Magazin #28

Wie Bilder zu Botschaften werden

Wolfgang Behnken wechselte von der Art-Direktion des Stern und Max in die Welt der Kundenkommunikation. Über seinen Umgang mit Fotografie und Marketingleuten berichtet er im Interview

Interview – Manfred Scharnberg
Fotos – Uwe Martin

Manfred Scharnberg: Haben Sie den Einstieg in die Eigenständigkeit bereut?

Wolfgang Behnken: Nein, ich fühle mich pudelwohl. Die Arbeit beim Stern habe ich geliebt. Auch wenn ich mir manchmal wie Sisyphus vorkam, fand ich es prickelnd, mit guten Leuten an immer wieder neuen Themen zu arbeiten. Auch die publizistische Macht, die schier unbegrenzten Möglichkeiten – das war alles verdammt verführerisch. Dennoch überlege ich mir manchmal: Vielleicht hätte ich doch früher den Stern verlassen sollen? Meine Arbeit für das Blatt war ausgereizt, siehe Sisyphus. Besser konnte es nicht werden. Auch zeichnete sich damals schon die strukturelle Krise am Horizont ab, mit der Konsequenz, dass der Spielraum für die Optik und mich enger werden würde. Doch ein Magazin wie den Stern verlässt man nicht einfach. Kollegen hatten immer geunkt, dass man den Behnken eines Tages mit den Füssen voraus aus der Redaktion tragen würde. Aber es ist ja anders gekommen, und jetzt haben wir uns hier ein sehr interessantes Feld geschaffen. Durch die Krise der Verkaufszeitschriften ist es eher möglich geworden, guten Journalismus auch in Kundenzeitschriften zu betreiben. Die wirklich interessanten Dinge wird man immer öfter außerhalb der klassischen Zeitschriften finden.

Wie groß ist der Unterschied statt für Redaktionen für Kunden aus der Wirtschaft zu arbeiten?

Einerseits enorm, andererseits aber auch identisch. Auch beim Stern musste ich immer meine Ideen verkaufen, musste um die Eigenständigkeit der Art-Direktion und der Optik kämpfen. Ich habe mich inhaltlich sehr eingemischt, was nicht immer auf Gegenliebe bei den Kollegen in der Chefredaktion stieß.

Heute habe ich es mit Marketingmenschen zu tun, die in Design- und Werbekategorien denken. Die Sprache in der sie kommunizieren, ist werblich und vom Marketing geprägt.

Angesichts meiner weißen Haare sind diese jungen Dachse aber ganz höflich interessiert und sicherlich auch neugierig auf den »Dino« aus dem Magazingeschäft. Anfangs sieht man aber noch eine gewisse Ratlosigkeit in ihren Augen, wenn wir journalistisch argumentieren.

Wir wollen überzeugen, sie wollen verkaufen. Aber sehr schnell raufen wir uns zusammen, und es überwiegt das Interesse an unserer journalistischen Arbeit.

Wie beratungsresistent sind Wirtschaftskunden?

Bislang haben wir gute Erfahrungen gemacht, unsere Produkte und Ideen an den Mann zu bringen – vor allem wenn man das Glück hat, auf Entscheider-Ebene zu präsentieren. Natürlich macht mein Hintergrund, also die Zeit beim Stern und bei Max, es leichter, dass wir Zugang zur Führungsebene bekommen. Aber letzten Endes kommt es doch immer darauf an, eine gute Idee überzeugend vorzutragen.

Auf welche Gegensätze stößt man dabei?

Bei dem ganzen Getöse um Design und schöne Gestaltung machen sich Marketingleute häufig keine Gedanken darüber, ob das Thema, das zu erzählen ist, tatsächlich transportiert wird und auch den Leser erreicht. Wir schon. Journalismus ist eine zeitgemäße Form, komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge zu vermitteln. Dass Unternehmen dabei oft gut weg kommen, ist doch klar, denn die gute Nachricht wirkt auch auf das Unternehmen ein.

Wenn Marketingleute Strategiegespräche führen, ist es für mich eigentlich nur das, was man als Journalist mit der Muttermilch aufgesogen hat: Die Fakten zusammentragen, entscheiden, was und wie man erzählen will, und das interessant und »lecker« für den Leser umsetzen.

Was hat sich durch das neue Arbeitsfeld für Sie verändert?

