Magazin #25

In die Wirtschaft durchgestartet

Follow me: Immer mehr Fotografen verabschieden sich von redaktioneller Arbeit und folgen dem Lockruf des Kapitals. Wie es in der Unternehmenskommunikation zugeht, was dort gefordert wird, darüber berichten Christian Brinkmann und Michael Ebert.

Text – Theresa Hallermann
Fotos – Melanie Dreysse & Olaf Döring

Im Hangar auf dem Airbus-Gelände in Hamburg Finkenwerder ist es dunkel. Wenn in 90 Sekunden das Licht wieder an geht, müssen 850 Passagiere den Airbus über Notrutschen verlassen haben. Denn ohne bestandenen Evakuierungstest wird keine Maschine als Passagierflugzeug zugelassen. Hautnah dabei: Christian Brinkmann, 45 Jahre alt, Fotograf. Der einzige in der riesigen Halle. Eines seiner Bilder vom heutigen Experiment wird hundertfach gedruckt werden. In Airbuseigenen Medien wie Geschäftsberichten oder der Werkszeitung, aber auch in der bundesweiten und internationalen Presse. Seit 1989 arbeitet Christian Brinkmann für Airbus und füttert das Bildarchiv des Milliardenunternehmens. Und das bezahlt ihn besser als jede Redaktion. Ist die PR-Fotografie deswegen eine Goldgrube für Fotografen? Und was gehört zum Handwerkszeug so eines Goldgräbers?

»Das Ziel ist immer dasselbe«, sagt Christian Brinkmann. »Nämlich ein gutes Bild zu machen, egal welcher Inhalt transportiert werden soll. Ein gutes PR-Bild hat immer noch einen gewissen journalistischen Anspruch.« Sein Fotografen-Kollege Michael Ebert, 48, geht da noch weiter: »Der Anspruch an ein Bild ist im PR-Bereich oft höher als im klassischen Journalismus.« Mitte der Achtziger Jahre begann Eberts fotografische Arbeit für verschiedene Unternehmen aus unterschiedlichsten Industrien. Und bis heute versteht er nicht, warum manche Fotografen so einen Wind um PR-Fotografie machen. »Ich weiß nicht, was daran unredlich ist, mit journalistischen Stilmitteln für Unternehmen zu arbeiten! Auch ein Elliot Erwitt hat für das französische Fremdenverkehrsinstitut fotografiert!«

Scheinbar lösen die zwei Buchstaben P und R in einigen Fotografenseelen ein Unbehagen aus. Ganz so, als ob es ein Verrat am Berufsethos eines Bildjournalisten wäre, großen Unternehmen bei der in- und externen Kommunikation zu helfen. Ist es das Vorurteil, PR-Fotografen würden von Marketingchefs in eine Zwangsjacke gesteckt und damit ihre Kreativität verlieren? Sowohl Christian Brinkmann als auch Michael Ebert halten dagegen. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Kunden aus Unternehmen deutlich offener für Ideen sind als viele Fotoredaktionen«, sagt Brinkmann.

»Unternehmen buchen mich hoffentlich gerade weil denen mein Stil gefällt. Den musste ich noch nie für irgendwen ablegen«, verrät auch Ebert. »Der Unterschied zur Arbeit für Redaktionen ist gar nicht so groß. Ob ich den Bau eines Satelliten für ein Wissenschaftsmagazin oder die Telekom fotografiere, ändert nicht unbedingt etwas an meinen Bildern. Sicher, ab und zu muss ich die Brille des Kunden aufsetzen. Aber das hat mein ethisches Selbstverständnis nie strapaziert.«

Hört man den beiden zu, wird schnell klar, dass nicht allein die Bezahlung attraktiv ist, sondern in vielen Fällen auch die Aufgabe. »Meine tollsten Jobs habe ich im Bereich der PR gemacht. Robbie Williams, Bill Gates, Michael Ballack, Sebastian Schweinsteiger, Oliver Kahn – die alle zu fotografieren soll mich erst mal ein Magazin beauftragen«, erzählt Ebert. Er setzt klar auf Mischkalkulation und schätzt, dass 70 Prozent seines Einkommens durch PR-Fotografie gesichert sind. Liegt das daran, dass Redaktionen immer weniger Geld ausgeben wollen und unterstützen Fotografen wie Michael Ebert und Christian Brinkmann sie eventuell auch noch darin? Denn schließlich sind sie es, die den Unternehmen das Material liefern, das später überall und egal wie oft honorarfrei gedruckt werden darf. »Der Bildermarkt ist inflationär, das wissen wir alle. Für 400 Euro kaufen Redaktionen 1000 freie Bilder bei Getty Images. Honorarfreie Bilder von Unternehmen machen den Markt nicht kaputt«, entgegnet Michael Ebert überzeugt.

Vielen Fotografen stellt sich die Frage: Wie komme ich an solche Jobs? Gibt es ein Patentrezept, das eine erfolgreiche Akquise garantiert? »Die Antwort ist nein«, sagt Christian Brinkmann. »Wichtig ist die Einstellung. Man muss sich als Dienstleister fühlen. Verlässlich, loyal, gut vernetzt und professionell sein.« Aber reicht das aus? »Kontakte zu Unternehmen entstehen meist zufällig. Auf Messen, durch Empfehlungen oder man trifft Leute, während man gerade für andere Medien Bericht erstattet«, erzählt Ebert. »Manch ein Fotograf hat über eine Spezialisierung oder Leidenschaft den Fuß in die Tür bekommen. Zum Beispiel könnte sich ein Unterwasserfotograf überlegen, für eine Tauchgerätefirma zu fotografieren.«

Es stimmt: Die Form der Akquise fordert mehr, als dem zuständigen Bildredakteur mit der Mappe unter dem Arm einen Besuch abzustatten. Aber es kann sicher nicht schaden, sich einfach mal ans Telefon zu hängen und Firmen durchzutelefonieren. Auch Blindbewerbungen können mal einen Treffer landen. Dass sich Qualität durchsetzt, ist eine These. Dass der Markt hart umkämpft ist, ist eine Tatsache.

___
Theresa Hallermann
ist freie Journalistin in Hamburg und arbeitet im Kollegen-Netzwerk der Dr. Kuhawa Group.