Magazin #21

Jedes Buch ist wie ein Traum

Heiner Hauck macht Portfolios – die Visitenkarte eines Fotografen.

Text – Theresa Hallermann

Während Anfang des Jahres in Rom die Spekulationen über den Gesundheitszustand des Oberhauptes der katholischen Kirche eskalieren, klingelt bei Portfoliomacher Heiner Hauck in Hamburg das Telefon: Das Kondolenzbuch für Papst Johannes Paul II wird bereits fernmündlich in Auftrag gegeben. Bei »Heiner Hauck Portfolios« in der Kampstraße in Hamburg-Eimsbüttel.

Eigentlich wollte Heiner Hauck, 38, nach seinem Kunstgeschichts- und VWL-Studium in den Kunsthandel einsteigen. Doch alles kam anders. Auf einer Messe in Düsseldorf fiel ihm vor über zehn Jahren eine Mappe des Fotografen Boris Becker in die Hände, und der Kauf entfachte in Hauck eine Sammelleidenschaft. An den Wänden seines Büros hängen heute Originale von August Sander und Nan Goldin.

Bei seinem Kontakt mit Fotografen fiel ihm auf, dass die meisten eine Mappe vom House of Portfolio oder Brewer-Cantelmo besaßen, beides Firmen aus New York. »Überragend fand ich die nicht«, begründet Hauck seine Idee, es besser zu machen als die US-Platzhirsche. Ob aus Leder, Filz, Leinen oder Samt, schlicht oder aufwendig, querformatig oder hoch – die Vielfalt seines Mappenangebots sollte die höchste werden.

Durch ganz Deutschland reiste Hauck auf der Suche nach dem besten Buchbinder. In Berlin hat er ihn gefunden und dort auch seine Werkstatt aufgebaut. Bis zu 2000 Quadratmeter Leder in 15 verschiedenen Farbtönen lagern heute dort. Kaum ein Modell verkauft er zweimal. Für ein gutes Viertel der Kundschaft muss sich Hauck extra ins Zeug legen. Etwa wenn ein Einband aus Gummi oder pinkfarbenem Krokoleder gewünscht wird. Dabei versucht er immer, »den Kunden glücklich zu machen. Es gibt nicht viele, die sich so einlassen wie ich.«

Genau das ist es wohl, was Fotografen, Stylisten, Designer oder Illustratoren an dem smarten Dunkelhaarigen schätzen: seine Nähe zu ihnen. Denn eigentlich sitzen er und seine Kunden im selben Boot. Auch Hauck ist ein Freelancer, der regelmäßig darüber grübelt, wie er die nächsten Monate überstehen soll. Dieses Gefühl kennt jeder Selbstständige, auch wenn er – wie Hauck – gut im Geschäft ist. Acht Mitarbeiter beschäftigt er inzwischen in Hamburg und Berlin. Sein guter Ruf eilt durch die halbe Welt, sein Name wurde zur Marke.

Die Vorstellung, was ein schönes Portfolio ausmacht, sind international sehr verschieden, weiß Hauck: »Die Deutschen sind eher konservativ. Für sie sollen meine Bücher nicht zu auffällig sein. Nur die Bilder dürfen wirken. Auf eine große Namensprägung wird oft verzichtet, aus Angst zu dick aufzutragen oder eine zu hohe Erwartungshaltung zu wecken. Die Engländer wollen es groß, die Spanier bunt. Vielleicht, weil sie so ein sonniges Gemüt haben«, schmunzelt er.

Dass sich jemand täglich über seinen Job freut, ist selten. Hauck kann das. »Fotografen haben meist einen offenen Blick für die Welt, das macht es unglaublich spannend und interessant.« Er wiederum ist für sie ein Ratgeber, dessen Meinung zu ihren Bildern gefragt ist. Doch hier nimmt er sich dezent zurück. »Ich würde mir nie anmaßen, ein Qualitätsurteil abzugeben«, stellt er fest.

So oft sich Heiner Hauck auch über seine »95 Prozent netten Kunden« freut, ärgert er sich über die übrigen fünf Prozent. Wenn sie nicht bezahlen zum Beispiel. »Ich habe jede Ausrede schon gehört. Vom Zahlendreher in der Kontonummer über den langen Auslandseinsatz bis hin zur verlorenen EC-Karte.« Im finanziellen Rattenschwanz ist Heiner Hauck das letzte Glied. Wird der Fotograf vom Kunden nicht bezahlt, kann der ihn nicht bezahlen. »Da sind monströse Summen offen.« Und für seine Preise von 100 bis 300 Euro pro Buch mag er sich auch nicht mehr rechtfertigen. »Ich ziehe niemanden über den Tisch. Einige verstehen wohl einfach nicht, wie viel Arbeit in den Produkten steckt.«

Macht ihm das digitale Zeitalter Angst? »Eigentlich ist es ein reiner Anachronismus, was ich hier mache. Die Materialien, mit denen ich arbeite, sind alt. Ebenso wie die Maschinen. Und das zu Zeiten des Internets und der elektronischen Datenverarbeitung. Theoretisch bin ich also total überflüssig. Praktisch ist das aber nicht so.«

Der kurzweilige Trend zum elektronischen Portfolio, vor allem in England, entwickelte sich schnell zurück, weiß Hauck. Denn: »In den Präsentationsbüchern der Fotografen steckt die Essenz ihrer handwerklichen Arbeit.« Außerdem ist es für Bildredakteure de facto sehr viel einfacher und schneller, parallel in Mappen der für den Job in Frage kommenden Fotografen zu blättern. Vor, zurück, vor, zurück – nach Lust und Laune. Das Reelle zum Anfassen ist längst nicht aus der Mode gekommen. In diesem Fall ist es sogar eine echte Zeitersparnis.

»Leidenschaft spielt eine zentrale Rolle. Der Wunsch, etwas unbedingt haben zu wollen, macht sich nun mal an Dingen zum Anfassen fest«, fügt Hauck hinzu. »Jedes fertige Buch ist wie ein Traum. Aus den Materialien ergeben sich unzählige Kombinationsmöglichkeiten – eine schöner als die andere«, sagt er. Und dabei funkeln seine Augen.

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Theresa Hallermann
ist in einer Hamburger Magazinredaktion tätig.