Magazin #18

Zehn Frauen zeigen die Welt

Sie fotografieren diese Welt. Sie dokumentieren, wie Menschen sich ihr Leben vorstellen und daraus Wirklichkeit werden lassen wollen. Sie halten fest, was Menschen mit Menschen machen.

Text – Kay Dohnke

Los Angeles, Belfast, Havana, Rumänien und Kurdistan, Thailand, Afghanistan, Südafrika. Kinder Frauen Männer. Begegnungen mit Nan Goldin, Susan Meiselas, Xiao Hui Wang, mit Fotos von Lara Jo Regan, Jordis Schlösser, Ursula Meissner.

Begegnungen zwischen Buchdeckeln: Die Reporter ohne Grenzen haben für ihren neuen Bildband Aufnahmen von zehn Fotografinnen zusammengestellt, die von Überleben auf dieser Welt berichten. Oft sind es Ausschnitte aus umfangreicheren Projekten, keine schnell entstandenen, auf irgendeine Symbolik ausgerichteten Nachrichtenfotos. Man ahnt, um wieviel anschaulicher Fotografie sein kann, wenn mehr Zeit auf die Bilder verwendet wird und Reportagen anstelle von Einzelbildern entstehen.

Das Buch gibt erste Eindrücke von der Arbeit dieser Frauen, aber eine nähere Begegnung mit ihrem Werk ist nicht möglich, denn die knappe Auswahl wird den einzelnen – sehr verschiedenen! – Urheberinnen und ihrem Schaffen nicht gerecht. Hier ahnt man zumeist nur die Geschichten, die hinter den Bildern stecken; sie werden allenfalls angerissen, enden aber schon nach zu wenigen Seiten. Mit mehr Bildern von weniger Fotografinnen wäre Betrachtern wie Urheberinnen mehr gedient gewesen.

Und noch etwas stört: Die Fotografinnen dokumentieren Szenen vom Leben auf dieser Welt, direkt, schnörkellos, in knappen, aber vielsagenden Bildern. »Aber sie erzählen auch vom oft absurden Alltag im reicheren Teil der Welt«, heißt es im Vorwort. Doch in den Bildern ist das nicht zu finden – wozu diese aufgesetzte Interpretation? Gibt es keine Not im reicheren Teil der Welt und sagenhafte Verschwendung dort, wo wir überwiegend Armut und Elend vermuten? Genau einer solchen eindimensionale Sicht, wie sie die Herausgeber hier andeuten, haben sich die Fotografinnen stets verweigert.

Die gemeinnützigen Reporter ohne Grenzen finanzieren ihre Arbeit zu einem beträchtlichen Teil aus dem Verkauf ihrer jährlichen Fotobücher. Nachdem zu Beginn 100 Fotos für die Pressefreiheit aus dem Bereich der Nachrichtenfotografie zusammengestellt wurden, erschienen Monografien von Salgado, Riboud, Depardon und Cartier-Bresson – willkommene Auswahlen aus dem Werk prominenter Fotografen, die Zugänge öffneten.

Vielleicht kehren die Herausgeber ja wieder zu diesem betrachterfreundlicheren Prinzip zurück. Und beauftragen jemanden mit dem Layout, der angemessen mit Bildern umgeht und die Fotos nicht nur stereotyp anordnet. Fotografen wie Käufer würden es ihnen gewiss danken.

Buch
Reporter ohne Grenzen (Hg.)
ÜberLeben im Alltag
10 Fotografinnen für die Pressefreiheit. 96 Seiten.