Politik & Medien
FREELENS Mitgliederbefragung

Mit Unsicherheit in die Zukunft

Dass die Pandemie die Kreativbranche stark getroffen hat (und weiterhin trifft), ist unstrittig. FREELENS wollte es genauer wissen und hat im November 2020 und im Juni 2021 eine (fast) gleichlautende Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt.
Text: Christian Ahrens & Juliane Herrmann

Wir wollten herausfinden, inwieweit die Corona-Pandemie Einfluss auf unser Berufsleben hatte und hat, wie sehr sie unsere finanzielle und psychische Situation beeinflusst und welche Folgerungen Fotograf:innen daraus gezogen haben. Zwischen den beiden Umfragen lagen rund sechs Monate, in denen viel passiert ist und sich die Lage immer wieder verändert hat. Die Resonanz auf die Umfragen war erfreulich hoch: Im November 2020 nahmen 1.085 Fotograf:innen, im Juni 2021 waren es 629. Aus dem Vergleich der beiden Umfragen ergeben sich interessante Informationen, von denen wir die wichtigsten an dieser Stelle teilen möchten.

Auftragslage

Auftragsstornierungen und Terminverschiebungen waren die bestimmenden Themen unserer Mitglieder im November 2020 und betrafen die Kolleg:innen mit hohen Prozentzahlen von um die 77 bzw. 67 Prozent, während das Gegenteil (»zusätzliche Aufträge«) in einem sehr niedrigen Bereich rangierte. Nur knapp 10 Prozent der Befragten vermeldeten hier etwas Positives.

Die Umfrage im Juni 2021 zeichnete ein anderes Bild: zwar dominierten auch hier die Terminverschiebungen mit knapp 42 Prozent, dicht gefolgt von den Antwortmöglichkeiten »weiterhin keine oder kaum Aufträge« und »weniger Aufträge« (38 und 35 Prozent), jedoch lagen diese Zahlen deutlich niedriger als bei der ersten Umfrage. Die Option »endlich wieder Aufträge« gibt Hoffnung auf eine positive Entwicklung und wurde immerhin von rund 20 Prozent der Fotograf:innen genannt.

Einnahmesituation

Ähnliche Ergebnisse, mit einer leicht positiven Tendenz bei der zweiten Erhebung, gab es bei der Frage nach der Einnahmesituation. Während im November 2020 die Mehrheit angab, dass ihre Einnahmen gegenüber der Zeit vor Corona auf die Hälfte (30 Prozent) beziehungsweise sogar auf ein Viertel (ebenfalls knapp 30 Prozent) gesunken seien, lagen diese Zahlen bei der neueren Umfrage etwas niedriger (bei rund 26 bzw. 24 Prozent). Erwartungsgemäß gaben bei beiden Umfragen nur wenige an, dass sich die Einnahmesituation »überhaupt nicht« verändert habe (jeweils etwa 7 bzw. 13 Prozent).

Nichtsdestotrotz gab es auch Umsatzsteigerungen, die allerdings nur bei wenigen auftraten (2020: 3,5 Prozent und 2021 knapp 5 Prozent). In der Summe kann man sagen, dass sich die Situation zwischen den beiden Umfragezeitpunkten leicht verbessert hat – oder anders ausgedrückt: dass die dramatischen Einkommensverluste sich tendenziell etwas gemildert haben. Im November 2020 sagten allerdings auch 10 Prozent unserer Mitglieder, sie kämen jetzt schon nicht mehr klar. Diese Quote lag im Juni 2021 exakt gleich hoch.

Trotz dieser gravierenden Zahlen gaben im November 2020 rund 32 Prozent an, dass sie gut zurechtkämen – und die Vergleichszahl vom Juni 2021 lag sogar bei rund 42 Prozent.

Ergebnisse der FREELENS Mitgliederbefragungen im November 2020 und Juni 2021. Grafik: FREELENS
Fördergelder

Dieses »gut klarkommen« steht vermutlich auch im Zusammenhang mit den verschiedenen Fördergeldern, die von unseren Mitgliedern auf breiter Basis angenommen wurden. Fast 95 Prozent hatten im Herbst 2020 entsprechende Unterstützung beantragt, bei der zweiten Umfrage in diesem Jahr waren es immer noch 74 Prozent, die Anträge gestellt oder Fördergelder aus Landes- und Bundesquellen bezogen haben. Die Abwicklung wurde dabei als überwiegend positiv empfunden. Nur etwa 8 bzw. 7 Prozent führten bei den Umfragen an, dass Probleme bei der Bewilligung entstanden seien. Eine alarmierende Zahl zeigte sich dennoch: In beiden Umfragen gaben immerhin 8 bzw. rund 7 Prozent an, dass sie ALG II beantragen mussten, um ihre Existenz zu sichern.

