Inszenierung oder Dokumentation
Im Bildermarkt macht visuell vorprogrammiertes Stockmaterial der journalistischen Fotografie Konkurrenz. Doch der Mainstream der Optik bringt die Wahrheit in Gefahr.
Editorial – Kay Dohnke
Die Vorstellung von unserer Welt wird ganz wesentlich durch Bilder erzeugt – mit Fotos und Filmen lässt sich daher manch treffliches Geschäft machen. Oder auch Politik. Doch was wir in Magazinen, Zeitungen oder dem Fernsehen präsentiert bekommen, hat nur bedingt etwas mit der tatsächlichen Realität zu tun: Je nach der Ausrichtung eines Mediums werden Perspektiven vorgegeben. Und häufig greifen Redaktionen auf Konserven zurück, bedienen sich bei Bildlieferanten, die das Gewünschte vorgefertigt oder abgelagert aus dem Archiv fischen. Symbolfotos reduzieren die Wirklichkeit dann schnell auf einfache Strukturen.
Die visuelle Darstellung des Lebens um uns herum fasziniert. Doch nur selten wird die meist bunte und eindrucksvolle Oberfläche in Frage gestellt. Wie wahr sind die Bilder eigentlich, mit denen wir da ständig bombardiert werden? Weder Fotos noch Filme verraten automatisch, wann, wo und warum sie entstanden sind. Und Fotografen, Kameraleute, Journalisten können unweigerlich immer nur aus einem Blickwinkel berichten.
Was kein Problem wäre, solange es eine ausreichende Vielfalt solcher Perspektiven gibt. Wenn jedoch Bildanbieter den Markt dominieren und das mediale Abbild der Realität aus inszeniertem Material montiert wird, sind die Grenzen des Journalismus – und der Zumutbarkeit – erreicht. Zwar ist der Hunger nach Fotos unstillbar, doch immer seltener schicken die Redaktionen Bildjournalisten tatsächlich noch hinaus. Warum dokumentieren, wenn inszenieren billiger ist?
Nur die Vielfalt der Perspektiven kann so etwas wie »Wirklichkeit« in den Medien garantieren. Gewiss ist es nicht jedem Foto anzusehen, ob es bei einer Reportage entstand oder im Studio gestellt wurde. Journalistische, dokumentarische, kritische Fotografie ist aber unverzichtbar, wenn Berichterstattung unabhängig und vielseitig bleiben soll. Und glaubwürdig. Gelingen kann das nur mit Bildmaterial, dass unabhängig von den Verwenderwünschen entsteht – und immer wieder neu. Werden Magazine und Zeitungen jedoch nur noch als angenehmes Umfeld für Anzeigen gestaltet und entsprechend optisch garniert, haben die Controller den Redakteuren endgültig die Zügel aus der Hand genommen.
Es geht nicht darum, wie eine Wunschwelt aussehen könnte – glatt, lieblich, durchgestylt. Sondern darum, wie die Wirklichkeit tatsächlich ist. Durch die Arbeit der Fotojournalisten erfahren wir es.