Magazin #14

Wir hoffen, Sie kommen gut durch

Ihr Job steht in dem Ruf, abenteuerlich und spannend zu sein: Fotografen der Nachrichtenagenturen – immer auf Jagd nach Bildern, weltweit hautnah am Geschehen dran. Aber die Wirklichkeit wird daheim vom Streit um Verwertungsrechte und draußen bei der Arbeit von Risiken bestimmt, auf die sie oft nur mangelhaft vorbereitet sind. Ein Blick hinter die Kulissen – Teil II

Text – Tracy Baker

Man kann mit Bildern trefflich Geld verdienen: Das richtige Foto zum wichtigen Ereignis rechtzeitig geliefert, beschert den weltweit tätigen Bildagenturen ansehnliche Umsätze. Die Arbeit draußen lassen sie nur selten von Staffern – also fest Angestellten Firmenmitarbeitern – machen, sondern von Stringern, frei tätigen Fotografen, die mit geringen Tagessätzen entlohnt werden.

Wirtschaftlich lukrativ ist es nicht, als »wire shooter« für die Nachrichtenagenturen im Einsatz zu sein, und die Honorare sind seit Jahren unverändert niedrig. Einzige Veränderung: Die Firmen fordern immer hartnäckiger die uneingeschränkte Verfügung über sämtliche Bilder, die während eines Jobs entstehen.

GRIFF NACH DEN RECHTEN

Ursprünglich war mal alles ganz einfach und klar geregelt: Eine Agentur nahm das Besitzrecht an den übermittelten Fotos sowie an dem auf dem Negativstreifen jeweils vorhergehenden und nachfolgenden Bild für sich in Anspruch – der Fotograf behielt die übrigen Aufnahmen und konnte sie zur Syndication an Firmen wie SIPA, Sigma oder Gamma weitergeben.

Seit 1998 nötigt AP seinen amerikanischen Stringern jedoch einen Vertrag auf, der zwar die gängigen Honorarsätze weder festschreibt noch gar erhöht, aber dafür die Rechte an allen Bildern fordert, die während eines Jobs für die AP entstehen – also nicht nur an den übermittelten Fotos und nicht nur an jenen, die unmittelbar mit dem Auftrag zusammenhängen. Zusätzlich wird der Weiterverkauf zurückgegebener Fotos an die üblichen Bildagenturen untersagt. Darüber hinaus betont der Vertrag, dass der Fotograf »ein unabhängiger Vertragsnehmer« ist und »nicht als Angestellter der AP behandelt wird«. Über das Tageshonorar hinausgehende Ansprüche – etwa auf Sozialleistungen – sind damit pauschal abgeblockt.

Schließlich verlangt der Kontrakt von den Freelancern, sich die Ausrüstung selbst zu beschaffen und im Falle juristischer Auseinandersetzungen die AP von allen Forderungen, Verpflichtungen und Verantwortungen freizuhalten, die aus der Arbeit des Fotografen für die Agentur oder in Zusammenhang damit entstehen könnten. Wer also etwa eine Person auf einem an oder für die AP weitergegebenen Bild fälschlich als Mordverdächtigen bezeichnet, müsste die rechtliche Verantwortung tragen sowie eventuell den Schadensersatz und die der AP entstehenden Kosten übernehmen.

Das Londoner AP-Büro – zuständig für Europa, Afrika und den Mittleren Osten – bezieht inzwischen dieselbe kategorische Position hinsichtlich der Rechte an den von ihren Stringern gelieferten Bildern. Entweder ein Fotograf überträgt der Agentur das uneingeschränkte Copyright an sämtlichen Aufnahmen, oder er muss sich einen anderen Auftraggeber suchen.

DIGITALE ZWICKMÜHLE

Was bei Agenturjobs schwieriger wird: Im Zeitalter der Digitalfotografie kommt der hohe Preis für entsprechende Kameras den Knebelbedingungen der AP sogar noch zur Hilfe. Seine Firma, meint der Londoner Bürochef Mike Feldman, sei durchaus bereit, ihren Stringern eine entsprechende Ausrüstung zu stellen – doch im Gegenzug erwarte man, nirgendwo sonst irgendwelche der im Rahmen des Jobs entstandenen Aufnahmen veröffentlicht zu sehen.

