Politik & Medien
Angriffe auf die Pressefreiheit

Chaos in Leipzig – überforderte Polizei

Text – Roland Geisheimer
Bei den Protesten der sogenannten »Querdenker« am vergangenen Samstag in Leipzig kam es zu starken Behinderungen und Angriffen auf Journalist:innen. In einem Pressestatement sprach der sächsische Innenminister Roland Wöller von einem »weitestgehend friedlichen Verlauf« der Versammlung, den die Polizei gewährleistet habe. Dass dem nicht so war, erlebte ich in Leipzig vor Ort.

In einem Brief an den sächsischen Innenminister stellt FREELENS klar, dass eine Versammlung nur dann als friedlich bezeichnet werden kann, wenn Journalist:innen von dieser berichten können, ohne ihre körperliche Unversehrtheit zu riskieren. Das war am Samstag nicht der Fall. Neben den Angriffen von Seiten der Demonstrant:innen wurden Journalist:innen immer wieder von der Polizei an ihrer Arbeit gehindert.

Als Fotograf:innen am späten Vormittag am Leipziger Hauptbahnhof von Neonazis angegangen wurden, hatte die Polizei nichts besseres zu tun, als die Personalien der Kolleg:innen aufzunehmen und entgegen geltender Rechtsprechung Drehgenehmigungen für den Hauptbahnhofsbereich zu verlangen. Später bahnten Polizist:innen Maskenverweigerer:innen den Weg durch die Gegendemonstrant:innen, während Journalist:innen, u.a. auch ich, mit bundeseinheitlichem Presseausweis ausgestattet und selbstverständlich Maske tragend, langwierig kontrolliert und an der Arbeit gehindert wurden.

Einschüchterungen, Bedrängen und Angriffe durch Demonstrant:innen setzten sich bis in den Abend fort. Eine gefahrlose, freie Berichterstattung vom Veranstaltungsgeschehen war nicht möglich. Kleingruppen von gewaltbereiten Hooligans und anderen rechtsextremistischen Gruppierungen machten gezielt Jagd auf Journalist:innen. Die Polizei war entweder nicht zu sehen, oder schaute bei den Übergriffen eher weg als hin.

Angriffe auf Journalist:innen, das Nichteinschreiten der Polizei oder die Behinderungen der journalistischen Arbeit durch Polizei und Versammlungsteilnehmer:innen, all das sind kapitale Angriffe auf die Pressefreiheit, auf die Grundwerte unserer Gesellschaft. Wir erwarten, dass auch in Sachsen Journalist:innen ungehindert und ohne Angst um ihre körperliche Unversehrtheit arbeiten können. Der Artikel 5 Grundgesetz ist nicht verhandelbar. Die Geschehnisse vom 7. November müssen aufgearbeitet werden.

Bereits Ende August hatten wir den 16 Landesinnenministern den Dialog zwischen Polizei und FREELENS im Rahmen von Aus- und Fortbildung angeboten, um potentielle Konfliktsituationen wie oben geschildert bereits im Vorfeld zu klären. Von vielen Landespolizeien gab es dazu bereits ein positives Feedback, lediglich die Corona-Pandemie bremst gerade den Dialog.

Anders in Sachsen, dort teilte Landespolizeipräsident Kretschmar uns im September mit, dass er sich für das Angebot bedankt, aktuell aber kein Bedarf bestünde. Spätestens seit dem 7. November dürfte diese Sichtweise überholt sein. FREELENS, als größter deutscher Verband von Fotograf:innen, steht jedenfalls auch der sächsischen Polizei weiter zu Gesprächen zur Verfügung, was wir dem Innenminister so auch mitgeteilt haben.