Kommentar zum Urteil des LG Hamburg Robert Kneschke gegen LAION e.V.
Von Dagmar Schwelle & Marco Urban
Am 27.09.2024 verkündete das Landgericht Hamburg sein Urteil in der Sache Robert Kneschke gegen LAION e.V. (1)
Robert Kneschke bezeichnet sich selbst als Fotoproduzent, er stellt Fotos und auch KI-generierte Bilder her (oder lässt sie herstellen) und vertreibt diese über diverse Stockbildagenturen. (2) LAION e.V. ist ein Verein, der Links zu Bildern und deren Metadaten aus öffentlich zugänglichen Teilen des Internets sammelt und speichert. Der erstellte Katalog »LAION5B« enthält 5,85 Milliarden CLIP-gefilterte Bild-Text-Paare und ist nach Aussage von LAION e.V. der bisher größte öffentlich zugängliche Bild-Text-Datensatz der Welt. (3)
Auch Bilder von Robert Kneschke wurden so erfasst. Er hat in Bezug auf eine Fotografie, die er selbst aufgenommen hat, die Anwaltskanzlei SLD Intellectual Property RA GmbH beauftragt, gegen LAION e.V. auf Unterlassung zu klagen, also das Bild aus dem Katalog zu löschen.
Der Deutsche Fotorat schrieb in seiner Stellungnahme vor dem Urteil über das Verfahren: »Im Mittelpunkt der juristischen Bewertung stehen zwei Fragen: Kann sich der gemeinnützige LAION e.V. bei seiner Sammlung auf Ausnahmen vom Urheberrecht berufen, die eigentlich für Analysen in der wissenschaftlichen Forschung geschaffen wurden? Und dürfen diese Daten kommerziellen Anbietern von Bildgeneratoren zur Verfügung gestellt werden, ohne dass die Fotografinnen und Fotografen dem zugestimmt haben und eine Vergütung erhalten? Die Bedeutung des Verfahrens geht somit weit über den konkreten Fall hinaus, in dem ein Fotograf die Löschung seiner Bilder aus der LAION-Datenbank fordert. Sollte die Herkunft der Trainingsdaten juristisch angreifbar sein, könnte in einem nächsten Schritt auch Anbietern von KI-Bildgeneratoren der Verkauf ihrer Dienste erschwert werden.« (4)
Nun ist das Urteil gefällt worden und RA Sebastian Deubelli, SLD Intellectual Property RA GmbH, beschreibt die Entscheidung des Gerichts in einer Mitteilung so »(…) Entgegen der Ankündigung weiteren Sachvortrag der Parteien anzuhören, hat das Gericht die Klage auf der Basis der Schrankenregelung des § 60d UrhG abgewiesen. Man hält die Voraussetzungen auf Basis der bisher vorgetragenen Argumente nun doch für gegeben. Wir sind der Auffassung, dass das Gericht vorliegend die Frage, ob durch die Handlung des Beklagten überhaupt Text und Data Mining vorliegt, unzutreffend bejaht hat. Das Gericht hat die von uns hierzu vorgelegte Studie von Stober und Dornis zwar zur Kenntnis genommen, ist sodann aber nicht nachvollziehbar zum Schluss gekommen, dass es sich dennoch im vorliegenden Fall um Text und Data Mining handeln würde.« (5)
Dass das Gericht seine Entscheidung auf § 60d UrhG stützt, ist eine überraschende Wendung in diesem Verfahren – mit möglicherweise drastischen Auswirkungen.
§ 60d UrhG lässt unter bestimmten Bedingungen Vervielfältigungen für Text- und Data-Mining (TDM) für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung zu. Das Landgericht Hamburg legt dabei einerseits die Latte für »wissenschaftliche Forschung« extrem niedrig. Es findet nämlich, dass das, was LAION tut – also Datensätze erstellen – Forschung sei, selbst wenn damit kein unmittelbarer Erkenntnisgewinn verbunden ist, ein möglicher »späterer Erkenntnisgewinn« reiche aus.
