Es ist was es ist und so soll es auch bleiben!
Das LG Hamburg unterstreicht die Rechte und Bedeutung der Dokumentarfotografie!
Hinrich Schultze (Hamburg) ist FREELENS Mitglied und angesehener Dokumentarfotograf. Authentizität und Belegcharakter seiner Bilder liegen ihm am Herzen. Schon 1992 war er Gründungsmitglied des DOK-Verbandes, der sich die Sensibilisierung von Gewerkschaften, Politik und Medien für die Gefahren durch die Bildmanipulation zur Aufgabe gemacht hatte. Auf Tagungen sowie in Medieninterviews wurde daran gearbeitet, eine Ethik zu etablieren, die solche Manipulationen ausschließt. Dieses Thema hat ihn nun vorm Landgericht Hamburg eingeholt!
Der Plan: Gemeinsam an das soziale Gewissen appellieren!
Hinrich Schultze hat die Anfänge der Umweltbewegung Anfang der achtziger Jahre in ausdrucksstarken Schwarzweißfotografien dokumentiert und sich so einen Namen in der Szene verschafft. Das Thema Umweltschutz bewegt ihn auch heute noch. So war er durchaus interessiert, als der Betreiber eines Flensburger Restaurants an ihn herantrat und ein spannendes Angebot unterbreitete. Fotos, die erste Aktionen von Umweltaktivisten in Schleswig-Holstein dokumentieren, sollten im Internet, auf einer flankierenden Ausstellung sowie im Restaurant selbst gezeigt werden. Da es sich hierbei um ein Restaurant handelt, welches sich der nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährung verschrieben hat, erklärte der Fotograf sich einverstanden. Weil ihm das Thema wichtig ist, rief er für die öffentliche Zugänglichmachung und die Erstellung von Abzügen für die Ausstellung ein lediglich symbolisches Honorar in Höhe von 280 Euro auf und übermittelte eine Auswahl an Bildern zur Auswahl an den Restaurantbetreiber.
Was folgte war Funkstille und ein böses Erwachen.
Als Hinrich Schultze einige Monate später die Webseite des Restaurants besuchte, musste er mit Erschrecken feststellen, dass der Restaurantbetreiber die schwarzweißen Fotos mit farblichen Bearbeitungen, eingeblendeten Kommentaren und Grafiken versehen hat, die allesamt einen Bezug zu dem Restaurant oder den politischen Ansichten des Restaurantbetreibers aufweisen. Teilweise wurden die Aussagen auf den Schildern und Transparenten der Demonstranten durch neue Aussagen ersetzt, teilweise wird auch nur das Logo des Restaurants oder ein Werbespruch eingeblendet. Der Fotograf wurde als Urheber der Fotos genannt.
Beim Betrachten dieser Bearbeitungen war Hinrich Schultze geschockt. Die Art der Veränderungen und insbesondere die damit einhergehende Verkehrung der Bildaussagen trafen ihn in seiner Ehre als Dokumentarfotograf zutiefst. Als friedliebender Mensch hat sich Hinrich Schultze dennoch zunächst per E-Mail an den Restaurantbetreiber gewendet, sein Missfallen mitgeteilt und diesen dazu aufgefordert, die Bilder von der Webseite zu tilgen.
»[…] Welch ein Humor.
Meine dokumentarischen Fotos zu retuschieren und die Protestplakate der Menschen aus der Anti-Akw-Bewegung durch Werbeslogans für ein Restaurant auszutauschen. Da Dir die Überraschung mir gegenüber nun voll gelungen ist, hat sie ihre Aufgabe erfüllt und ich bitte Dich, sie sofort vom Netz zu nehmen.
[…] Die Präsentation meiner Bilder in derart manipulierter Form werden meinen Ruf als dokumentarischer Fotograf erheblich schädigen. […]«
Das ist Kunst und darf bleiben. Echt jetzt?
Die eindringliche Bitte des Fotografen veranlasste den Restaurantbetreiber jedoch lediglich dazu, die Namensnennung von den Bildern zu entfernen und den Fotografen mit flapsigen Worten darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Bearbeitungen der Bilder um Kunst handele und eine Entfernung der Bilder nicht erfolgen werde.