Ähnlich sieht es auch Feldmans Vorgänger, der legendäre Fotojournalist Horst Faas: »Wenn wir jemandem eine digitale Kamera in die Hand drücken, erwarten wir, dass er uns die Rechte an allen Bildern einräumt, die er an uns weitergegeben hat. Und was den Rest angeht, erwarten wir, dass er die Disketten formatiert, also löscht und wiederverwendet. Wenn jemand seine Bilder aufhebt, haben wir nie etwas dagegen gesagt. Wogegen wir allerdings etwas haben, ist, wenn jemand für die AP arbeitet, von der AP bezahlt wird, Spesen bekommt – und dann am Abend die überzähligen Bilder an eine Agentur wie Sigma oder SIPA oder Gamma gibt, um Extrageld zu machen.«

Wie ein Stringer, der für London oder die USA arbeitet, dann aber finanziell über die Runden kommen soll, bleibt rätselhaft. Auf die Frage, ob ein AP-Vertrag über 20 Tage pro Monat bei einer Vergütung von jeweils 350 oder 400 Mark für einen freien Fotografen – vielleicht sogar mit Familie – ausreichend sei, meint Faas: »In keinem Fall ist es genügend Geld, um gut zu leben und eine Familie zu ernähren. Wenn man Freelancer ist, muss man andere Einkünfte haben und nicht nur die AP. Die meisten hier machen das auch so – entweder haben sie ein paar kommerzielle Kunden, oder sie geben ihre Bilder, die sie nicht für AP gemacht haben, an andere Agenturen.« Wer für Bildnachrichtendienste arbeiten und trotzdem noch frei über seine Fotos verfügen will, kommt also um die Anschaffung einer digitalen Kamera kaum herum.

Wolfram Steinberg von AP Deutschland bestätigt, dass der Einstieg in die Welt der Nachrichtenagenturen im digitalen Zeitalter teurer geworden ist. »Die Schwelle ist höher«, sagt er, und das »wird vielleicht mehr Leute abschrecken«. Doch wer sich als junger Fotograf für den Agenturweg entscheide, werde es wohl auch schaffen, zwei- oder dreitausend Mark mehr als für eine F5 aufzubringen. Steinberg vergleicht das mit der Situation eines Zahnarztes, der sich ja auch zuerst eine teure Praxisausstattung anschaffen muss, ehe er losbohren kann – nur verdient der im allgemeinen wohl etwas mehr als 150 Mark pro Zahn oder 350 Mark pro Tag.

LETZTE FREIRÄUME

Glücklicherweise nehmen bis jetzt weder Reuters oder die Associated Press in Deutschland noch Reuters in den USA ihren freien Fotografen gegenüber dieselbe harte Haltung ein wie AP in London oder Amerika. Die Stringer der deutschen AP – ob mit oder ohne feste Verträge – genießen sogar noch eine gewisse Freizügigkeit. »Wir verlangen nur, dass die Dienstbilder, die bei uns gelaufen sind, nicht auch an andere Leute gehen«, sagt Wolfram Steinberg. »Und wir verlangen, dass die Nicht-Dienst-Fotos nicht an die Konkurrenz gehen. Ich möchte nicht, dass ein Pauschalist von uns seine nicht gefunkten Fotos etwa an Reuters gibt – aber an den Stern zum Beispiel wäre okay.«

Mehr noch: Die Fotografen bekommen ihren Tagessatz, sobald sie »für uns an einem Tag nur den Finger krumm machen, und sei das auch nur für eine Stunde«, hebt Steinberg hervor. Und dann könne der Fotograf den Rest des Tages nach eigenen Vorstellungen nutzen. Doch in der Praxis ist es nicht so einfach, sich auf einen zusätzlichen Auftrag zu konzentrieren, wenn das Handy jeden Moment klingeln und die Nachricht vom abgestürzten Jumbo in Frankfurt bringen kann. Es dürfte schwer fallen, bei einem Firmenchef dafür Verständnis zu finden, dass man leider das gesamte Direktorium vor der eigens für den Fototermin gestoppten Produktionsanlage stehen lassen und die Bilder für den Geschäftsbericht halt ein andermal machen muss …

