Möglichkeit, den Beamten freiwillig zu folgen, wurde ihm nicht gegeben.
An einem Polizeitransporter musste er sich wie ein mutmaßlicher Straftäter mit erhobenen Händen an den Wagen stellen und wurde dabei von zwei Beamten fixiert. Währenddessen behauptete der Polizeibeamte – wider die Rechtslage – dass das Anfertigen von Porträtbildern verboten sei. Nick Jaussi versuchte sich freundlich in juristischer Nachhilfe und wies darauf hin, dass losgelöst von der Tatsache, dass er keine Porträtaufnahme gemacht habe, nicht die Anfertigung, sondern die Veröffentlichung gemäß Kunsturheberrechtsgesetz problematisch sein kann.
Bevor die Beamten die erniedrigenden Maßnahmen beendeten, drohten sie ihm noch, dass er bei einer Veröffentlichung mit einer Strafanzeige zu rechnen habe. Eine Sichtung der Bilder mittels Beschlagnahmung des Handys wagten die Beamten dann aber doch nicht.
Vor Ort traf Jaussi auf Marko Laske, den Pressesprecher der Dresdner Polizeidirektion. Laske hatte an der kurzeitigen schmerzhaften Freiheitsentziehung und der Personalienfeststellung nichts auszusetzen. Er sah das polizeiliche Handeln, für das es keine Rechtsgrundlage gab, als gerechtfertigt an. Der FREELENS Vorstand hatte kurz nach dem Vorfall weit über eine Stunde versucht, ihn ans Telefon zu bekommen – vergeblich.
Auch als sich am dritten Tag der Polizeieinsätze rund um die Flüchtlingsunterkunft die Situation etwas beruhigt hatte, blieben etliche Polizeibeamte weiterhin bei ihrer sehr eigenen Art der Auffassung von Pressefreiheit. Wieder wurden Fotojournalisten bedrängt und mit der Begründung, sie hätten Porträtaufnahmen gemacht, zum Vorzeigen der Kameras gezwungen. Bei Nichtbefolgen der polizeilichen Zensurmaßnahmen drohten die Beamten mit Festnahme.
Neu war eine weitere pressefeindliche Handlung der Polizei. Wie man es sonst nur von den Pegida-Demonstrationen in Dresden kannte, übten sich nun die Polizeibeamten darin, mit ihren extrem hellen Taschenlampen in die Objektive der Fotojournalisten zu leuchten. Eine freie Berichterstattung an diesem Abend wurde so in weiten Teilen polizeilich unterbunden.
Die sächsische Polizei sollte sich zukünftig lieber wieder auf ihre originären Aufgaben konzentrieren, in dem sie die Sicherheit der Geflüchteten vor Ort gewährleistet und diese vor dem rechtsradikalen Mob schützt. Dies scheint im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Heidenau dringender geboten, als Energie darauf zu verschwenden, Fotojournalisten in ihrer Arbeit zu behindern – weil die Angst besteht, dass deren Berichterstattung dokumentieren könnte, dass die Einsatzkräfte die Lage nicht im Griff haben.
Roland Geisheimer