Unterstützt von FREELENS hat sich Hinrich Schultze sodann an den Medienanwalt Thore Levermann (WLHK) gewendet, um die fortwährende Rechtsverletzung unterbinden zu lassen. Auf die sodann ausgesprochene Abmahnung lehnte der Restaurantbetreiber es zunächst durch seinen Anwalt ab, die Fotos von der Webseite zu entfernen. Auch die Zahlung des geforderten Schadensersatzes in Höhe von 8.400 Euro (exklusive Anwaltskosten) wurde abgelehnt. Erst nach erneuter anwaltlicher Aufforderung gab er eine Unterlassungserklärung ab und entfernte die Bilder von der Webseite. Die Zahlung des geforderten Schadensersatzes blieb jedoch weiter aus, so dass Hinrich Schultze sich dazu entschloss, die Schadensersatzforderungen gerichtlich geltend zu machen. Die Kanzlei WLHK hat sodann beim Landgericht Hamburg Klage eingereicht und dabei folgende Schadenspositionen geltend gemacht:
- 2.790 Euro Lizenzschaden für die unberechtigte Benutzung basierend auf MFM.
- 3.000 Euro immaterieller Schadensersatz wegen des besonders schweren Verschuldens (Entstellung der Fotos insbes. in Bezug auf deren inhaltliche Aussage, schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht).
- 1.395 Euro Zuschlag wegen unterlassener Urhebernennung.
- 1.822,96 Euro außergerichtliche Anwaltskosten.
Mit Urteil vom 14.8.2020 hat das Landgericht Hamburg der Klage voll umfassend stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 7.185 Euro zzgl. außergerichtlicher Anwaltskosten an Hinrich Schultze verurteilt (Az. 308 O 236/19). Das Gericht hat hierbei sehr klare Worte gefunden und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den von dem Restaurantbetreiber vorgenommenen Bearbeitungen um eine schwerwiegende Verletzung auch des Urheberpersönlichkeitsrechts des Fotografen handelt.
Es lohnt sich, die Ausführungen des Gerichts näher zu betrachten.
Urheberrechtlich geschützte Werke? Aber sicher!
Das Gericht nimmt sich außergewöhnlich viel Zeit, um die nicht ernsthaft in Frage zu stellende urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Fotos des Fotografen herauszuarbeiten. Dies tut es, um sowohl deren hohe fotografische Qualität als auch die Bedeutung als Nachweise historischer Ereignisse herauszustellen.
»Diese individuelle Bildersprache des Fotografen konkretisiert sich insbesondere durch die jeweils gewählten Motive und Bildausschnitte sowie die Aufnahmeperspektiven oder — wie vorliegend bei Bewegungsvorgängen — der Wahl des richtigen Moments (vgl. zu letzterem OLG Hamburg ZUM-RD 1997, 217, 220 — Troades; LG Hamburg Urt. v. 14.11.2008 — 308 0 114/08, BeckRS 2009, 3087). Vorliegend verleihen insbesondere die Zeitpunkte, zu denen die jeweiligen Motive aufgenommen wurden, sowie die gewählten Bildausschnitte und -perspektiven den Fotografien ihre künstlerische Qualität. So zeigt das Bild Nr. 1 aus der Perspektive eines Demonstrationsteilnehmers, wie ihm auf der entgegengesetzten Fahrbahn einer Landstraße ein martialisch anmutendes Panzerfahrzeug entgegenkommt, wodurch nicht nur die entgegengesetzten Standpunkte beider Seiten des Demonstrationsgeschehens, sondern auch die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse besonders anschaulich dargestellt werden. Intensiviert wird die in der Fotografie eingefangene und insbesondere aus der drohenden Unfriedlichkeit folgende bedrückende Stimmung dabei durch die im Hintergrund abgebildete karge Landschaft, die regennasse Straße sowie die kontrastreiche schwarz-weiße Gestaltung der Fotografie. Entsprechendes gilt für das Bild Nr. 2: Zentrales und mittig platziertes Motiv ist eine menschliche Pyramide aus Demonstrationsteilnehmern, bei der die obenstehende Person eine im Wind wehende Fahne als eine Art Startsignal für die Proteste bzw. Aktionen in die Luft erhebt und von den umstehenden, teils applaudierenden Demonstrationsteilnehmern eingerahmt wird. Auch hier wird die bildlich eingefangene politische Aussage kontrastiert durch den wolkenverhangenen, tristen Himmel und die schwarz-weiße Ausgestaltung. Dieselbe Bildersprache liegt auch dem Bild Nr. 5 zugrunde, auf dem sich zwei Gruppen von Demonstrationsteilnehmern offensichtlich mit dem Ziel der Vereinigung zu Fuß aufeinander zubewegen, sowie dem Bild Nr. 6, auf dem eine Gruppe von Demonstrationsteilnehmern ihre Arme zustimmend oder zum Gruß in die Höhe strecken und an dem Fotografen vorbei in die Ferne schauen…«
Rechtsverletzung! Einwilligung zur Online-Ausstellung ≠ Einwilligung zur Bearbeitung
Weiter stellt das Gericht klar, dass selbst dann, wenn der Fotograf in die Veröffentlichung der Fotos auf der Webseite eingewilligt hätte, jedenfalls keine Einwilligung in die Bearbeitung der Bilder vorgelegen hat.
