Urteil
Stephan Glagla

Mehr für weniger ist zu wenig!

BGH lässt Fotojournalist:innen im Kampf gegen Mini-Honorare hoffen.

Stephan Glagla (FREELENS) war als Fotojournalist im Ruhrgebiet tätig. Die Funke Mediengruppe (damals noch WAZ Medien Gruppe) war sein wichtigster Auftraggeber in dieser Region. Funke beherbergt zahlreiche Tageszeitungen im gesamten Bundesgebiet. In Nordrhein-Westfalen ist Funke, mit den Tageszeitungen Westdeutsche Allgemeine Zeitung, neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung, Westfalenpost und Westfälische Rundschau, unangefochtener Marktführer. Zudem existieren über 89 Regionalausgaben der vorgenannten Zeitungen. Für Fotojournalist:innen im Ruhrgebiet geht kein Weg an Funke vorbei!

Früher ging es nach Anstrich

Bis zum Jahr 2009 lief die Vergütung nach dem klassischen als Anstrichhonorar bezeichneten Verfahren, berichtet Glagla. Bei diesem macht die Zeitungsredaktion einen Strich neben das Foto und vermerkt dazu, welchem Fotografen eine Gutschrift für dieses Foto erteilt werden soll. Anschließend erhält der Fotograf eine Gutschrift in Höhe des in dem Rahmenvertrag mit Funke vereinbarten Honorars. Dabei hing die Höhe des Honorars von der Reichweite der jeweiligen Zeitung und Größe der Wiedergabe des Fotos ab. Erstveröffentlichungen wurden höher vergütet als nachfolgende Zweitveröffentlichungen. Jede Veröffentlichung in einer Funke Zeitung wurde also einzeln vergütet, Rechte jeweils nur für die bezahlte Veröffentlichung eingeräumt.

»Soweit, so akzeptabel« – meinte der Fotojournalist. »Zu viel!«, fand der Zeitungsverlag und wurde kreativ.

Warum ein Foto mehrfach bezahlen, wenn uns doch alle Zeitungen gehören?

Diese Frage mögen sich die Funke-Verantwortlichen damals gestellt haben, bevor sie den WAZ-Foto-Pool, eine als Bildagentur bezeichnete GmbH, ins Leben riefen und den bisher für sie tätigen Fotograf:innen einen Rahmenvertrag mit dem Foto-Pool vorlegten, dessen Unterzeichnung sie zur Grundlage einer weiteren Zusammenarbeit machten.

Im Ruhrgebiet ansässige Fotojournalist:innen wie Stephan Glagla hatten keine Wahl und unterzeichneten diesen Vertrag, denn ohne eine Zusammenarbeit mit Funke war und ist eine Tätigkeit als Fotojournalist:in im Ruhrgebiet nahezu undenkbar.

Die Idee hinter dem FotoPool: Alles haben – weniger zahlen!

Der Funke FotoPool Rahmenvertrag stellte die Fotografenvergütung vollkommen um. Zukünftig sollten die Fotograf:innen nur noch durch den FotoPool beauftragt werden und fortan nicht mehr pro Veröffentlichung, sondern durch Tages- und Halbtagespauschalen vergütet werden. Die Tagespauschale lag bei 115 Euro (mit Zustimmung des Verlags gelegentlich auch bei 135 Euro), die Halbtagespauschale betrug 60 Euro. Für die Bereitstellung von zusätzlichen Fotostrecken wurden 25 Euro/Fotostrecke gezahlt. Im Gegenzug ließ sich der FotoPool die exklusiven, zeitlich, sachlich und örtlich uneingeschränkten Rechte, an den von dem Fotografen an diesem Tag für den FotoPool erstellten Fotos einräumen. Insbesondere auch die Vermarktung an Nicht-Funke-Verwerter sollte erlaubt sein.

Diese Umstellung hatte für die betroffenen Fotojournalist:innen gravierende Folgen, ging mit ihr doch eine Reduzierung der durchschnittlichen Honorareinnahmen von 30-50% einher. Denn wo damals je Veröffentlichung bezahlt wurde, wurde jetzt nur noch eine pauschale Einmalzahlung in Höhe der Tages- oder Halbtagespauschale gezahlt.

