Magazin #02

Global Pauschal

Pauschalen für Honorar, Spesen und Filmmaterial. Dazu ein Fotoamateur als Chefredakteur. GLOBO-Fotografen haben es nicht leicht

Text – B.Kannt

Peter Telle kennt sich aus. Denn bevor er im Ringier-Verlag eine Treppenstufe aufwärts fiel und Randolph Braumann beim Münchner Reisemagazin GLOBO als Chefredakteur ablöste, war er beim fotoMAGAZIN, einer Zeitschrift für Fotoamateure. Derart erfahren, können selbst ausgebuffte Profis den Fotoamateur Telle nicht beschummeln. Und so schreibt Peter Telle schon mal triumphierend einem Fotografen, der ihm gar zu unverschämte Forderungen stellt und Telles fachliche Versiertheit nicht kennt: »Sonst hätten Sie es wohl nicht riskiert, mir diese Materialrechnung zu schicken.«

Mit der Akribie eines Buchhalters rechnet der Blattmacher dem Fotografen anschließend vor, für wieviel Geld man in München einen Fujichrome kaufen, entwickeln und rahmen könne: 24,40 Mark. Die Materialpauschale von GLOBO liegt 60 Pfennige darüber: Das Reisemagazin zahlt 25 Mark pro Film, inklusive Entwicklung und Rahmung. Branchenüblich sind 30 bis 35 Mark.

Wenn Herr Telle Fotografen schreibt oder anruft, und er tut dies oft, geht es meistens ums liebe Geld. Ständiger Streitpunkt ist die Anzahl der bezahlten Filme. Auch hier mußte sich ein Fotograf von Peter Telle belehren lassen: »20 Filme müssen wohl ausreichen, das sind schließlich 720 Fotos!«

Mittlerweile hat GLOBO die Materialpauschale für einen Auftrag auf 30 Filme erhöht, nach Telles Rechnung 1080 Fotos! Der Fotograf bekommt die Materialpauschale auch dann nicht erhöht, wenn er auf eine zweiwöchige Reise geschickt wird. Zum Vergleich: Selbst das als geizig bekannte ZEITmagazin erstattet ohne Murren 40 Filme für einen Wochenjob.

Wem sich die Taschenrechner-Kunststücke von GLOBO nicht erschließen, der sollte es besser für sich behalten. Denn wie so oft bei laienhaften Bessernwissern, sind sie furchtbar nachtragend: Mehrere Fotografen, die Zweifel anmeldeten, haben anschließend keinen Job mehr bekommen. Einer Hamburger Kollegin, die vorher drei Aufträge von GLOBO zur vollen Zufriedenheit fotografierte, sagte man plötzlich einen bereits zugesagten Job mit der Erklärung ab, ihre Fotos seien »nicht avantgardistisch genug«. Wer die Reisefotografie von GLOBO kennt, in der selbst das platteste Kalenderfoto noch Platz findet, kann sich über ein solches Urteil nur wundern. Tatsächlich hatte sich die Kollegin vorher mehrmals bei GLOBO beklagt, daß die Fotos im Serviceteil mit oft nur 40 Mark Honorar abgerechnet wurden. »Für ein derart geringes Honorar«, so hatte sie dem stellvertretenden Chefredakteur erklärt, »fahre ich nicht nächtelang in der Gegend rum und fotografiere Restaurants und Bars!«

Auf die Minihonorare kommen die Pfennigfuchser von GLOBO, weil sie, ausgehend von 500 Mark Seitenhonorar, bei jeder Abbildung das Zentimetermaß anlegen. Bei der Honorierung nach Quadratzentimetern kommt oft eine Summe heraus, bei der selbst Schülerzeitungsfotografen meckern würden. So kann GLOBO dann auch auf einer Seite viele kleine Abbildungen drucken und muß dennoch niemals mehr mals 500 Mark pro Seite bezahlen. Seriöse Zeitschriften dagegen haben bei Kleinabbildungen ein Mindesthonorar, das deutlich über dem von GLOBO liegt. Laut Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing müßte GLOBO für ein Minibild mindestens 180 Mark zahlen.