Reaktionen auf Corona

Als Reaktion auf die schwierige Erwerbssituation während der Pandemie, wurden mit jeweils um die 40 Prozent in beiden Umfragen genannt, dass KSK-Beiträge und Steuervorauszahlungen angepasst bzw. reduziert wurden. Die Tendenz zu Einsparungen hat sich zum Zeitpunkt der zweiten Umfrage vermutlich verstärkt. Da hier die Fragen nicht exakt gleich gestellt wurden und die Datenbasis eine etwas andere war, können jedoch keine exakten Zahlen genannt werden.

Einige Fotograf:innen – 13,5 (2020) bzw. 12 Prozent (2021) – sahen sich außerdem gezwungen, mindestens zeitweise einen neuen Job anzunehmen.

In der beruflichen Positionierung haben sich die Fotograf:innen als sehr agil gezeigt. Im November 2020 führten jeweils um die 50 Prozent an, dass sie sich um eine Intensivierung der Kontaktpflege zu ihren Bestandskunden bemüht und an ihren Portfolios und Webauftritten gefeilt haben. Auch freie Projekte wurden in diesem Umfang angegangen. Dieser Wert ist im Vergleich zu Juni 2021 etwa gleich geblieben und hat vermutlich damit zu tun, dass freie Projekte durch die verschiedenen Förderungen motiviert wurden. Sechs Monate später rangieren diese drei Bereiche immer noch ganz vorne und die Werte blieben nahezu unverändert. Die Intensivierung der Akquise ist von November mit 33 Prozent auf 27 Prozent im Juni 2021 leicht gesunken. Neue Geschäftsfelder angeboten haben im November über 31 Prozent, auch diese Zahl ist 2021 nahezu identisch.

Bei der Frage zeigte sich allerdings auch, dass einige Kolleg:innen offenbar völlig unbeschadet von Corona geblieben sind: 2020 gaben 7 Prozent an, gar nichts unternommen zu haben, da die Auftragslage unverändert geblieben sei. Dieser Wert lag im Juni 2021 bei knapp 8 Prozent. Der Großteil dieser Kolleg:innen war im Bereich Journalismus, Corporate und Architektur tätig.

Ergebnisse der FREELENS Mitgliederbefragung im Juni 2021. Grafik: FREELENS
Psychische und soziale Aspekte

Neben jobtechnischen und finanziellen Aspekten »macht« Corona auch etwas mit den Menschen – die psychischen und sozialen Aspekte sind hier nicht zu unterschätzen. In beiden Umfragen dominierten die Themen »Planungsunsicherheit« und »finanzielle Unsicherheit«. Diese Zahlen lagen 2020 bei knapp oder genau 70 Prozent und sind auch im Juni 2021 immer noch die meistgenannten, wenn auch mit rund 64 und 62 Prozent um einige Prozentpunkte gefallen. Die »generelle Angst vor den Folgen des Coronavirus« lag dagegen im November mit 37 Prozent auf Platz drei, während dieser Aspekt im Juni nur noch auf Platz 6 rangierte und von lediglich 16 Prozent angegeben wurde.

Berufliche Schwerpunkte

Außerhalb der Corona-spezifischen Antworten haben unsere Umfragen aber auch weitere spannende Erkenntnisse erbracht. So werfen besonders die beruflichen Schwerpunkte ein interessantes Schlaglicht auf die inhaltliche Ausrichtung unserer Kolleg:innen.

Auf die Frage nach dem Bereich der Fotografie, in dem die Teilnehmenden hauptsächlich arbeiten, gaben im November 2020 gut 25 Prozent »Corporate / Unternehmensfotografie / Industrie« an. Die zweithäufigste Nennung war der Journalismus mit gut 22 Prozent. Dann folgten mit weitem Abstand »Messen / Events / Veranstaltungen« (12,48 Prozent), künstlerische Fotografie (7,26 Prozent), Reportagen und Soziales (5,31 Prozent), Reisefotografie (5,22 Prozent), Werbung (5,13 Prozent) und Architektur (4,07 Prozent). Alle anderen Bereiche (Sport/Freizeit, Theater/Konzertfotografie, Privatkunden und Mode) rangierten unterhalb von 4 Prozent. Die Werte von 2021 waren bei dieser Frage annährend gleich und zeigten nur graduelle Unterschiede.