»Das Nutzungsrecht des Beklagten erstreckte sich jedenfalls nicht auf das öffentliche Zugänglichmachen der Fotografien in der angegriffenen bearbeiteten Form. Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden (§ 23 Abs. 1 S. 1 UrhG). Eine hierauf bezogene Einwilligung hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt erteilt.«
Neben dieser Verletzung der Rechte aus § 19a, 23 UrhG stellte das Gericht fest, dass die nachträgliche Entfernung der Urhebernennung eine Verletzung des Urhebernennungsrechts aus § 13 UrhG darstellt.
Bearbeitungen sind keine freie Benutzung § 24 UrhG
Insbesondere während der mündlichen Verhandlung hatte der Restaurantbetreiber darauf abgestellt, dass es sich bei den Bearbeitungen um Parodien handele, die ihrerseits dem Schutz der Meinungsfreiheit unterliegen und gemäß § 24 UrhG als sog. freie Bearbeitung zulässig sind. Dem Beklagten ist hierbei durchaus zuzugestehen, dass einige Bearbeitungen, wie etwa das Einfügen des Facebook-Logos und der Zusatz »Wir wollen Eure Herzen, nicht Eure Daten« einerseits durchaus Bezug zum aktuellen Diskurs über den Schutz personenbezogener Daten aufweisen und daher als Parodie/Satire angesehen werden könnten. Gleiches gilt für das Einblenden des Hinweises »Gut zu wissen, was man isst« in die von einigen Demonstranten aufgestellte Hinweistafel.
Reicht der sozialpolitische Hintergrund der Bearbeitungen, um die gravierenden Bearbeitungen der Fotos zu rechtfertigen?
Zur Beantwortung dieser Frage hatte das Gericht zunächst klarzustellen, dass § 24 UrhG nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (BGH, GRUR – RS 2020,12924, Rn. 37-Metall auf Metall IV) bei richtlinienkonformer Auslegung nur noch auf die Fallgruppen der Karikatur und Parodie zur Anwendung kommen kann.
Nach Rechtsprechung des BGH bestehen die wesentlichen Merkmale einer Karikatur oder Parodie darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder Verspottung darzustellen (BGH a.a.O.-Metall auf Metall IV). Aufgrund des bereits oben erwähnten Bezugs zum aktuellen politischen Diskurs und des durchaus humoristischen Charakters der Einfügungen in die Fotos ist das Landgericht im vorliegenden Fall wenig überraschend zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei diesen um Parodien handelt, die auch nach der neuen BGH-Rechtsprechung unter den Anwendungsbereich des § 24 UrhG fallen.
Parodie vs. Fotografenrechte – Abwägung erforderlich!
Der BGH stellte aber auch klar, dass derjenige, der sich im Rahmen seiner Kunst- und oder Meinungsfreiheit auf die Ausnahme des § 24 UrhG beruft, längst nicht alles darf. Seine schutzwürdigen Interessen sind mit den Interessen des Urhebers und der abgebildeten Personen in Ausgleich zu bringen. Das Landgericht hatte somit eine Abwägung der Interessen des Dokumentarfotografen einerseits und des Restaurantbetreibers andererseits durchzuführen.
Meinungsäußerung rechtfertigt keine Entstellung der Fotos!
Hier kommt das Landgericht zu einem klaren Ergebnis. Die durch den Restaurantbetreiber vorgenommenen Bearbeitungen der Fotos des Fotografen stellen nach Ansicht des Landgerichts eine Entstellung der Fotos dar. Hierbei stützte sich das Gericht vornehmlich auf folgende vier Aspekte:
- Massiver ästhetischer Eingriff in urheberrechtlich geschützte Werke, die nicht nur wegen ihres hohen schöpferischen Gehalts, sondern auch aufgrund ihres besonderen dokumentarischen bzw. historischen Wertes einen hohen künstlerischen Rang aufweisen.
»Festzuhalten ist zunächst, dass der Beklagte durch seine bunten und z.T. geradezu grell gestalteten Einfügungen schon in rein ästhetischer Hinsicht massiv in die Werke des Klägers eingegriffenen hat, denn hierdurch hat er sowohl die Bildsprache als auch die Atmosphäre der Schwarz-weiß-Fotografien des Klägers gravierend verändert.«
- Umkehrung der auf den Fotos dokumentierten politischen Aussagen in Werbeaussagen für das Restaurant und eigene kommerzielle Interessen.