Zugleich legt das Gericht eine andere Latte aber sehr hoch: nämlich das Ausmaß an Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen, das für die Anwendung des § 60d UrhG schädlich wäre. Obwohl es klare personelle Verflechtungen zwischen LAION und KI-Unternehmen gibt (insbesondere mit Stability AI), eine einmalige Spende vom Machine-Learning-Unternehmen Hugging Face und Zurverfügungstellung von Rechnerkapazitäten durch Stability AI, zeigte sich das Gericht davon nicht beeindruckt und entschied, dass Privatunternehmen »keinen bestimmenden Einfluss« auf LAION hätten.
Wenn sich diese Sichtweise in den weiteren Instanzen durchsetzen sollte, hätte das sehr einschneidende Auswirkungen auf die Rechte der Urheber*innen:
Denn anders als beim kommerziellen Text- und Data-Mining nach §44b UrhG haben Urheber*innen beim § 60d UrhG keinerlei Opt-Out-Möglichkeit – sie müssten die vergütungsfreie Nutzung ihrer Werke zur Erstellung von Trainingsdatensätzen einfach dulden.
Für KI-Unternehmen wäre das eine bequeme Lösung: sie könnten sich künftig auf Vereine mit Forschungsanstrich stützen, die ihnen saubere Datensätze liefern. Die Urheber*innen dagegen würden leer ausgehen.
Dieses Urteil verdeutlicht einmal mehr, dass es dringend weiterer Schritte der Politik bedarf, damit die Urheber*innen nicht wehrlos sind gegen die Ausbeutung ihrer Werke durch die KI-Industrie.
Dass das Gericht die viel beachtete Tandem-Studie von Stober und Dornis (6) eher links liegen ließ, sagt übrigens noch nichts über die Durchschlagskraft der dort vorgebrachten Argumente aus. Im Fall Kneschke gegen LAION ging es um das Erstellen von Datensätzen, nicht um das KI-Training selbst. Der Schluss von Stober und Dornis, dass das Training generativer KI nicht unter die TDM-Schranke fällt, bleibt also jedenfalls gültig und hochbrisant – und es bleibt zu hoffen, dass die nächsten Instanzen auch in dieser Frage anders entscheiden als das Landgericht Hamburg.
Doch um gegen das ungenehmigte KI-Training an sich vorgehen zu können, ist es notwendig, die KI-Industrie zu voller Transparenz über die verwendeten Datensätze zu verpflichten. Die Industrie leistet gegen derartige Bestrebungen auf EU-Ebene derzeit hinhaltenden Widerstand. Dem müssen Urheber*innenverbände mit aller Kraft entgegentreten.
Einen erfreulichen Aspekt hat das aktuelle Urteil jedoch: obwohl es für die Entscheidung am Ende gar nicht relevant war, erklärte Gericht recht ausführlich, dass es dazu neigt, auch Rechtsvorbehalte (also Opt-Outs) in natürlicher Sprache für maschinenlesbar im Sinne des § 44b (3) UrhG zu halten. Die Begründung dafür lässt schmunzeln: sollen die Datensammler doch KI benutzen, um die Opt-Outs in natürlicher Sprache auch lesen und verstehen zu können!
Wir empfehlen daher, einen Satz wie z.B. »Any text or data mining, web scraping or similar reproductions of content for training and developing of any AI system is prohibited without prior written permission« in das Impressum von Webseiten oder in die IPTC- bzw. Metadaten von Fotos zu schreiben. Denn in diesem einen Punkt wünschen wir uns natürlich, dass andere Gerichte der Ansicht des Landgerichts Hamburg folgen werden.
Quellen und Links:
(1) Urteil: https://pdfupload.io/docs/72aaca85
(2) Homepage Robert Kneschke: https://www.alltageinesfotoproduzenten.de
(3) Homepage LAION e.V.: https://laion.ai
(4) Stellungnahme Fotorat: https://deutscher-fotorat.de/stellungnahme-ki-trainingsdaten/
(5) Stellungnahme SDL: https://www.sld-ip.com/blog/landgericht-hamburg-weist-klage-gegen-laion-e-v-ab/
(6) Tandem-Studie der Initiative Urheberrecht: https://urheber.info/diskurs/interdisziplinare-studie-belegt-art-und-umfang-der-urheberrechtsverletzungen-beim-training-generativer-ki
Weitere Artikel:
Bericht zur Verhandlung am Landgericht Hamburg am 11. Juli 2024
»KI und Fotobranche – Herausforderungen und Strategien«