Magazin #01

MAXimal über den Tisch gezogen

Andreas Wrede, Chefredakteur des Yuppie-Blatts MAX, gibt sich gern als Menschenfreund. Ob als Kämpfer für Tibets Freiheit, als Mitinitiator einer AIDS-Hilfe-Aktion oder als Streiter gegen Frankreichs Atomversuche. Doch in seiner Redaktion wird mit Fotografen gar nicht freundlich umgegangen.

TEXT – B. Kannt

Bei Auftragsvergabe legt die Bildredaktion dem Fotografen ein sechsseitiges Vertragswerk vor, das es in sich hat. Schon das Honorar liegt weit unter den branchenüblichen Sätzen. Einem Hamburger Kollegen gestand Max für einen sechstägigen Auslandsjob ganze 2000 Mark zu, inklusive Mehrwertsteuer. Das entspricht einem Tagessatz von knapp 312 Mark. Selbst Special-Interest-Magazine mit einer Auflage von nur 50.000 Exemplaren zahlen kaum unter 500 Mark Tageshonorar. Dabei hatte der Kollege noch Glück. Weil die in Auftrag gegebene Reportage in Wirklichkeit ein finanziertes Public-Relations-Stück war, übernahm ein führender Herrenmoden-Hersteller Reisekosten und Spesen. Denn normalerweise ist Vertragsinhalt bei Max ein Pauschalhonorar »einschließlich sämtlicher Auslagen«, bei dem der Fotograf allein das Risiko höherer Kosten trägt.

Aber selbst dieses Almosen müßte Max nicht zahlen, sollten der Redaktion die Fotos nicht gefallen. Denn Richter über die sogenannte »Schlechterfüllung« ist alleine Max. Das Magazin kann laut Vertrag eine Nachbesserung ablehnen und jede Zahlung unterlassen. Max kann den Fotografen noch für mögliche Mehrkosten haftbar machen, die sich aus der Ablehnung ergeben. Sagt der Verlag dagegen einen vertraglich vereinbarten Auftrag in letzter Minute vor Reisebeginn ab, so muß er dem Fotografen läppische zehn Prozent des vereinbarten Honorars zahlen; üblich sind mindestens 50 Prozent. Außerdem verlangt Max von seinen Fotografen alle Rechte an den Bildern – zeitlich unbegrenzt! »Das gesamte, im Auftrag des Verlages hergestellte Bildmaterial geht mit Abnahme in das Eigentum und den Besitz des Verlages über«, heißt es im Vertrag. Der Fotograf dürfe weder Kopien noch Duplikate herstellen. Keinen Abzug für die Mappe, keinen Zweitschuß für eine Präsentation. Max droht sogar: »Für den Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet sich der Fotograf zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.500 Mark.«

Während der Fotograf nach der Ablieferung lebenslang ohne Rechte an seiner Arbeit bleibt, kann Max sie ohne Einschränkung von Grönland bis Feuerland versilbern, an Fernsehsender, Zeitungen, Buchverlage, Videoproduzenten verkaufen, kann sie verfremden und verändern. Ganz gleich, wieviel Geld dabei herausspringt, der Urheber sieht davon nicht einen Pfennig. Denn selbst die letzte Möglichkeit, über die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst noch ein paar Mark zu verdienen, hat der Verlag durch einen Vertragspart verbaut: »Der Fotograf…tritt etwaig gegenüber der VG-Bild-Kunst bestehende oder noch entstehende Ansprüche an den Verlag ab.«

Damit den Totalverwertern von Max nicht doch noch Kosten entstehen, wälzen sie alle juristischen Folgen, die aus einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild abgebildeter Personen entstehen können, auf den ansonsten entrechteten Fotografen ab. Er muß im Vertrag nicht nur unterschreiben, daß alle abgebildeten Personen mit der geplanten Veröffentlichung einverstanden sind, vielmehr muß er dem Verlag auch deren Einverständnis für die Veröffentlichung in Werbung und »symbolischen Zusammenhängen« versichern.