»Noch schwerer wiegt vorliegend indes, dass der Beklagte auch die auf den Fotos dokumentierten politischen Aussagen der abgebildeten Personen ungefragt in Werbeaussagen für sein Restaurant verkehrt und auf diese Weise die Fotos für seine eigenen kommerziellen Interessen zweckentfremdet hat. Es liegt nach Einschätzung der Kammer nahe, dass zahlreiche Betrachter hierin einen Verrat an den auf den Originalaufnahmen dokumentierten gesellschaftspolitischen Aussagen der abgebildeten Personen erblicken könnten.«
- Verrat an den auf den Originalaufnahmen dokumentierten gesellschaftspolitischen Aussagen der abgebildeten Personen und damit einhergehende Infragestellung der durch den Kläger dokumentierten politischen Anliegen der Abgebildeten.
»Die Verletzung der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen beruht insbesondere darauf, dass sie zu rein werblichen Zwecken vereinnahmt werden, wodurch die von ihnen verfolgten politischen Ziele (Anti-Atomkraft) aus rein kommerziellen Interessen gleichsam pervertiert wurden.«
- Beschädigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Aktivisten und Fotograf
»Zudem macht der Kläger zu Recht geltend, als Dokumentarfotograf auch in besonderem Maße auf das Vertrauen der von ihm abgebildeten Personen angewiesen zu sein, denn anders ließen sich Aufnahmen der angegriffenen Art, bei denen der Kläger den Abgebildeten ersichtlich nicht nur rein physisch, sondern auch im übertragenen Sinn z.T. sehr nahe kommt, nicht erstellen.«
Zur Höhe des Lizenzschadens: MFM durch die Hintertür!
Zur Höhe des Lizenzanspruches stellte das Gericht fest, dass nicht auf die ursprünglich von Parteien angedachten 280 Euro abgestellt werden könne. Hierbei habe es sich lediglich um einen symbolischen Wert gehandelt, da es dem Fotografen primär um die Verbreitung der politischen Aussagen der Fotografien gegangen sei. Es sei daher unbillig, den Fotografen an dieser Abrede festzuhalten.
Wenig überraschend stellte das Gericht mit der diesbezüglich herrschenden Meinung fest, dass eine direkte Anwendbarkeit der MFM-Richtlinien vorliegend nicht infrage komme, da weder der Fotograf eine solche Lizenzierungspraxis dargelegt habe, noch von einer generellen Branchenüblichkeit der Empfehlungen ausgegangen werden könne (BGH, GRUR 2010,623 Rn. 36 – Restwertbörse 1).
Im Rahmen der mangels vorliegender Lizenzpraxis sodann durch das Gericht durchzuführenden freien Schätzung des Lizenzschadens (§ 287 ZPO) könne – so das Gericht – aber auf die MFM-Empfehlungen als Anhaltspunkt zurückgegriffen werden, weil diese eine gute Übersicht darüber vermitteln, wie sich in der Praxis unterschiedliche Nutzungsarten grundsätzlich quantifizieren lassen.
»Auch wenn es sich bei diesen um einseitige Vergütungsvorstellungen eines Interessenverbandes von Fotografen handelt, denen demgemäß mit Zurückhaltung zu begegnen ist (vgl. Hans OLG, Urteil vom 31.10.2013 — 5 U 234/10), ist der Kammer dennoch aus diversen Rechtsstreitigkeiten bekannt, dass die MFM-Empfehlungen zumindest eine geeignete Übersicht darüber vermitteln, wie sich in der Praxis unterschiedliche Nutzungsarten und -intensitäten grundsätzlich quantifizieren lassen bzw. in Relation zueinander verhalten können (so auch OLG Hamburg, GRUR-RR 2010, 378 = BeckRS 2009, 87819 — FOOD-Fotografie). Diese können daher vorliegend im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO als Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Schätzung herangezogen werden.«
Gericht geht über MFM-Empfehlung hinaus! Grund: Historischer Wert der Dokumentarfotos
Aufgrund der hohen Qualität der Bilder und ihres besonderen historischen Wertes hat das Gericht sogar die in den MFM-Richtlinien vorgesehene Lizenz von 328 Euro auf 465 Euro pro Bild erhöht!