Offenbar sind es nur die Freelancer von AP und Reuters in Deutschland, die unter besseren Bedingungen arbeiten als ihre ausländischen Kollegen. Denn weder die Deutsche Presse-Agentur noch ddp sehen die Frage der »Rechte am eigenen Bild« so locker. In einem dpa-Vertrag aus dem Jahr 2000 heißt es, die Agentur stelle dem Fotografen das Fotomaterial kostenfrei zur Verfügung, behalte aber im Gegenzug die entwickelten Filme im Archiv. Der Fotograf übertrage der Agentur die exklusiven Veröffentlichungsrechte der an dpa gelieferten Bilder – samt aller Nutzungsvarianten, versteht sich.

Bei ddp in München sieht es nicht anders aus. »Natürlich muss eine Nachrichtenagentur das uneingeschränkte Nutzungsrecht an allen Bildern besitzen«, sagt der ehemalige Fotochef Bernd von Jutrczenka, »sonst könnte sie diese gar nicht vertreiben. Das Urheberrecht verbleibt beim freien Fotografen. Dass man Material, welches im Auftrag gemacht wurde, zeitgleich oder gar vorher an andere gibt, verbietet sich von selbst.«

RÜCKENDECKUNG BEI RISIKO?

So entscheidend solche Rechtsfragen für Freelancer auch sein mögen, sie verlieren sehr schnell an Bedeutung, wenn die Nachrichtenfotografen in Krisengebieten mit den Risiken ihres Berufs konfrontiert werden. Das betrifft vor allem die Vollzeit-Stringer, deren Bilder von allen Brennpunkten der Welt her in die Medien gelangen – Freie, die bei Bedarf hinausgeschickt werden, um Lücken im dünnen Netz der fest Angestellten zu schließen, irgendwo da draußen zwischen Grosny und Pri˘stina oder Liberia und Ruanda.

Fotografen, die sich für den relativ schlecht bezahlten Berufsweg als Stringer für Agenturen entscheiden, sehen sich mit einer Vielzahl von Rechts-, Haftungs- und Versicherungsfragen konfrontiert und haben dabei weniger Rückendeckung durch die Firma als deren fest angestellte Mitarbeiter. Freelancer sind selbstständig, allein für ihre Ausrüstung verantwortlich und müssen sich selbst gegen alle erdenklichen Risiken von Gesundheitsgefahren über Diebstahl bis zur Haftung für Schäden absichern, die Dritten während eines Jobs entstehen könnten.

Aber können sie nicht auf die Firmen bauen, in deren Auftrag sie die Risiken eingehen? »Reuters lässt niemanden hängen«, sagt Fotochef Wolfgang Rattay von der deutschen Dependance. Und Steve Crisp – in London der Chef von Reuters’ weltweitem Bilderdienst – bestätigt, dass »jeder, der von Reuters gebucht wird, versichert ist«. Das gelte für einen Stringer, der ein Football-Match fotografiert, ebenso wie für einen Kriegskorrespondenten. »Wenn ein Ball sein Objektiv trifft und dieses ihm das Auge zerstört«, sagte er, »würde ich das als durch Reuters versichert ansehen«. Reuters’ Versicherung deckt Crisp zufolge die gesamte Agentur ab und ist nicht auf einzelne, namentlich festgelegte Fotografen beschränkt.

