Magazin #17

Wem gehört der Eiffelturm?

Vorbei die Zeiten, als Fotografen gleich Jägern auf der Suche nach Bildern unbeschwert durch Paris, Rio oder Wuppertal zogen. Weltweit machen Vorschriften und Einschränkungen spontanes professionelles Fotografieren schwieriger – und teuer.

Text – Karl Johaentges

Vorbei auch die Zeiten, als wir uns ungestraft das Einverständnis zum Porträt durch ein paar freundlich gestammelte Worte in Chinesisch erkauften und das Lächeln und Nicken unserer Modelle in den Anden oder am Mekong als Zustimmung werten konnten.

Besonders im benachbarten Frankreich sind die Bandagen für Fotografen hart geworden. Dort ist die neue Bildsprache der Unschärfe und verwischten Personen nicht nur ein moderner Trend, sondern Folge der enorm gestiegenen Schadensersatzforderungen. Diese Entwicklung ist nahezu weltweit zu beobachten, und wir müssen uns darauf einstellen, unseren spontanen Models Unterschriften abzuluchsen und selbst aktenordnerweise Permits einzuholen. Außerhalb des Studios werden wir also mittelfristig zunehmend eine Zunft der Antragsteller werden. Den Verlagen ist dieses Problem längst bewusst, und sie versuchen, mögliche Folgen auf die Fotografen abzuwälzen. Und wenn wir blind Verträge unterschreiben, in denen wir erklären, dass unsere Bildwerke nicht Rechte Dritter verletzen, sind zumindest die Auftraggeber aus dem Schneider.

NAIV MIT STATIV

Das »Recht Dritter« bezieht sich nicht nur auf das Ablichten von Personen, sondern zunehmend auch auf Gebäude, ja Landschaften – hier wird der Horizont ebenfalls dunkler. Beginnen wir unsere Reise im Geburtsland der Fotografie und im Geburtsort von Magnum, in Paris. Die Grande Nation hat in jeglicher Hinsicht eine restriktive Haltung. Bis vor drei Jahren war es behördlich gar verboten, mit einem Stativ im öffentlichen Straßenraum zu fotografieren, gleichgültig, ob man vor einem Milchladen in der Rue de Rivoli oder vor der Nationalbibliothek stand. Vorgeschobener Grund: Gefährdung der Sicherheit und Störung im öffentlichen Raum. Fotografen wie Fernsehteams waren gezwungen, bei der Mairie de Paris tagelang im Voraus und auf die Stunde genau terminiert entsprechende Anträge zu stellen. Die Lockerung der Verordnung hat sich bis heute jedoch noch nicht bei allen Gesetzeshütern herumgesprochen, und so wird man vereinzelt noch immer zum Zusammenklappen des Stativs aufgefordert.

Obwohl praktisch fast jeder Parisbesucher eine Kamera um den Hals trägt, haben es Profifotografen hier besonders schwer. In den heiligen Hallen des Louvre verbreiten tagtäglich abertausende Pocketblitze ihre Leitzahl, und das Lächeln der Mona Lisa muss vorsorglich durch stark gefiltertes Panzerglas vor dem gewaltigen Lichtgewitter zehntausender Besucherkameras geschützt werden. Aber eine Nachtaufnahme der Louvre-Pyramide? Das scheint spontan nur unter Guerillabedingungen möglich. Sobald man sich der Glasskulptur naiv mit einem Stativ nähert, stürzt auch schon ein uniformierter Wachmann herbei. Professionelles Fotografieren verboten! Das Stativ gilt quasi als Ausweis für Professionalität, und deshalb lassen die Jungs nicht mit sich reden, sondern verweisen auf die Pressestelle. Da hilft nur die Methode von Henri Cartier-Bresson: gute Voraussicht, schnelles Arbeiten – und dann schnell abtauchen.

Grund der Verhinderung: die Urheberrechte des Architekten. Dieser erhält nicht nur ein Planungshonorar; bis 60 Jahre nach seinem Tod steht dem Architekten in Frankreich sogar für jede Publikation eines von ihm entworfenen Gebäudes ein Honorar zu (was mich als Ex-Architekten besonders wehmütig berührt). Der Louvre wie auch Architekt Ieoh Ming Pei sollen und wollen bei jedem Image mitverdienen. Dessen ungeachtet wirbt gerade dieses Wahrzeichen auf zahllosen Titelseiten und in großformatigen Fotostrecken für die Stadt an der Seine. Die meisten dieser Bilder sind genau genommen illegal entstanden, aufgenommen von als Touristen getarnten Profis, die nur ihren Job tun: gute Bilder einer Stadt zurückzubringen.

