Wo bleibt der Werbeaufnäher?
Auf dem schmalen Grat zwischen Marketing und Journalismus droht der Absturz. Selbst unabhängige Medien mutieren allmählich komplett zu Werbeträgern.
Editorial – Manfred Scharnberg
»Die Nachfrage nach PR-Material ist so stark gestiegen, dass wir gar nicht so viele Geschichten erfinden können, wie die Zeitungen drucken wollen«, berichtete Medienberater Klaus Kocks dem Manager Magazin. Ursache für den Hunger nach kostenlosem Content ist der rigorose Sparkurs vieler Verlagshäuser. Die Süddeutsche Zeitung setzte knapp 1000, die FAZ 200 Mitarbeiter auf die Straße. Ganze Redaktionen werden zusammengelegt, Objekte ausgelagert, Etats minimiert. Das Ergebnis: Satte Renditen, die locker die Ergebnisse deutscher Industriekonzerne in den Schatten stellen. Gleichzeitig sinkt die Blattqualität, denn wo die Rotstifte die Macht ergriffen haben, bleibt nur noch journalistisches Elend.
Etliche Medien haben kapituliert.
Finanziell üppig ausgestattete PR-Abteilungen stehen personell ausgedünnten Redaktionen gegenüber und finden immer öfter dankbare Abnehmer für ihre Botschaften. Bleibt die Frage: Wann tauchen – wie bei Topathleten – die ersten Chefredakteure mit Werbeaufnäher und Promotion-Kappe auf?