25.000 Fotos für den FotoPool

Bis 2016 war Stephan Glagla an durchschnittlich 8-12 Tagen/Monat als Fotojournalist für den Foto-Pool tätig. Als er im März 2016 eine neue Fassung des Rahmenvertrages dem FotoPool unterzeichnen sollte, mit dem seiner Auffassung nach eine weitere Verschlechterung der Vergütungsbedingungen einherging, lehnte Herr Glagla dies ab. Fortan stellte der FotoPool die Zusammenarbeit mit ihm ein. In der Zeit seiner Tätigkeit für den FotoPool hat Glagla ca. 25.000 Fotos in dessen Auftrag erstellt und in das Funke-Redaktionssystem eingestellt. Hierfür hat er nach dem oben beschriebenen Vergütungssystem ca. 82.500 Euro als Honorar zzgl. 7.500 Euro für Fotostrecken erhalten. Für Zweitverwertungen in Funke Zeitungen erhielt er keine Vergütung. Honorarausschüttungen aus Verkäufen an Dritte hat Herr Glagla zu keiner Zeit erhalten. Relativ wenig, dafür, dass der FotoPool sich als Bildagentur bezeichnet.

Tausendfache unvergütete Zweitverwertung?

In der Folgezeit stellte Stephan Glagla Recherchen zu der Verbreitung seiner Fotos an und musste feststellen, dass diese vielfach, teilweise dutzendfach in den Funke-Zeitungen zweitverwertet worden sind. Ein Beispiel: Im Januar 2016 war Glagla an nur 5 Tagen für den FotoPool tätig gewesen und hatte diesem vereinbarungsgemäß ein Honorar (exklusive Fotostrecken) von 5*115 Euro = 575 Euro in Rechnung gestellt. Bei seiner Recherche stieß der Fotograf auf 96 Funke-Print-Veröffentlichungen seiner Fotos im Januar 2016. Dies entspricht einem Honorar je veröffentlichtem Foto in Höhe von 5,98 Euro.

5,98 Euro je Fotoveröffentlichung. Da kann was nicht stimmen!

Dieses ernüchternde Berechnungsergebnis erschütterte Stephan Glagla zutiefst: Wie viele Veröffentlichungen meiner Fotos in Funke Zeitungen gab es wirklich? Wie hoch wäre das pro Bildveröffentlichung gezahlte Honorar, wenn man alle erfolgten Veröffentlichungen berücksichtigen würde? Kann das rechtens sein?

Aufgrund der klassischen David gegen Goliath-Situation ging er zunächst davon aus, keine Handhabe zu haben, die niedrige Vergütung also akzeptieren zu müssen.

Dem ist nicht so. Das Urheberecht hält eine starke Waffe für Fotograf:innen bereit!

Leitgedanke des Urheberechtsgesetzes: Urheber haben Anspruch auf angemessene Vergütung. Basta!

Da derartige Ausgangslagen (kleiner Urheber steht großem Verwerter gegenüber) im Geschäft mit Nutzungsrechten eher typisch als untypisch sind und dem Leitgedanken des Urheberechts – die Sicherstellung einer angemessene Vergütung des Urhebers – zuwiderlaufen, hat der Gesetzgeber im Jahr 2002 einen ebenso bemerkenswerten wie wirksamen Schutzmechanismus für die Urheber in das Urheberrecht eingefügt. Gemäß §§ 32 und 32a UrhG hat der Urheber gegen den Verwerter einen Anspruch auf angemessene Vergütung, auch wenn vertraglich zwischen den Parteien ursprünglich eine geringere Vergütung ausdrücklich vereinbart worden ist.

Gemeinsame Vergütungsregeln sollen regeln, was eine angemessene Vergütung ist

Gemäß § 36 UrhG können Vereinigungen von Urhebern mit Vereinigungen von Werknutzern (hier also die Zeitungsverlage) gemeinsame Vergütungsregeln beschließen, in denen festgelegt wird, wie die gesetzlich vorgeschriebene angemessene Vergütung, auf die der Urheber gemäß §§ 32, 32a UrhG einen Anspruch hat, aussieht.

Davon haben u.a. im Jahr 2013 der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. als Vertreter zahlreicher Zeitungsverlage und die Interessenvertreter der Fotojournalisten Gebrauch gemacht und gemeinsame Vergütungsregeln für hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitung (GVR Tageszeitungen) aufgestellt.

Daneben existiert auch ein Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen als weitere hier relevante gemeinsame Vergütungsregel.