Im Permitdschungel

Während der Produktion für meinen Bildband Unter Pariser Dächern (1997) wurde eine gute Logistik der Schlüssel zum Erfolg. Wie gelange ich an Fotogenehmigungen für Innenräume? Wie kann ich Verhinderungen umgehen? Wie komme ich zum richtigen Zeitpunkt über die Dächer? Mit Unterstützung des Goethe-Instituts habe ich zahllose Briefe geschrieben und nach Wochen und Monaten (meist) Genehmigungen erhalten. Die waren nur in wenigen Fällen kostenpflichtig, denn ich genoss nach einigen Vorstellungsgesprächen die wohlwollende Unterstützung der Stadtverwaltung. Was mich nicht vor Verhinderungsversuchen und unvorhergesehenen Kosten schützte. In nichtöffentlichen Räumen – oft Hochsicherheitszonen – steht eine Genehmigung natürlich außer Frage. Dass Arbeitszeiten der Personen, die mich oft stundenlang über die Dachhäute der Pariser »Monuments Nationals« begleiteten, in Rechnung gestellt werden, erscheint mir auch nicht beklagenswert. Für den Feuerwehrmann Frédéric, der mich geduldig über und unter den Dächern der alten Bibliothèque Nationale führte, habe ich gerne 100 Francs pro Stunde bezahlt. Beim Fotografieren auf dem Top der Hochhaustürme der neuen Bibliothèque de France standen allerdings zusätzliche Honorare an. Sie hätten das Budget meines Bildbandes gesprengt; es waren wiederum die Architektenansprüche. Ein Ausflug unter die Kuppel des Panthéon wurde mir sogar für 2.700 Francs angeboten – ich verzichtete auf die Aussicht.

Für ein einstündiges photo shooting von einer Dachterrasse des Louvre-Westflügels kündigte die Verwaltung eine Rechnung über tausend Francs an – gesetzt den Fall, ich richtete meine Kamera nach Norden. Die Schuss nach Süden zur Seine war mehr als doppelt so teuer, denn hier befindet sich auch die Glaspyramide. Ich lehnte ab und fotografierte von einem nahen Hotel.

Aber damit nicht genug. Den Kellner im benachbarten Café unter den Louvre-Arkaden zu fotografieren, scheint einfach. Man betritt das Café, wendet sich an einen Angestellten; der nickt vermutlich mürrisch und ruft den Manager. Der nickt nach ein paar Erklärungen ebenfalls, und es kann losgehen. Was ich nicht bemerkte: Der Manager beobachtete meine Arbeit mit Argwohn und schritt genau in dem Augenblick ein, als ich den Garçon in Linie mit der Glaspyramide des chinesisch-amerikanischen Schöpfers Pei brachte. »Das bringt uns nur Probleme, wenn Sie uns mit der Pyramide ablichten«, lautete der Kommentar.

Da sollte doch wenigstens der Eiffelturm unproblematisch sein. Gustave Eiffel ist nun schon fast 80 Jahre tot, und man fotografiert doch vom Marsfeld, von öffentlichem Raum aus, juristisch gesprochen: Gemeinraum. Weit gefehlt – diesmal werden von den Betreibern die Createure der Lichteffekte vorgeschoben, denn die sind noch nicht gestorben. So erstritt auch die Beleuchtungsfirma des gigantischen Torbogens Grande Arc an der La Défense kürzlich eine Schadensersatzsumme von 36.000 Euro gegen einen Postkartenhersteller, der eine Nachtaufnahme des gigantischen Bürotorbogens an Touristen verkaufte. Und der hat womöglich wieder den Fotografen zur Kasse gebeten.

PROBLEME IN DER PROVINZ

Verlassen wir das bis unters Dach verordnete und vermarktete Paris und fahren aufs Land, in die Auvergne. Dort gibt es den Vulkan Pariou – gehört er allen? Immobilientechnisch sicherlich nicht, aber visuell? Seit 1999 ist das nicht mehr sicher. 109 Vulkangrundstückseigentümer haben sich damals zusammengeschlossen und eine Klage gegen die Agentur La Photothèque angestrengt, um wegen der Verwendung einer Luftaufnahme »ihres« Vulkans für Werbezwecke eines Autoherstellers knapp 30.000 Euro Schadensersatz einzuklagen. Ist das unser Horizont?