»Reuters hat sich ziemlich gut um mich gekümmert«, bestätigt die amerikanische Fotojournalistin Corinne Dufka, die als »Super-Stringer« der Agentur galt und 1993 bei ihrer Arbeit auf dem Balkan verwundet wurde. Damals hatte sie nicht einmal einen schriftlichen Vertrag, doch Reuters »flog mich aus und hat alle medizinischen Kosten übernommen. Die stillschweigende Übereinkunft war, dass sie, wenn man in einem Kriegsgebiet arbeitet, für alle medizinischen und sonstigen Kos­ten aufkommen würden, auch wenn das nicht niedergeschrieben war.« Und sie erzählt, dass Reuters sich immer um Stringer und Staffer in Risikogebieten gesorgt habe. Als sie 1996 aus Liberia die Fotostrecke schickte, für die sie später den World Press Photo Award bekam, meinte ihr damaliger Chef am Telefon zuerst, er sei in Sorge, sie würde »zu dicht an das Geschehen der Story« herangehen. Und erst dann gratulierte er ihr zur Intensität der Bilder.

SELBSTHILFE BEI RISIKO!

Auch die Associated Press unterhält eine Art offener Versicherung sowohl für Staffer als auch Freie, die in Risikogebieten arbeiten. Um dem Fotografen diesen Schutz zu gewähren, braucht der zuständige Büroleiter nur im New Yorker Hauptquartier zu veranlassen, den Namen des Fotografen für den betreffenden Zeitraum auf die Versicherungsliste zu setzen. Manchmal aber können selbst solche einfachen Schritte unterbleiben, wie es die 26-jährige russisch-amerikanische Fotografin Yola Monakhov erlebte. Sie hatte nach Beginn der neuen Intifada in Israel zuerst auf eigene Faust für verschiedene Zeitungen und für Reuters gearbeitet, bis sie im November 2000 spontan und nur auf mündliche Absprache einen zweiwöchigen Vertretungsjob von AP bekam.

Bereits am ersten Tag wurde sie von einem israelischen Soldaten gezielt beschossen, als sie Steine werfende Palästinenser fotografierte. Das Projektil traf Monakhov in den Unterleib, verletzte einige Organe und Nerven und blieb in ihrer rechten Hüfte stecken. Die Fotografin hatte weder eine eigene Versicherung, noch hatte man sie auf die Liste der Versicherten gesetzt. AP ließ sie zwar in ein Jerusalemer Krankenhaus bringen und bewirkte, dass die israelische Regierung die volle Verantwortung übernahm und alle Kosten abdeckte – auch die zukünftigen, die wegen des permanenten Nervenschadens nötig sein werden. Doch dadurch entfiel auch die weitere Zuständigkeit der Agentur. Bis jetzt hat der Zwischenfall die AP gerade mal das Honorar für Monakhovs zweiwöchigen Einsatz gekostet. Und das waren 150 Dollar pro Tag – ungefähr dieselbe Bezahlung, die ein Freelancer in den USA für seine Berichterstattung von einem Sportereignis bekommt.

Selbst wenn sich die Dinge wie im Fall Monakhov positiv regeln lassen: Horst Faas – selbst in Vietnam verwundet – würde ihr und jedem anderen Fotografen dringend zu einer eigenen Versicherung raten, bevor sie auf den nächsten Einsatz gehen. »Ich habe die letzten 20 Jahre damit verbracht, Leuten zu sagen, ‚Kümmert euch um diesen Kram‘. Ein Pauschalist wäre wohl beraten, sich ziemlich eingehend darüber zu informieren, was von der Versicherung abgedeckt wird.« Sogar für normale Inlandeinsätze bauen Versicherungen diverse Schlupflöcher in das klein Gedruckte ihrer Policen ein. »Wird ein Pauschalist bei einem Krawall in Hamburg von einem Stein getroffen«, meint Faas, »würden einige Versicherungen das als ein Problem ansehen. Und kein Mensch weiß, ob deutsche Versicherungen irgendwas geben würden, wenn ein deutscher Fotograf in Israel verletzt wird.«