Die GVR Tageszeitungen knüpfen an die Veröffentlichung eines Fotos an und bestimmen die für Erst- und/oder Zweitveröffentlichung angemessene Vergütung, deren Höhe je nach Größe und Auflage der Zeitung variiert. Für die Veröffentlichung eines Fotos (Größe zwischen zwei und vierspaltig) in einer Tageszeitung mit einer Auflage von 25.000 sehen die GVR Tageszeitungen in der Fassung von 2013 ein Honorar von 32 Euro vor. Eine Zweitverpflichtung gleicher Größe in gleicher Zeitung würde ein Honorar in Höhe von 24 Euro auslösen.

Funke zahlte deutlich weniger als 50% des GVR-Honorars

Wäre Stephan Glagla für die von ihm für Januar 2016 ermittelten 96 Veröffentlichungen in Funke-Zeitungen nach diesen Bestimmungen vergütet worden, hätte er hierfür, bei Annahme des kleinsten Veröffentlichungshonorars, dass die GVR Tageszeitungen vorsehen (14,50 Euro für die 1-spaltige Zweitverwertung in einer Zeitung mit einer Auflage unter 10.000), mindestens 96*14,50 Euro = 1.392 Euro erhalten. Deutlich mehr als das Doppelte von dem, was ihm Funke gezahlt hatte. Bei Berück-sichtigung aller tatsächlich erfolgten Funke-Veröffentlichungen, der Abbildungsgröße der Fotos sowie der Auflagen der jeweiligen Zeitungen, würde dieser Vergleich noch krasser Ausfallen.

Klage gegen Funke

Vertreten durch den Hamburger Medienanwalt Thore Levermann (Kanzlei WLHK) erhob Stephan Glagla sodann im Dezember 2016 vor dem Landgericht Bochum Klage gegen Funke, mit dem Ziel, dass das Gericht (1) die GVR Vergütungsregeln als Maßstab für die Angemessenheitskontrolle der tatsächlich von Funke gezahlten Vergütung heranzieht und sodann (2) Funke verurteilt, Auskunft über die Anzahl der tatsächlich erfolgten Verwertungshandlungen zu erteilen.

Hierbei waren einige Hürden zu nehmen, so z.B. die Tatsache, dass die allermeisten Veröffentlichungen der Fotos von Stephan Glagla in Funke Medien in den Jahren 2009-2013 erfolgt sind, also zu einer Zeit, als die GVR Tageszeitung noch gar nicht existierten.

Vergütungsregeln können auch in die Vergangenheit wirken

Diesbezüglich hat der BGH bereits in vorangegangenen Entscheidungen festgestellt, dass zur Bestimmung dessen, was einem Urheber an angemessener Vergütung zusteht, auch Vergütungsregeln herangezogen werden können, deren Anwendungsbereich für den konkreten Fall eigentlich gar nicht eröffnet ist.

Für den konkreten Fall hieße dies, dass die erst nach den Verwertungshandlungen vereinbarten GVR Tageszeitung auch zur Bestimmung der angemessenen Vergütung für Verwertungshandlungen die in den Jahren 2009-2013 erfolgt sind, herangezogen werden können.

Tarnung als Bildagentur

Die weitaus höhere Hürde stellte die von Funke gewählte »Tarnung« des FotoPools als Bildagentur dar. Denn zunächst einmal ist eine Bildagentur keine Tageszeitung, so dass die Heranziehung der GVR Tageszeitung für die Bestimmung der Angemessenheit, der vom FotoPool gezahlten Vergütung auf den ersten Blick wenig plausibel erscheint. Tatsächlich aber zeigt die Erfahrung zum Beispiel des Fotografen Stephan Glagla, dass es sich bei dem FotoPool weniger um eine Bildagentur, als um eine Funke-eigene Dispatching-Agentur handelt, deren Aufgabe es ist, die von den unterschiedlichen Re-daktionen der Funke Tageszeitung eingehenden Fotoaufträge aufzunehmen, zu verwalten und an die Fotograf:innen zu verteilen. Der für eine Bildagentur typische Verkauf von Bildrechten an Dritte spielte nach der Erfahrung des Fotografen Glagla keine oder nur zumindest nur sehr untergeordnete Rolle. Für die Überprüfung der Angemessenheit der von einer solchen zentralen Vergabestelle gezahlten Fotografenhonorare scheint ein Vergleich mit den GVR Tageszeitung durchaus angezeigt.