Die Tücken können überall lauern. Im pittoresken Collioure an der Côte Vermeille müssen sich Fotografen in Acht nehmen. Dort liegen am Hafen einige in den typisch katalanischen Farben bemalte Boote vertäut, die immer wieder dazu verlocken, auf den Auslöser zu drücken. Das bleibt – bei Veröffentlichung – nicht ohne Folgen. Denn der Besitzer eines der Boote nimmt für sich in Anspruch, die Bemalung – obwohl entsprechend der Tradition erfolgt – sei seine persönliche kreative Leistung und folglich urheberrechtlich geschützt. So verklagte er im August 2001 einen Postkartenverleger auf 10.000 Francs Schadensersatz und bekam Recht. Ein freies Fotografieren ist in Collioure also nicht mehr möglich – und niemand fragt, wieso der Mann sein Boot dort öffentlich zur Schau stellen und damit den Fotografen das Recht auf freie Ausübung ihres Berufes einschränken darf. Soll er das Boot doch entfernen, wenn es nicht fotografiert werden soll, meint der gesunde Menschenverstand dazu. Wem also gehört die Öffentlichkeit, der öffentliche Raum? Interesse an einer Vermarktung haben viele – so auch die Architekten des Rathauses von Lyon, die bei gewerblicher Verwendung der Bilder von der Place des Terreaux gern gegen die Fotografen vor Gericht ziehen.

Alle diese Schadensersatzforderungen beziehen sich auf Artikel 9 des Code Civil, also das französische Äquivalent zum Bürgerlichen Gesetzbuch, in dem das Recht am eigenen Bild sehr umfassend geschützt wird. Vor allem die Pressearbeit wird dadurch massiv behindert. Die zuständige Ministerin beruft sich gegenüber den französischen Fotografen darauf, das französische Recht müsse dem europäischen angepasst werden. Bleibt abzuwarten, ob das den Kollegen im Nachbarland dann die Arbeit wieder erleichtert.

NATUR GEGEN GEBÜHR

Alles, was nicht im Fotoalbum landet, gilt nach dieser Logik als gewerbliche Fotografie – ob Reportage, Magazinfotografie und erst recht Stock-Material. Ist nun die Ablichtung der Pariser Ikonen für eine Stock-Agentur das Recht des freien Fotografen, oder dürfen sich die Eigentümer dieser in keiner Parisgeschichte fehlenden Klischees der Grande Nation bedienen? Gilt ein »sorgfältig komponiertes« Foto des Eiffelturms als »Kunstwerk«, als »Abbild der Wirklichkeit«, als »Abbild eines Werkes«? Ist das geschaffene Bild nun »geistiges Eigentum« der Fotografen oder dem Architekten und Beleuchter verpflichtet?

Vielleicht liegt in der unklaren Antwort der Grund, warum – zumindest in Paris – dieses postulierte Recht nachträglich nur selten eingeklagt und meist nur durch Verhinderung präventiv gewahrt wird. Vielleicht aber auch, weil eine Stadt keine Goldesel vertreiben will, denn die Werbung, die unsere immer wieder neuen Fotos für diese Stadt bedeuten, ist unbezahlbar. Nichts lockt Touristen mehr als verführerische Bilder – das wissen die Eigentümer nationaler Ikonen ebenso wie die Magazine, die damit ihre Seiten füllen. Und trotzdem wird weltweit fürs Abbild kassiert oder zwecks Vorbeugung einfach das Fotografieren verhindert. Das Prinzip gilt global und breitet sich ungebremst aus.

In den USA wird die professionelle Natur- und Landschaftsfotografie erstaunlicherweise noch als nicht-kommerziell angesehen und ist gratis; nur Werbeaufnahmen sind kostenpflichtig. Auch in den Städten gibt’s meist keine Schwierigkeiten, solange man auf öffentlichem Grund und Boden arbeitet. Ein Permit für das Fotografieren auf der New Yorker Rockefeller Plaza ist zwar umsonst, doch muss man eine Haftpflichtversicherung über eine Million Dollar nachweisen – es könnte ja jemand zu Schaden kommen, und das Einklagen astronomischer Entschädigungszahlungen ist der Amerikaner liebstes Hobby.