Doch reichen der Redaktion solche Vertragsinhalte offenbar noch nicht aus, um freie Fotografen über den Tisch zu ziehen: Kein Argument ist zu scheinheilig, um Fotografen auszutricksen. Einem Bremer Kollegen, dessen angebotene, frei produzierte Geschichte Max gefiel, konterte man die Frage nach dem Honorar: »Willst Du sie uns nicht umsonst zur Verfügung stellen?« Als er antwortete, daß er nichts zu verschenken habe, wurde man zickig, und die zunächst für gut befundenen Fotos waren plötzlich so schlecht, »daß man dafür eigentlich gar nichts zahlen kann«. Nach einigem Hin und Her standen 400 Mark pro Seite im Raum, sechs sollten es werden. Bei nur einigen kleinen Fotos pro Seite gäbe es allerdings weniger. Als er erklärte, daß er doch gerne ein Garantiehonorar hätte, da er nicht das Risiko eingehen wolle, seine Reportage für ein paar Briefmarken zu verschenken, wurde er barsch abgewiesen: Er möge gefälligst das Layout abwarten, schließlich plane man ja sechs Seiten. Nachdem er sich auf diese Zusage verlassen hatte und beruflich im Ausland war, erreichte ihn die Nachricht: Max layoute jetzt doch nur eine Doppelseite. Als er auf Bezahlung der zugesagten sechs Seiten bestand, lehnte Max ab. Der Kollege zog die Geschichte zurück, Max war verärgert und warf ihm »unprofessionelles Verhalten« vor.

Trotz des schamlosen Umgangs mit Fotografen werden die Seiten der »Werbeveranstaltung mit journalistischem Rahmenprogramm« (Branchenwitz) Monat für Monat gefüllt. Offenbar versprechen sich Kollegen von einer Veröffentlichung in Max ein besseres Image. Dabei können sie nicht einmal sicher sein, daß ihr Name überhaupt genannt wird. Denn in Punkt 6 des Vertrages verzichtet der Fotograf »ausdrücklich auf sein ihm gemäß § 13 UrhG zustehendes Nennungsrecht.«

Natürlich gelten solche Bedingungen nicht für alle Fotografen. Was Max bei Unerfahrenen und Namenlosen spart, kann um so großzügiger für Topstars wie Helmut Newton, Peter Lindbergh oder Richard Avedon ausgegeben werden.

So wird man sogar »Visual Leader«. Mit diesem Titel darf sich Max schmücken, seit der Arbeitskreis Neue Bildsprachen e.V. das Magazin 1994 auszeichnete. Seit vier Jahren verleiht eine Jury, in der auch renommierte Fotografen sitzen, diese Anerkennung für herausragende gestalterische Leistungen. Daß solche Qualität nicht zuletzt das Werk der Fotografen ist, die von Max ausgenutzt werden, scherte die Jury offenkundig wenig. Niemand von ihnen interessierte sich anscheinend für die Umstände, unter denen die Hamburger Blattmacher ihr Heft zustande bringen. Doch wie heißt es so schön: »Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.«

Wie jedes andere Magazin lebt auch Max vom Einsatz und Engagement der freien Mitarbeiter. Wenn die einmal »Nein!« sagten und bessere Arbeitsbedingungen verlangten, würde man bald feststellen, wieviel dem erklärten Humanisten Wrede Menschenfreundlichkeit wirklich wert ist. Ob Verlag und Redaktion im feinen Pöseldorf allerdings lernfähig sind, darf bezweifelt werden. Kritisierte doch schon 1989 der journalist, die Mitgliederzeitschrift des Deutschen Journalisten-Verbandes: »Die Verleger nutzen das Konkurrenzverhalten unter den Freien zu ihrem Vorteil aus. Die Honorare sind sehr niedrig. Herausgeber und Verleger zeigen keine berufliche Integrität. Sie benutzen die Freien als billige Arbeitskräfte.«