Und selbst die fest Angestellten von AP wären Faas zufolge gut beraten, wenn sie neben der Versicherung durch die Agentur auch selbst noch Vorsorge treffen würden. »Wenn man Staffer ist, zahlen die ihm zwar das Gehalt weiter, und er kriegt eine Art Invalidenrente oder sowas, aber das genügt bei weitem nicht.« Ähnlich sieht es Wolfram Steinberg von AP Deutschland, dessen Freund, der AP-Pauschalist Hansi Krauss, 1993 bei einem Einsatz in Somalia von einem wütenden Mob getötet wurde – er nimmt es mit der Frage sehr genau, wen er auf welchen Einsatz schickt. »Staffer sind gut abgedeckt«, sagt Steinberg. »Mit Pauschalisten ist es eine etwas schwierigere Geschichte. Nach der Erfahrung mit Hansi ist es so, dass ich ungerne freie Mitarbeiter in Krisengebiete schicke, weil gerade in diesen Situationen bestimmte Sachen nicht ausreichend geklärt sind.«

LEHREN AUS DEM ERNSTFALL

Gewiss gibt es positive Beispiele, dass sich Agenturen für ihre Freelancer eingesetzt haben, auch wenn sie rein juristisch dazu nicht verpflichtet gewesen wären. Doch dass ein solches Verhalten keineswegs die Regel ist, zeigt der Fall des britischen freien TV-Kameramanns Rory Peck. Der ehemaliger Armee-Offizier begann 1987 für Fernsehsender zu arbeiten. Je mehr er über Kriege berichtete, sagt seine Witwe Juliet, desto besser wurde er. »1991, als wir nach Moskau zogen, herrschte bei den Fernsehanstalten große Nachfrage nach seiner Arbeit. Wann immer irgendwo etwas passierte, riefen sie uns an und sagten, ‚Wir haben gehört, dass Abchasier eine Offensive gegen die Georgier starten, oder dies und das geht in Nagorni-Karabach vor sich. Fahren Sie hin?‘ Und so fuhren wir hin, kamen zurück, und sie sagten, ‚Toll, wirklich klasse, Sie sind großartig.‘«

Als Rory Peck im Oktober 1993 in Moskau getötet wurde, während er für die ARD die Revolte gegen Präsident Jelzin filmte, war er wie so viele andere Freelancer nicht von einer umfassenden Versicherung gedeckt. Juliet Peck – selbst Journalistin – und ihre sechs Kinder fanden sich in »etwas schwierigen Umständen« wieder, denn es gab nur eine einfache Standard-Versicherung. »Als es schief ging, war es plötzlich niemandes Verantwortung mehr. Man war vor Ort, weil man dort sein wollte, nicht weil man ermutigt worden war, dort hinzugehen. Und obwohl sie sehr dankbar waren für alles, das in der Vergangenheit produziert worden war, war es jetzt an der Zeit zu sagen, ‚Vielen Dank, Juliet. Uns hat Rorys Arbeit gefallen. Wir bewundern wirklich, was er getan hat, aber wir hatten keine Versicherungspolice für Sie. Jetzt gibt es keine Arbeit mehr, und wir hoffen, Sie kommen gut durch.‘«

Juliet bekam gerade einmal 35.000 Pfund – damals ungefähr 70.000 Mark – und einen Händedruck vom Sender. Sie muss dabei eine Art hässliches Déja-vu gehabt haben, denn auch ihr erster Mann, John, war als Fotograf während eines Einsatzes in Pakistan getötet worden, wo sie später Rory kennen lernte.

Doch Pecks Tod, die unzureichende Versicherung, der finanzielle Druck und die Reaktion des Senders forderten seine Witwe heraus. Mit Unterstützung von Freunden und ihrer Familie gründete Juliet eine Stiftung zum Gedenken an Rory und zur Würdigung anderer herausragender Freelancer und Filmemacher: den »Rory Peck Trust Fund«. Ein Ziel ist die Schaffung eines Versicherungsfonds für internationale Freelancer, der vor allem die Risiken bei Kriseneinsätzen abdecken soll. Inzwischen wird die Stiftung von mehreren großen Organisationen und Medienkonzernen unterstützt, darunter das Freedom Forum, BBC, CNN, ITN und Associated Press Television Network, das nach dem gewaltsamen Tod ihres Kameramanns Gil Moreno in Sierra Leone hart kritisiert worden war.

