FREELENS Position zum Fotojournalismus
Die Fotografie ist immer eine subjektive Momentaufnahme des Geschehens durch den Fotografen, auch wenn viele Betrachter glauben, dass das, was sie auf dem Foto sehen, die Wahrheit darstellt.
Die nachfolgenden Punkte definieren Leitlinien für eine aufrichtige, journalistische Fotografie.
1. Objektivität
Die Darstellung von Ereignissen und Sachverhalten sollte sachlich zutreffend sein. Fotografen sollten so objektiv wie möglich, mit einer professionellen Distanz zum Geschehen und ohne Vorurteile berichten. Sie sollten klischeehafte und von Vorurteilen geleitete Darstellungen vermeiden.
2. Unabhängigkeit, Befangenheit, Voreingenommenheit, tendenziöse Berichterstattung, Bestechung
Fotografen machen Verflechtungen mit Personen, Gruppen, Organisationen oder Firmen, die Gegenstand der Berichterstattung sind, transparent.
3. Inszenierung, Nachstellen, Einflussnahme
Das Ideal des Fotojournalismus ist der »gefundene Moment«. Der Fotojournalismus bildet Ereignisse ab, zu denen es ohne das Zutun oder die Einflussnahme des Fotografen kommt. Ereignisse zu inszenieren, nachzustellen oder Personen zu Handlungen anzuleiten ist nicht akzeptabel. Fotojournalisten sollten sich des Umstands bewusst sein, dass ihre Anwesenheit das Verhalten und die Handlungen von Personen beeinflusst. Nehmen abgebildete Personen Handlungen gezielt »für die Kamera« vor, so ist zumindest in der Bildbeschriftung darauf hinzuweisen.
Eine Ausnahme sind Porträts, denn hier ist es in vielen Fällen für den Betrachter ersichtlich, dass der Abgebildete für das Bild posiert. Es empfiehlt sich, in der Bildbeschriftung zu erklären, dass es sich um eine gestellte Porträtsituation handelt, um eine Abgrenzung zum ungestellten Porträt z.B. im Rahmen einer Reportage sicherzustellen.
4. Inszenierungen Dritter
Fotojournalisten müssen sich bewusst sein, dass sie selbst das Ziel von Manipulationen durch Dritte sein können. Dies gilt vor allem durch von Dritten für die Presse inszenierte Ereignisse oder beim Fotografieren in »kontrollierten Umgebungen«, in denen der Fotograf nur unter Aufsicht arbeiten kann oder er nur Zugang zu bestimmten Bereichen bekommt. Auch hier muss mindestens in der Bildbeschriftung auf diese Umstände hingewiesen werden.
5. Bildbeschriftungen
Bildbeschriftungen haben in allen Punkten objektiv, vollständig, wahrheitsgemäß und umfassend zu erfolgen. Besonders auf Umstände, die zu einer Fehlinterpretation des Bildes durch den Betrachter führen könnten, ist explizit hinzuweisen. Bildbeschriftungen dürfen nicht darauf abzielen, die Wahrnehmung des Gezeigten zu beeinflussen, dem Bild bloße Behauptungen zuschreiben, das Gezeigte über eine Beschreibung hinaus interpretieren oder die Wahrnehmung eines Bildes im Sinne einer gewünschten Aussage beeinflussen.
6. Bildbearbeitung
Es gibt und gab keine Fotografie ohne Bildbearbeitung. Besonders die digitale Fotografie ist ohne eine Bearbeitung nicht denkbar. Das Primat jeder Bildbearbeitung muss es sein, die Integrität des Bildes als journalistisches Dokument zu erhalten oder zu erhöhen. Die Bildbearbeitung darf nicht das Ziel verfolgen, den Betrachter zu täuschen oder Geschehnisse in einer manipulativen Form wiederzugeben. Das betrifft sowohl den Inhalt des Bildes als auch den Kontext.
Deswegen ist es nicht möglich, einzelne Bearbeitungsmethoden oder -grade als definitive Grenzen zu benennen. Bildbearbeitung muss auch als ein Mittel verstanden werden, mit dem der Fotojournalist das fertige Bild – als Ergebnis eines technischen Prozesses – näher an seinen Eindruck der Situation vor Ort bringen kann. Die folgenden Ausführungen können deswegen keine abschließenden Aussagen sein.
6.1. Composite, Stempeln, Klonen, Entfernen oder Hinzufügen von Bildinhalten
Das Entfernen oder Hinzufügen von Bildinhalten und -teilen, sei es durch Klonen oder durch das Einfügen aus anderen Bildern sowie das Bewegen der Bildelemente einer Datei zueinander sind im Fotojournalismus nicht erlaubt. Pixel haben an ihrem ursprünglichen Platz in der Datei zu verbleiben. Die akzeptablen Ausnahmen sind die Entfernung von Flecken, die durch Staub auf dem Sensor von Digitalkameras entstanden sind und sonstigen technischen Fehlern des Sensors sowie die Entfernung von Kratzern und Staub bei Bildern aus analogen Quellen.
6.2. Beschnitt
Ein Beschnitt des Bildes ist nur dann eine unzulässige Manipulation, wenn er dazu dient, den Betrachter des Bildes zu täuschen.
6.3. Weißabgleich, Belichtung, Anpassungen an den Rohdaten
Die Festlegung, ob die Belichtung eines Bildes nachträglich angepasst werden darf oder nicht, erscheint nicht sinnvoll, weil sie entweder von der Existenz einer »richtigen Belichtung« ausgeht oder sie die Wiederherstellung dieser »richtigen Belichtung« in einem fehlbelichteten Bild ablehnt. Dasselbe gilt für Anpassungen durch den Weißabgleich. Ob solche Eingriffe zulässig sind oder nicht, lässt sich nur über den Aspekt, ob der Betrachter getäuscht werden soll, festmachen.
6.4. Tonen, schwarz-weiß Konvertierungen, Filmsimulationen, Foto-Apps
Die Zulässigkeit des Gebrauchs diverser Filmeinstellungen, Smartphone-Apps, der Bearbeitung von Bildern durch Entsättigung, die Benutzung verschiedener Filmemulationen oder die Konvertierung in eine Schwarz-Weiß-Version kann ebenfalls nur daran gemessen werden, ob der Fotograf beabsichtigt, den Betrachter zu täuschen oder ob er diese technischen Hilfsmittel als Stilmittel benutzt, um von einem Ereignis unter Zuhilfenahme seiner gewählten Bildsprache zu berichten.
6.5. Die Person des Bearbeiters
Da viele Bearbeitungsschritte darauf abzielen, die in der Kamera erzeugte Aufnahme näher an die Wahrnehmung des Fotografen im Moment der Aufnahme anzugleichen, sollte eine Bildbearbeitung durch Dritte nur in Absprache mit dem Fotografen erfolgen.
7. Verantwortung
Fotografen behandeln alle Personen mit Achtung und Respekt. Besondere Rücksichtnahme und Mitgefühl verdienen schutzbedürftige Personen und die Opfer von Verbrechen oder Tragödien. Fotografen achten darauf, ob die Öffentlichkeit ein überwiegendes und vertretbares Informationsbedürfnis hat.