Der südliche Nachbar Mexiko kassiert für das Ablichten seiner historischen Tempelanlagen von professionellen Fotografen 2.000 Pesos am Tag. Als Daumenregel gilt den Aufpassern die Gleichung Stativ = Profi, und so muss man auch im späten Abendlicht aus der Hand knipsen. Oder – so der Tipp eines Kollegen – am frühen Morgen ein Schmiergeld zahlen. In Kenias »Hell’s Gate« kostet ein Tag für einen Profi gar 500 US-Dollar.

Die Verfolgung der Bildurheber wird an der Themse noch lascher gehandhabt als an der Seine, und man tappt nur selten in eine Kostenfalle. In London kümmert sich selbst in den Museen kaum ein Aufpasser um uns Fotografen, im Great Court des British Museum (Architekt Norman Foster) erregt sogar ein Einbeinstativ keinen Widerspruch. Doch den Bahnhof Liverpool Station sollte man – so meine Erfahrung – mit Kamera besser meiden. 150 britische Pfund die Stunde verlangte die Pressestelle für Reportagefotos. Da spielt man doch lieber Fotoguerilla und geht anschließend beim Inder gut essen.

Auch die Australier stehen gebührentechnisch Gewehr bei Fuß. Beispielsweise forderte das Stadium of Australia in Sydney für das Entgegenkommen, vor der Olympiade ihre Sportstätte ablichten zu dürfen, folgende Leistung: eine Kopie von allen angefertigten Fotografien, einen Kontaktabzug der Negative und 25 Belegexemplare des Magazins. Dafür war es kostenfrei. Hört sich schon eher lustig an und ist – bislang – noch eine Formsache. Im Vordruck der Fotogenehmigung für die Plattform des Sydney Tower werden für ganztägige Shootings 500 Dollar als Gebührensatz genannt, bis zu 300 für einen halben Tag. Das soll aber Verhandlungssache sein, erzählen Kollegen. Doch auch hier unterschreibt der Bildproduzent, das Foto nur für den beantragten Zweck zu nutzen und keinesfalls in ein Stock-Archiv aufzunehmen oder weiterzugeben – für freie Kollegen inakzeptabel. Auch in Australiens Nationalparks sollte man sich als Fotograf darauf gefasst machen, bei allzu professionell aussehender Ausrüstung (sprich: Stativ und langes Tele) von einem der Ranger auf die Kommerzialität der Arbeit angesprochen zu werden. Denn die ist häufig melde- und kostenpflichtig und schlägt mit 200 australischen Dollar zu Buche. Pro Tag.

Der rote Felsmonolith im Red Center des Kontinents ist als Fotomotiv noch kostenfrei. Einen der Eigentümer – einen Aboriginal vom Stamm der Anangu – persönlich um das Posieren als Model zu bitten, ist strengstens untersagt, denn den Umgang mit den Ureinwohnern regeln inzwischen Rechtsanwälte und Formulare. Die per Gesetz neuen Eigentümer und »traditional owners« des berühmten roten Felsens zu fotografieren, ist auch in den Showräumen des Besucherzentrums strikt verboten. Will man beispielsweise für eine Reportage oder ein Buch über das Red Center einen australischen Aboriginal vor dem Uluru oder Ayers Rock porträtieren, muss man mindestens 28 Tage im Voraus einen entsprechenden Antrag stellen.

Die australischen Aborigines werden faktisch von den Managern ihrer »Land Claims« als Teil der »Sacred Sites«, der Landschaft eingestuft. Dass sich die ursprünglichen Bewohner des Landes gegen ungefragtes Fotografieren kamerabewehrter Touristen und eine nicht genehmigte Verwendung ihrer Bilder in der Werbung wehren müssen, ist verständlich. Dass sie allerdings in den Fotogenehmigungsanträgen irgendwie wieder zu Anhängseln ihrer heiligen Orte degradiert werden, ist traurige Kehrseite der Medaille. Vergessen ist längst, dass die Aborigines – die bis in die Neuzeit in fast unvorstellbar rassistischer Praxis und Rhetorik ins Aus gedrängt waren – erst durch die Unterstützung einer weltweit positiven Medienberichterstattung den ihnen zustehenden Anspruch auf einen Platz in der australischen Gesellschaft artikulieren konnten.