Nach fünfjähriger Arbeit gibt es diese Versicherung zwar noch nicht, doch ist in den Firmen das Bewusstsein für die Risiken ihrer Mitarbeiter draußen im Einsatz deutlich gewachsen. Im November 2000 haben APTN, BBC, CNN, ITN und Reuters gemeinsame Sicherheitsrichtlinien für Journalisten in Kriegsgebieten erstellt, und die beziehen ausdrücklich Freelancer mit ein. Es ist nicht garantiert, dass sich Reuters oder AP insgesamt der Position ihrer TV-Tochterfirmen anschließen – aber zumindest ein Problembewusstsein konnte in einzelne Bereiche der großen Konzerne hineingetragen werden.

Schon jetzt unterstützt die Rory-Peck-Stiftung Freelancer aus der ganzen Welt finanziell, um ein spezielles Gefahrentraining für Einsätze in »High Risk Areas« absolvieren zu können. Und einer der internationalen Nachrichtendienste bezahlt bereits seinen freien Fotografen die Teilnahme an diesen teuren Kursen. »Wir senden niemanden in eine potenziell gefährliche Situation, der nicht dieses Training absolviert hat«, sagt Reuters-Fotochef Crisp, »sei es ein Staffer oder ein Freelancer. Reuters nimmt seine Verantwortung für jeden Fotografen in einem feindseligen Umfeld sehr ernst.«

Associated Press scheint die Sache etwas anders zu sehen. Mike Feldman meint, er schicke keine Stringer durch das Training und plane dies auch nicht, da er ohnehin niemanden in gefährliche Ein­sätze entsende, der nicht in irgendeiner Weise bei der Agentur angestellt sei. Was aber »angestellt« bedeutet, wird von seiner Firma recht weit ausgelegt.

RESTRISIKEN DAHEIM

Und in Deutschland? »Im Moment sehe ich keinen Stringer in Deutschland, den ich zum Training schicken möchte, weil ich hier keine Krisenstringer aufbauen möchte«, sagt Wolfram Steinberg von AP in Frankfurt über seine Pauschalisten. »Die wollen da raus, aber für meine deutsche Operation bin ich sehr vorsichtig, sie in Krisengebiete zu schicken. Wenn ich einen freien Fotografen in ein Krisengebiet schicken muss, habe ich ein schlechtes Gefühl.«

Für im Auftrag von dpa oder ddp tätige freie Fotografen ist das Risiko eher gering, in einem Krisen- bzw. Kriegsgebiet zu Schaden zu kommen – einfach weil diese zumeist nur national operierenden Firmen solche Situationen seltener abdecken als die weltweit tätigen Agenturen. Doch sind sie ebenso verwundbar wie andere Fotojournalisten, wenn sie von Hooligans geschlagen, bei Demonstrationen von einem Polizeiknüppel getroffen werden oder stürzen, wenn sie rückwärts vor einem Politiker hergehen. Doch mit der sich verändernden Rolle Deutschlands in der Nato und im Rahmen von UN-Missionen werden sich die Stringer häufiger entscheiden müssen, ob sie risikoreiche Jobs annehmen wollen. Zumindest dpa hat bereits einmal einen Stringer auf den Balkan geschickt.

Bleiben die »Restrisiken« daheim. Die Manager von drei großen bundesdeutschen Nachrichtendiensten konstatieren, dass ihre Firmen den Freelancern zur Seite stünden, wenn denen etwas passiere oder sie Probleme mit der Ausrüstung, haben. »Natürlich lassen wir keinen Mitarbeiter im Regen stehen«, sagt Bernd von Jutrczenka für ddp. Und Bilderdienstleiter Hans-Peter Hill meint über die Situation bei dpa: »Grundsätzlich müssen Pauschalisten sich selbst versichern als selbstständige Unternehmer. Aber es ist natürlich auch klar, dass wir Kollegen helfen, wenn sie wegen ihrer Arbeit für uns einen finanziellen Nachteil erleiden.« Es bleibt zu hoffen, dass kein Ernstfall diese Worte auf die Probe stellen wird.

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Tracy Baker
arbeitete als Fotograf für mehrere internationale Nachrichtendienste und Agenturen sowie für Zeitschriften, Tageszeitungen und Firmen.