Beim Stern gab es immer eine klare Hierarchie, wie Geschichten aufgebaut sind. Das Layout hatte eine dienende Funktion. Es verkaufte die Geschichte. Versuchte ein Grafiker mit seinem Layout die Geschichte zu übertönen, gab es Ärger mit mir. Grafikdesign war für mich eine Station auf dem Weg zum Gesamtkunstwerk Print. Aber inzwischen lege ich mehr Wert auf eine starke Gestaltung und Identität des Produktes, sprich dem unverwechselbaren Gesicht. Beim Stern war ich der Gralshüter des Stern-Gesichtes, das von Generationen von Fotografen und Grafikern geprägt war. Jetzt ist es die Herausforderung, jedem Produkt ein neues Gesicht zu geben.

Ist eine hochwertige Optik im Corporate Publishing möglich?

Sicherlich. Qualität ist das A und O unseres Geschäftes. Wir setzen unsere Geschichten mit erstklassigen Fotografen und Autoren um und nicht mit irgendeinem Agenturbild von Fotofix. Wir verkaufen unsere Themen so intensiv wie möglich. Damit meine ich: Wir arbeiten so lange am Layout, bis die Bild-Textkombination für das Produkt optimal ist. Mit einer klassisch-modernen Bildsprache und in einem schnörkellosem Layout.

Als Cover für Ihre Imagebroschüre haben Sie das Foto eines DHL Boten auf einem Skateboard gewählt. Soll es bedeuten: Wir sind eine kleine Firma, die Großes stemmt?

Das auch, aber alles im Rahmen und mit Augenmaß. Es erzählt etwas über unseren Umgang mit Fotografie. Dieses Foto von Frieder Blickle steht für unsere Botschaft, die wir rüber bringen wollen, unser Verständnis von »Performance and Creativity«. Es erzählt auf eine hoffentlich sympathische Art eine Geschichte von menschlicher Cleverness, Spontaneität, Unternehmergeist und guter Laune – Begriffe, die wir gerne mit unserem Büro in Verbindung bringen. Ein Foto, das nichts erzählt, ist ein langweiliges Bild.

Ist das allgemein üblich?

Selten, beim Visualisieren von Zeitschriften wird häufig der Fehler gemacht, die Optik auf Symbole zu reduzieren. Egal wer abgebildet wird, die Person wird gestylt, geschminkt und bedeutungsschwanger platziert. Das mag ästhetisch aussehen, ist aber oft völlig austauschbar. Ist der Abgebildete ein Hollywood-Schauspieler, ein Fußballer, oder ein Politiker? Die Macher misstrauen den Menschen und vertrauen dem Photoshop. Das ist ein Übel, denn diese Bilder erzählen nichts mehr, sie zeigen ein Image, ein Wunschbild. Diese schlechten Porträts begnügen sich mit der äußeren Hülle und dringen nicht zum Kern des Menschen vor.

Also die Fortsetzung der Hofmalerei mit anderen Mitteln?

Manchmal schon. Aber Sie unterschätzen, dass die Hofmalerei große Bilder hervorgebracht hat, wie heute auch die Auftragsfotografie. Es ist das Verständnis von Qualität, das dringend einer Korrektur bedarf. Qualität ist unter die Schwachomaten und Strategen geraten.

Ist das die Schuld der Fotografen?

Es ist eine Bildauffassung, die bei einigen Bildredakteuren und Art-Buyern Konjunktur hat, die vielleicht Angst vor der Emotionalität des Bildes haben. Don’t touch me. Mich wundert es manchmal, wenn bestimmte Fotografenbücher gefeiert werden, wo ich nur tödliche Langeweile sehe. Der Blick sei so intensiv, heißt es. Dabei stehen die Leute nur cool in der Landschaft herum und glotzen entrückt in die Gegend. Mit möglichst großem Format zu fotografieren, macht noch lange kein gutes Foto. Eine Porträtserie von Soldaten, die in den Irakkrieg ziehen, fällt mir dafür als Beispiel ein. In solch distanzierten Bildern kann ich eigentlich nur gähnende Langeweile und Kunsthandwerk entdecken. Welche Kraft haben dagegen die Fotos der Reporter, die den Irakkrieg unmittelbar erlebt haben.

Das soll keine Herabwürdigung einer fotografischen Auffassung sein – nur, die interessiert mich einfach nicht.

Wie steht es da mit den Büchern, die Sie gestalten?