In diesen Zahlen zeigt sich recht deutlich, wie sehr sich die Schwerpunkte der FREELENS Mitglieder in den letzten Jahren und Jahrzehnten verschoben haben und wie vielfältig die Bereiche sind, in denen unsere Mitglieder heute tätig sind.

Gender

FREELENS hat nur bei der zweiten Umfrage Detailfragen zum Geschlecht erhoben, sodass unter diesem Aspekt ausschließlich die Zahlen aus dem Juni 2021 ausgewertet werden können. Von den 629 Teilnehmenden waren knapp 22 Prozent weiblich. Männer waren mit knapp 76 Prozent vertreten. Dies entspricht in etwa der Mitgliederstruktur von FREELENS. »Divers« kreuzten in der Umfrage 0,8 Prozent an, während 1,6 Prozent keine Angaben machten.

Von allen Teilnehmenden gaben 38 Prozent an, dass sie Kinder zu betreuen hätten. Von den insgesamt 138 weiblichen Mitgliedern gaben 73 Prozent an, dass sie in einer Beziehung lebten, bei 37 Prozent der Frauen spielte die Kinderbetreuung eine Rolle.

Die Zahlen bei den Männern beruhen auf 476 Antworten. Hier lag der Prozentsatz der in Beziehung lebenden bei 80 Prozent und auch bei den Männern waren 38 Prozent mit dem Thema Kinderbetreuung konfrontiert. Allerdings sahen nur 13 Prozent der Männer die Kinderbetreuung als eine der größten Herausforderungen der Coronakrise an, während dies bei den Frauen mit 21 Prozent deutlich mehr waren.

Auch die Zahlen zur Einnahmesituation gegenüber 2019 haben wir unter Gender-Aspekten analysiert, wobei hier 11 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen keine Angaben machten. 82 Prozent der Männer gaben an, dass sie Einnahmeverluste zwischen 25 und 75 Prozent zu beklagen hatten; bei den Frauen waren dies hingegen nur 72 Prozent. Ein ähnliches Bild ergab sich hinsichtlich einer unveränderten Einnahmesituation: dies traf auf 12 Prozent der Männer und auf 17 Prozent der Frauen zu. Auch bei der Frage nach einem Einnahmeplus (also +25, +50 und mehr als +50 Prozent) lagen die Frauen mit 12 Prozent vor den Männern (6 Prozent). Insgesamt kann man aufgrund der vorliegenden Zahlen also sagen, dass die Frauen in puncto Einnahmesituation deutlich besser abgeschnitten haben.

Fazit

Die Pandemie ist auch in der professionellen Fotografie keineswegs vorbei und hinterlässt weiterhin tiefe Spuren in praktisch allen Bereichen unserer beruflichen Tätigkeit und unseres privaten Lebens. Die erhobenen Daten bestätigen leider die Annahmen über erhebliche Einnahmeverluste, Auftragsrückgänge und daraus folgende finanzielle Risiken und Planungsunsicherheit. Aus den Zahlen ließ sich zwar im Juni 2021 eine leichte Tendenz zum Positiven ableiten, eine echte Trendwende war aber noch nicht zu erkennen – und die aktuellen Entwicklungen lassen leider auch keine positivere Einschätzung zu.

Die Existenz- und Zukunftsängste vieler FREELENS Mitglieder reichten hierbei über die aktuelle Corona-Pandemie hinaus. So befürchten viele, dass sich ihre (Auftrags-)Lage mittelfristig nicht ändern wird bzw. es zu einem grundsätzlichen Auftragsrückgang kommt; auch bezüglich der Honorarentwicklung gab es erhebliche Bedenken. Es wurde ein weiterer Preisverfall, größere Konkurrenz und somit ein größerer Preiskampf erwartet. Gleichzeitig wurden auch immer wieder Bedenken hinsichtlich eines strukturellen Wegbruchs von Auftraggeber:innen geäußert.

Als Verband sehen wir uns in unserem Auftrag bestärkt, uns auch unabhängig von Corona weiterhin für vernünftige Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung von Fotograf:innen wie auch ganz grundsätzlich für die Wertschätzung der Fotografie einzusetzen. Wir werden auf Förderprogramme und sonstige Unterstützungsangebote hinweisen und versuchen, unsere Mitglieder auch durch persönliche Beratung einigermaßen gut durch diese besonderen Zeiten zu bringen.