Magazin #19

Herausverlangte Bilder

Was passiert mit Fotos, wenn Verlag oder Agentur insolvent werden?

Text – Dirk Feldmann

Das Jahr 2002 hat für viele Unternehmen das wirtschaftliche Ende in Form eines Insolvenzantrages gebracht. Durch die Einleitung wird dem Unternehmensinhaber jegliche Handlungsfähigkeit entzogen – statt seiner ist der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter berufen, im Interesse insbesondere der Gläubiger die noch vorhandenen Vermögensbestandteile des Unternehmens zu Geld zu machen und die ausstehenden Forderungen einzuziehen. Verallgemeinernd lässt sich feststellen, dass die Gläubiger nach Abschluss des – häufig Jahre dauernden – Insolvenzverfahrens meist nur einen geringen Teil der ihnen zustehenden Zahlungen erhalten.

Bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Fotograf – der Eigentümer der dem Verlag oder der Agentur überlassenen Aufnahmen ist – allerdings einen Anspruch auf deren Aussonderung und Herausgabe. In der Praxis stößt dieses Aussonderungsrecht jedoch auf Schwierigkeiten bei der Durchsetzung. Häufig wird der Insolvenzverwalter nämlich im Fotobereich nicht besonders bewandert sein. Er kann dann nicht ohne weiteres erkennen, wie er die einzelnen Aufnahmen finden und zuordnen soll. Um diese Hürde zu nehmen, sollte der Fotograf die herausverlangten Aufnahmen so genau wie möglich beschreiben und eine Liste beifügen, so dass auch ein Laie die Bilder im Archiv finden kann. Ob dies ausreicht, hängt natürlich auch vom internen Ordnungssystem des Verlages bzw. der Agentur ab. Sinnvoll ist es, dem Insolvenzverwalter anzubieten, die Aufnahmen gemeinsam herauszusuchen.

In manchen Fällen von Verlagsinsolvenzen sind die Geschäftsbeziehungen so vielfältig und werthaltig, dass der Insolvenzverwalter versucht, das Unternehmen zu sanieren oder zumindest einzelne Verträge weiterzuführen, um so Einnahmen zu erzielen, die wiederum den Gläubigern zur Verfügung stehen sollen. Der Insolvenzverwalter hat ein Wahlrecht und kann allein entscheiden, ob er den jeweiligen Vertrag fortsetzen will. Selbst wenn in dem Vertrag eine Klausel enthalten ist, wonach der Fotograf bei Insolvenz des Unternehmens kündigen kann, hilft ihm dies nicht – diese Klausel ist nach der neuen Insolvenzordnung unwirksam.

Problematisch wird die Lage für den Fotografen dann, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung und damit Fortsetzung des Vertrages wählt, er aber den Eindruck erweckt, nicht den ordnungsgemäßen Vertrieb vorzunehmen. Häufig ist der Insolvenzverwalter nämlich überfordert, weil er entweder zu viele Verträge gleichzeitig abwickelt oder aber den Medienbereich nicht ausreichend kennt. Hier ist der Fotograf zur Wachsamkeit aufgerufen.

Verstößt der Insolvenzverwalter gegen den Vertrag oder das Verlagsgesetz, so kann ein außerordentliches Kündigungsrecht des Fotografen entstehen. Dies ist zum Beispiel bei unkorrekter Abrechnung oder Verramschung ohne vorheriges Angebot an den Fotografen der Fall. Wenn wegen eines derartigen Verstoßes ein Kündigungsrecht entsteht, empfiehlt es sich, mit anwaltlicher Hilfe vorzugehen.

Sollte es sich bei dem insolventen Vertragspartner des Fotografen um eine Agentur handeln, steht nicht zu erwarten, dass der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung wählt. Anders als bei einem Verlag geht es bei Agenturverträgen um die dauerhafte gegenseitige Leistungserbringung. Gerade dieses Geschäft hat die insolvente Agentur jedoch nicht meistern können. Der Insolvenzverwalter wird daher lediglich abwickeln.

Ob der Fotograf seine Aufnahmen sofort nach Insolvenzeröffnung herausverlangen kann, hängt natürlich davon ab, ob er sein Eigentumsrecht behalten hat. Wenn – was in einigen Verträgen tatsächlich vorgesehen ist – auch das Eigentum an den Bildern auf die Agentur übergegangen ist, kann er keine Herausgabe verlangen. Ist die Eigentumsübertragung nicht vorgesehen, muss sich der Fotograf schnellstens darum kümmern, sein Material zurückzubekommen. Direkte Kontaktaufnahme mit dem Insolvenzverwalter ist zur Beschleunigung anzuraten, da durchaus die Situation eintreten kann, dass in Unkenntnis der Rechtslage Fotomaterial weggegeben und weiterverkauft wird. Hierdurch können unter Umständen Fakten geschaffen werden, die sich gegenüber der insolventen Agentur nicht mehr ändern lassen.

Häufig sind wesentliche Teile des Materials an Kunden versandt. Wenn der Insolvenzverwalter feststellt, dass die finanzielle Lage der Agentur derart schlecht ist, dass er nicht weiter tätig wird und die Gesellschaft »mangels Masse« gelöscht wird, ohne dass zuvor sämtliche Aufnahmen zurückgeholt werden, kann ebenfalls eine prekäre Lage entstehen. Der Fotograf ist zwar als Eigentümer berechtigt, die Aufnahmen auch vom Kunden zurückzufordern; seine Beweislage ist jedoch eventuell schwierig. Der Kunde könnte bezweifeln, dass er zur Herausgabe an den Fotografen verpflichtet ist. Hier sollte versucht werden, von dem Insolvenzverwalter eine Bestätigung oder eine Abtretungserklärung zu erhalten, die dem Kunden erläutert, dass die Aufnahmen an den Fotografen herauszugeben sind.

Zusammenfassend ist daher anzuraten, sich umgehend nach Bekanntwerden des Insolvenzverfahrens mit dem Insolvenzverwalter in Verbindung zu setzen. Name und Anschrift erhält man vom Verlags- oder Agenturinhaber oder über das Amtsgericht.

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Dirk Feldmann
ist seit 20 Jahren als Anwalt tätig und hat sich auf medienrechtliche Fälle spezialisiert. Er berät den FREELENS-Vorstand bei dessen Tätigkeit. Auch Vereinsmitglieder können bei ihm kostenlos Rat einholen.