»Der geltende Pauschalbetrag von 328,00 Euro pro Jahr und Fotografie ist für die vorliegende streitgegenständliche Nutzung der Bilder nach Einschätzung der Kammer indes aufgrund ihrer besonders hohen Qualität und vor allem wegen ihres historischen Wertes auf die vom Kläger zugrunde gelegten 465,00 Euro pro Bild zu erhöhen.«
Zuschlag wegen unterlassener Urhebernennung
Wegen des begrenzten Zeitfensters in dem die Fotos ohne Urhebernennung auf der Webseite des Restaurants zu sehen waren, hat das Gericht einen Zuschlag von 50% der Lizenzgebühren wegen der unterlassenen Urhebernennung für ausreichend und angemessen erachtet.
Ausgleich auch des immateriellen Schadens
Eine zusätzliche finanzielle Entschädigung für die mit einer Urheberrechtsverletzung einhergehenden immateriellen Schäden ist in der Praxis relativ selten, denn sie setzt eine schwerwiegende und nachhaltige Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts voraus, die nicht in anderer Weise (z.B. Widerruf oder Richtigstellung) befriedigend ausgeglichen werden kann. Eine solche schwerwiegende Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts kann sich aus folgenden Faktoren ergeben:
- Anlass und Beweggrund des Handelns
- künstlerischer Rang des Verletzten und seines Werkes
- Bedeutung und Umfang des Eingriffs
- Art und Weise der Verletzung
- Ausmaß der Verbreitung
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren hat das Landgericht angenommen, dass mit den Bearbeitungen eine schwerwiegende Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts einhergeht. Zur Begründung nennt das Gericht zunächst den oben bereits erwähnten entstellenden Charakter der Bildveränderungen sowie das schwere Verschulden des Restaurantbetreibers. Diesem hätte auch in seinem laienhaften Verständnis klar sein müssen, dass er zu den gravierenden Änderungen nicht ohne die Zustimmung des Fotografen berechtigt war. Als besonders schwerwiegend wertete das Gericht die Reaktion des Klägers auf die vorgerichtliche Bitte des Fotografen, die Bilder von der Webseite zu nehmen. Der Restaurantbetreiber habe dies – so das Gericht – in »höchst uneinsichtiger, als geradezu trotzig zu bezeichnender Weise« abgelehnt. Außerdem bemängelte das Gericht, dass auch auf die anwaltliche Abmahnung eine Beseitigung der Bilder von der Webseite abgelehnt wurde.
Lizenzschaden bezieht sich nur auf die unveränderte Übernahme der Fotos
Bezüglich der Höhe des für die Urheberpersönlichkeitsverletzung zu zahlenden immateriellen Schadensersatzes verweist das Gericht darauf, dass im Rahmen der Bemessung der Lizenzgebühr die eigentliche Entstellung noch gar nicht berücksichtigt worden sei.
»Dem Aspekt der Entstellung bzw. Urheberpersönlichkeitsverletzung durch die vom Beklagten vorgenommenen Bearbeitungen kann davon ausgehend erst im Rahmen des Geldentschädigungsanspruchs Geltung verschafft werden, da dieser nicht der Abschöpfung von wirtschaftlichen Vorteilen dient, sondern der Genugtuung und der Prävention bei eingetretenen (Urheber-)Persönlichkeitsrechtsverletzungen (BGH GRUR 2015, 780 Rn. 38 f. — Motorradteile).«
Im Hinblick auf die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung und des außerordentlich hohen Grades an Verschulden kommt das Gericht zu der Auffassung, dass die beantragte Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro angemessen ist, um die Funktion der Genugtuung und Prävention zu erfüllen.
Erfreulich klare Worte des Gerichts contra Bildmanipulation
Das Gericht hat mit seiner Entscheidung die wichtige gesellschaftliche Bedeutung dokumentarischer Fotografie herausgestellt und die von digitaler Bildmanipulation ausgehenden Gefahren unterstrichen. Das ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil zunehmend zu beobachten ist, wie Realitäten so lange angezweifelt, negiert oder manipuliert werden, bis sie in das eigene Meinungsbild passen. Die Dokumentarfotos immanente Belegfunktion ist daher ebenso wichtig und schutzwürdig, weil sie uns hilft, Dinge zu erkennen, wie sie wirklich waren!
Es ist erfreulich, dass das Gericht mit klaren Worten die Verkehrung des Aussagewerts von Dokumentarfotografien mit historischem Wert als eine Entstellung gewertet hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufung zum Hanseatischen Oberlandesgericht ist noch möglich.
Hinrich Schultze wurde von RA Thore Levermann, Kanzlei WLHK (Hamburg) – www.wlhk.de – vertreten.