Landgericht Bochum gibt Klage statt

Im November 2017 bejahte das Landgericht Bochum die Heranziehung der GVR Tageszeitung zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung und verurteilte dementsprechend Funke zur Auskunftserteilung. Insbesondere war das Gericht hierbei der Auffassung, dass Funke in keiner Weise belegt habe, dass es sich bei dem FotoPool tatsächlich um eine Bildagentur handelt.

OLG Hamm hebt Urteil nach Funke-Berufung aus

Das Oberlandesgericht Hamm folgte dieser Auffassung nicht. Es hob das Urteil des Landgerichts Bochum auf und wies die Klage von Stephan Glagla vollständig ab. Das Gericht war der Auffassung, die GVR Tagesszeitung seien vorliegend nicht als Vergleichsmaßstab für eine angemessene Vergütung heranzuziehen, da es sich bei dem FotoPool eben doch um eine Bildagentur handele. Denn immerhin habe Funke vorgetragen, dass, wenn auch im geringen Umfang, Bildrechte an Dritte veräußert worden seien. Auf den Umfang dieser Verkäufe komme es nicht an, so dass der FotoPool als Bildagentur zu bewerten sei, die nicht mit einer Zeitung vergleichbar sei. Des Weiteren sei die pauschale Vergütung in Form von Tagesgagen nicht mit der in der GVR Tageszeitung vorgesehenen Vergütung je Veröffentlichung vergleichbar. Denn bei einer Pauschalvergütung übernehme der FotoPool das volle Risiko der Verwertbarkeit der Fotos, während bei einer an die tatsächliche Veröffentlichung anknüpfenden Vergütung der Fotograf immer das Risiko trage, dass eine solche nicht erfolgt und er somit ohne Bezahlung bleibt.

Zu guter Letzt vertrat das OLG auch die Auffassung, dass die Ansprüche des Fotojournalisten Glagla verjährt seien, weil der Fotograf bereits 2009 bei Abschluss des Rahmenvertrages mit dem FotoPool erkennen hätte müssen, dass es sich um eine Bildagentur handele, die ihre Bilder auch an die anderen Funke Tageszeitungen der Funke Gruppe sowie andere Verwerter weitergebe, ohne dass er dafür eine weitere Vergütung erhalten würde.

BGH gibt Nichtzulassungsbeschwerde statt und hebt das Urteil des OLG Hamm auf

Diese Argumentation des OLG Hamm vermochte weder Rechtsanwalt Levermann noch Stephan Glagla zu überzeugen, so dass sie gemeinsam mit dem BGH-Anwalt Rohnke Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegten. Der BGH ließ die Revision gegen das Urteil zu und hob dieses mit Urteil vom 23. Juli 2020 auf. In den nun vorliegenden Entscheidungsgründen weist der BGH die Argumentation des OLG Hamm mit erfreulich klaren Worten zurück!

Zunächst bestätigt der BGH die oben erwähnte Rechtsprechung, dass Vergütungsregeln auch dann als Vergleichsmaßstab herangezogen werden können, wenn ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet ist.

»bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können zur Ermittlung der angemessenen Vergütung im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG, also der Vergütung, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist, auch solche gemeinsamen Vergütungsregeln im Sinne von § 36 UrhG als Vergleichsmaßstab und Orientierungshilfe herangezogen werden, deren Anwendungsvoraussetzungen nicht (vollständig) erfüllt sind und die deshalb keine unwiderlegliche Vermutungswirkung im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG entfalten (BGH, GRUR 2016, 62 Rn. 16 – GVR Tageszeitungen I, mwN; vgl. jetzt auch § 32 Abs. 2a UrhG).«

Demzufolge spricht die Verabschiedung der GVR Tageszeitung erst im Jahr 2013 nicht gegen eine Anwendung auf fotojournalistische Dienstleistungen, die vor diesem Datum liegen. Dies stellt das Gericht ausdrücklich fest:

»Die Heranziehung von Vergütungsregeln als Indiz im Rahmen der gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG vorzunehmenden Einzelfallabwägung erfordert dabei nicht, dass sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung der Vergütungsregel erfüllt sind. Ausreichend ist vielmehr eine vergleichbare Interessenlage; soweit mit Blick auf die Bemessung der angemessenen Vergütung erhebliche Unterschiede in der Interessenlage bestehen, ist diesen im Einzelfall durch eine modifizierte Anwendung der Vergütungsregel Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 182, 337 Rn. 32 bis 34 – Talking to Addison; BGH, GRUR 2016, 62 Rn. 16, 21 und 27 – GVR Tageszeitungen I).«

Interessenslage vergleichbar!