GELDFALLE MUSEUM

Doch genug der fernen Beispiele – auch das eigene Land soll nicht ausgelassen werden, denn hier besteht ebenfalls Grund zur Sorge. Will man beispielsweise für einen Berlin-Bildband ein stimmungsvolles Foto der Staatlichen Museen Stiftung Preußischer Kulturbesitz produzieren, muss man – wenn man es nicht gleich heimlich ablichtet – ein seitenlanges Formular ausfüllen und mit seiner Unterschrift Folgendes bestätigen: Der/ die Fotograf/in stellt dem Bildarchiv des Preußischen Kulturbesitzes innerhalb 14 Tagen einen Satz aller der im Rahmen des Vertrages gemachten Aufnahmen kostenfrei zur Verfügung und überträgt dem Archiv alle Nutzungsrechte. Die Stiftung will nach diesem Vertrag die Nutzungsrechte sogar ohne Zustimmung des Urhebers an Dritte weitergeben können. Darüber hinaus wird dem Fotografen für die Betreuung eine Aufwandsentschädigung von pauschal 50 Euro pro angefangene Stunde in Rechnung gestellt. Gute Nacht!

Doch die Berliner Museen sind keine Ausnahme – überall werden Fotografen bei den einfachsten dokumentarischen Aufgaben mittlerweile zur Kasse gebeten, sei es im Münchner Englischen Garten oder in den Immobilien der Bayrischen Schlösser- und Seenverwaltung. Als wären die Wieskirche oder Herrenchiemsee in deutschen Stock-Archiven der große Geldbringer.

Ein weiteres Beispiel demonstriert auch bei uns die nicht unproblematische Situation, dass das Handeln eines Künstlers im öffentlichen Raum gleichsam ein Fotografierverbot nach sich zieht: Als Christo der Reichstag verhüllte, durfte der eigentliche Vorgang durchaus fotografisch begleitet werden. Das fertige Kunstwerk allerdings gehörte ihm urheberrechtlich allein – die professionelle bzw. kommerzielle Fotografie war verboten. Verständlich, was die Vermarktung der kreativen Leistung Christos etwa durch Postkartenhändler angeht, schwer nachvollziehbar jedoch hinsichtlich einer journalistischen oder dokumentarischen Perspektive.

Auch die Bahn beschreitet neue Wege. Alle reden vom Wetter – sie nicht! Statt Fixhonorar fordert die Deutsche Bahn AG bei ICE-Aufnahmen eine finanzielle Beteiligung ein. Und beruft sich dabei auf das Geschmacksmusterrecht an den Zügen, das sie inne hat. Zehn bis 15 Prozent vom Nettoverkaufserlös müssen abgetreten, mindestens aber 10 Euro für den ICE 2 und 50 Euro für den ICE 3 berappt werden. Noch Unklarheiten?

ABBILD ODER WERK

Bleibt ein pessimistisches Fazit: Vor uns liegt eine Zukunft als Antragsteller – global wie national. Ob man nun ein briefmarkengroßes Abbild für einen Reiseführer liefert, eine Doppelseite in einem Magazin oder Bildband optisch bestückt oder fürs Bildarchiv arbeitet – der Akt des Auslösens wird zunehmend als kommerzielle Abbildung anderer Werke und nicht als eigenes künstlerisches Werk eingestuft. Entsprechend wird zur Kasse gebeten. Besonders betroffen sind freie Fotografen, vor allem, wenn sie mit ihren Auftraggebern nur Spesenpauschalen ausgehandelt haben. Fasst man die Erfahrungen der reisenden Kollegen zusammen, bleibt festzuhalten: War die Verhinderung von Bildwerken nicht erfolgreich und sind die Images erst einmal im Kasten, kräht bei Buchveröffentlichungen und Magazinen kein Hahn mehr danach. Bislang. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die Verlage das Risiko dieser Entwicklung auf den Fotografen abschieben. Das müssen wir vertraglich klarstellen (und auch per Lieferschein oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinweisen).

Ein Kollege aus den USA kam in einer weinseligen Diskussion zu einem etwas anderen Schluss: Wenn bei der Fotografie einmal die Kasse nicht mehr klingelt, könnte er ja mit Cowboy-Outfit und klapprigem Mustang an einem Aussichtspunkt am Monument Valley herumlungern, sich lächelnd fotografieren lassen und abends am Kamin in Magazinen nach seinen Fotos suchen – und klagen. Das brächte mehr als diese endlose Jagd durch den Genehmigungsdschungel. Gar nicht so abwegig!

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Karl Johaentges
wechselte vor fast 20 Jahren aus dem Architektenberuf in die Fotografie, gründete einen eigenen Verlag (KaJo) und arbeitet hauptsächlich an Bildbandproduktionen und Reisereportagen. Er ist Gründungsmitglied von LOOK.