Mit Christian Irrgangs Buch z.B. versuchen wir zu ergründen, wer Bundespräsident Horst Köhler ist – als Mensch, als Politiker. Die Fotos von Christian sind die eine Seite, die Texte von Mankell, Niedecken und von Weizsäcker zum Beispiel, die andere Seite der Medaille, um der Person Köhler näher zu kommen.

Ich glaube nicht mehr an reine Fotobücher. Die Bilder müssen durch gute Texte komplettiert werden. Es ist eine Annäherung von zwei Seiten an die Person. Die Summe aus Bild und Text ergibt dann ein hoffentlich interessantes Porträt.

Wenn man überhaupt Fotografenporträts als Buch auflegen will, müssen diese klar thematisch definiert sein. Es muss die Person des Fotografen und den Hintergrund seiner Arbeit transparent machen. Ästhetik pur ist nur etwas für Art-Direktoren und Friseure.

Bei einem Corporatebook setzt man nicht platt das Unternehmen eins zu eins um, sondern versucht mit einer intelligenten Idee den Kern des Unternehmens, das was die Seele ausmacht, in ein nachhaltiges Printprodukt umzusetzen: eben ein Buch.

Bild und Text gehören also zusammen?

Unbedingt. In meinen Augen ist es ein falsches Verständnis von Bildern, wenn man auf pure Fotografie setzt und keinerlei Text zulässt, höchstens hinten als Bildlegende. Das mag dann zwar edel aussehen, ist aber ohne Sinn. Selbst in der Kunst haben Bilder einen Titel. Die Attitüde mancher Fotografen, ihre Bilder völlig ohne Text abzudrucken, finde ich absolut daneben. Ich liebe die Kraft, die guten Fotos inne wohnt. Dennoch bleiben sie für mich ein Mittel der Kommunikation, eine Form des Erzählens.

Und wie beurteilen Sie die Entwicklung bei den Illustrierten?

Da hat man kräftig sein Image ruiniert. Es ist sehr mühevoll ein Markenbild aufzubauen – aber es ist ganz leicht es wieder zu zerstören. Gerade im Journalismus kann man Abwärtstrends nur sehr schwer wieder umkehren.

Die Zeitschriftenkrise ist aber nicht ausschließlich auf den Markt zurückzuführen, sie ist auch von Menschen gemacht. Entscheidungen werden oftmals durch Angst gesteuert. Dass Wagemutiges nicht gerade von den jungen Redakteuren kommt, die sich von Jahresvertrag zu Jahresvertrag hangeln müssen, darüber braucht man sich nicht zu wundern. Allerdings, wenn man so wie ich, das unfassbare Glück hatte, in einer prosperierenden Zeit gearbeitet zu haben und aus dem Vollen schöpfen konnte, dann kann man natürlich auch eine dicke Lippe riskieren.

Es gibt allerdings ermutigende Entwicklungen bei kleinen Nischenprodukten und Tages- und Wochenzeitungen, die durch intelligentes Design und phantasievollen, originellen Umgang mit Bildern und Qualität, trotz Bedrohung durch das Internet, Erfolg haben.

 

Wolfgang Behnken

 

»Behnken & Prinz, Büro für Magazin-Entwicklung, Design und Unternehmens-Kommunikation«, heißt das Unternehmen, das Wolfgang Behnken, 64, Und Leonard Prinz seit 2007 gemeinsam betreiben. Prinz ist Autor und Redakteur, arbeitete bereits für renommierte Zeitungen und Zeitschriften. Behnken prägte als Art-Direktor und Mitglied der Chefredaktion 30 Jahre lang die Optik des Stern – wie auch später die von Max als Mitherausgeber und Art-Direktor.

Für Kunden wie die Deutsche Bank entwickelt das Büro Zeitschriftenkonzepte. Verlage und Wirtschaftunternehmen beauftragen es mit Redesigns. Ein anderer Schwerpunkt des Büros ist die Konzeption und Gestaltung von Büchern, in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Verlagen.

Dazu gehören unter anderem »Horst Köhler, der Mensch, der Präsident«, Fotos von Christian Irrgang, »Mensch, Schröder« fotografiert von Dieter Blum und Konrad R. Müller, »Berliner Philharmoniker« von Dieter Blum, sowie das Buch der Bilderberg Fotografen »Augenblick Deutschland« und den Büchern »Sichere Energie im 21. Jahrhundert« für Hoffmann und Campe und »Energie Zukunft« für die Viessmann Werke.

Neben Design- und Ausstellungskonzepten entwickeln Behnken & Prinz spezielle Kommunikationsstrategien für Unternehmen.