Ausdrücklich bestätigt der BGH Glaglas Ansicht, dass der FotoPool mit einer Tageszeitung vergleichbar ist:

»cc) Danach können im Streitfall die Vergütungsregeln für Bildbeiträge nach den GVR Tageszeitungen für die Bestimmung der Angemessenheit der von der Beklagten geschuldeten Vergütung herangezogen werden, weil eine vergleichbare Interessenlage besteht.
(…)
Die Organisation der Beklagten als Bildagentur steht der Annahme der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben den Schluss, dass die Beklagte jedenfalls im Rahmen des mit dem Kläger bestehenden Vertragsverhältnisses der Sache nach jedenfalls schwerpunktmäßig als eine Art ausgelagerte Bildredaktion der Funke-Mediengruppe tätig wurde, indem sie in erster Linie deren Veröffentlichungen mit den Bildbeiträgen des Klägers belieferte. Der Umstand, dass die Beklagte als Bildagentur die ihr gelieferten Bilder auch Dritten zur Verfügung stellte, steht der Annahme der Vergleichbarkeit nicht entgegen.«

Bezahlung in Tagespauschalen spricht nicht gegen Vergleichbarkeit

Sodann verwirft der BGH auch die Argumentation des Berufungsgerichts, wonach die Zahlung in Tagespauschalen nicht mit der Zahlung pro veröffentlichtem Bild verglichen werden kann.

»(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht es der Vergleichbarkeit der im Streitfall in Rede stehenden Sachverhalte nicht von vornherein entgegen, dass die Parteien eine Pauschalvergütung vereinbart haben, wohingegen sich die Vergütung nach den GVR Tageszeitungen nach dem gedruckten Umfang eines Beitrags bemisst.
(…)
Selbst wenn – wie das Berufungsgericht angenommen hat – die Beklagte durch die Vereinbarung eines Pauschalhonorars das Risiko übernommen hat, das Werk nicht entgeltlich verwerten zu können, steht dies der Berücksichtigung eines erfolgsabhängigen Vergütungssatzes bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Pauschalvergütung danach nicht grundlegend entgegen. Einer etwaigen vertraglich vereinbarten Risikotragung kann vielmehr im Rahmen der modifizierten Anwendung einer Vergütungsregel Rechnung getragen werden (vgl. BGHZ 182, 337 Rn. 34 aE – Talking to Addison; BGH, GRUR 2016, 62 Rn. 21 – GVR Tageszeitungen I).«

Ansprüche sind nicht verjährt!

Abschließend stellt das Gericht fest, dass die Ansprüche des Fotografen Stephan Glagla nicht verjährt sind.

Erfreuliche Stärkung der Urheber

Zusammenfassend zeigt die Entscheidung des BGH erfreulich klar auf, dass kreative Ideen zur möglichen Honorarreduzierung, wie etwa die Gründung einer Bildagentur, nicht per se geeignet sind, den Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung zu umgehen – und stärkt damit ein weiteres Mal die Rechte der Urheber:innen im ungleichen Kräftemessen mit Verwertern.

Wie geht es weiter? OLG Hamm muss noch ran

Der BGH hat die Angelegenheit nach Aufhebung des Urteils zur Wiederaufnahme der Verhandlung an das OLG zurückverwiesen. Dieses hat nun ein weiteres Mal über den Anspruch von Stephan Glagla auf angemessene Vergütung für die Jahre 2009-2016 zu entscheiden. Dabei wird es die klaren Vorgaben des BGH berücksichtigen müssen und die von Funke gezahlten Honorare mit den in den GVR Tageszeitung vorgesehenen Honoraren vergleichen müssen. Es scheint derzeit wenig dafür zu sprechen, dass das Gericht eine Vergütung von unter 6 Euro/Foto als angemessen ansehen wird. In diesem Fall wird Funke dazu verurteilt werden, Auskunft darüber zu erteilen, welche Verwertungshandlungen in der Zeit 2009-2016 tatsächlich erfolgt sind. Anhand dieser Auskunft wird Stephan Glagla seinen Zahlungsanspruch gegen Funke beziffern können.

Stephan Glagla wurde von RA Thore Levermann, Kanzlei WLHK (Hamburg) – www.wlhk.de – vertreten. Die Prozesse wurden von FREELENS e.V. finanziert.