[M] macht müde Medien munter
Editorial – Manfred Scharnberg
Die Kohls mit Katze, die Kohls mit Hund, die Kohls mit Ziegenbock – jedes Jahr wird der Republik das Sommer-Urlaubs-Wolfgangsee-Kanzler-Ehepaar-mit-Tier-Foto präsentiert. Füllmaterial für die lange Durststrecke zwischen den Legislaturperioden, in der wir auf das neuste Abbild des Kanzlers verzichten müssen, das Sommerloch. FreeLens-Magazin hat heute schon für das 98er Loch vorgesorgt. Grafiker Clemens Gold produzierte das Kanzlerbild der Zukunft. Ziemlich flipperrig, aber hart an der Medienrealität.
Denn gewünschte Szenen, erdachte Bilder, optische Effekte, finden immer mehr Raum in der Zeitschriftenoptik. Kaum ein Leser blickt noch durch, ob es sich dabei um »naturbelassene« Fotos oder um Computeranimationen handelt – nicht gerade förderlich für das Image der Medien. FreeLens und andere Branchenverbände haben deshalb eine Initiative gestartet. Mit der konsequenten Kennzeichnung manipulierter Fotos, so glauben wir, könnten Publikationen ihre Glaubwürdigkeit erhalten oder zurückgewinnen und… doch lesen Sie die Argumente in unserer Titelgeschichte. Professor Gottfried Jäger meint: Im Rechner gibt die Fotografie ihren Geist auf. Er beschreibt, wie sich die Auffassung von fotografischer Wahrheit vom Anfang der Fotografie bis ins Computerzeitalter gewandelt hat. Und [M]enschen, [M]edien, [M]anipulationen möchte Magazin-Macher zum Mit-[M]achen motivieren.
Eine Geschichte, die viele Fragen aufwirft, ist uns von einer Reihe Fotografen berichtet worden. Besonders delikat an dem Bericht Geschäfte in der Lindenstraße 28: Darin finden sich auch Vorwürfe gegen eine Fotoagentur und einen Fotografen – nicht gerade unser Wunschthema. Mehrere Autoren haben sorgfältig nachrecherchiert und Aussagen der Beteiligten geprüft. Herausgekommen ist eine spannende Fakten-Sammlung.
Zu guter letzt noch eine Geburtsanzeige: das FreeLens-Magazin hat Nachwuchs bekommen. Hurra, es ist ein Leporello. Das Kleine heißt FreeLens-Galerie, kennt eine Menge mehr als nur Fotoausstellungen und paßt in jede Tasche.