Pauschal wie alles bei GLOBO sind auch die Spesen. Als Spesenpauschale zahlt man fast immer 1.500 Mark. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Land mit niedrigen Lebenshaltungskosten handelt, wie z.B. Portugal, oder um eines mit extrem hohen, wie Norwegen. Das Finanzamt legt zwischen den Verpflegungspauschalen dieser Länder immerhin eine Differenz von 70 Mark pro Tag fest. Genauso willkürlich gestalten sich die Kosten, die der Fotograf von den 1.500 Mark bestreiten muß. Mal sind Übernachtungen mit dabei, mal nicht.

Eigenartig sind auch die Honorierungsprinzipien von GLOBO. In der Regel bekommen Fotografen eine Garantie von 2.000 Mark pro Auftrag, egal ob eine Woche oder zwei Wochen Arbeit. Nach Abdruck – und manchmal liegt zwischen geleisteter Arbeit und Abdruck ein dreiviertel Jahr – kommt der Differenzbetrag zwischen Garantiesumme und Seitenanstrich hinzu. Wird die Reisereportage nur klein abgedruckt oder werden Bilder hinzugekauft, hat das endgültige Honorar Almosencharakter. Und das kann leicht passieren, denn GLOBO kennt keine Gewissensbisse, auch Fotos in die Geschichten einzubauen, die ihre schreibenden Mitarbeiter nebenher machen. So ist es einem Kollegen passiert, daß später etwa die halbe Strecke vom Autor war und er sich mit 2000 Mark für 14 Tage Arbeit bescheiden mußte. Auch hier führte seine Beschwerde zum Liebesentzug – er bekam danach nie wieder einen Job.

Branchenüblich ist eine Bezahlung, die den zeitlichen Aufwand des Fotografen in Tagessätzen berücksichtigt und wo nach Veröffentlichung die Differenz zum Anstrich hinzugerechnet wird. Während bei GLOBO die Größe des Abdrucks voll zu Risiken des Fotografen geht, der erst bei langer Bildstrecke auf ein vernünftiges Honorar kommt, ist es bei allen seriösen Magazinen der Verlag, der das Risiko trägt. Und niemand zieht etwas vom regulären Arbeitshonorar ab, wenn der Anstrich später darunter liegt.

Aber selbst bei großer Bildstrecke drückt sich GLOBO noch oft um ein gerechtes Honorar, weil der Fotograf mit Unterschrift unter GLOBOs »Vereinbarung über eine Fotoproduktion« dem Ringier Verlag »ein zeitlich, räumlich und sachlich uneingeschränktes, ausschließliches Nutzungsrecht an sämtlichen Urheber- und Leistungsrechten« einräumt. So landen schließlich ganze Reportagen aus dem Periodikum GLOBO in einem der zahlreichen GLOBO-Sonderhefte, die am Kiosk für 14,80 Mark verkauft werden. Der Fotograf erhält dafür nicht einen Pfennig Honorar.

Die Redaktion geht soweit, daß man einem Kollegen, den während eines GLOBO-Auftrags in Tibet die gefährliche Höhenkrankheit befiel und der vorzeitig zurückfliegen mußte, die Erstattung der Flugkosten verweigerte. Er verlor nicht nur sein Honorar , sondern mußte etwa 1.800 Mark für den Rückflug bezahlen. Dabei flog der Fotograf erst zurück, als der Arzt ihn warnte, höher in die Berge zu steigen: »Sonst nehmen sie am besten gleich eine Schaufel mit!« Auch in diesem Falle hatte sich das Reisemagazin die Reise vom Veranstalter zumindest teilweise sponsern lassen – ein vorzeitiger Rückflug war bei der Abmachung mit dem Veranstalter nicht vorgesehen.

Hat man sich mittlerweile auch daran gewöhnt, daß im Reisejournalismus geschnorrt wird wie nirgendwo sonst, so treibt es bei GLOBO ganz außergewöhnliche Blüten. Kaum eine Reise, wo GLOBO nicht von Fluggesellschaft, Reiseveranstalter, Fremdenverkehrsverein oder Autoverleiher ausgehalten wird. Derart engagiert nehmen sich die Freier schon mal Freiheiten heraus: Als ein Kollege bei einem Job in Asien Frauen bei der Straßenarbeit fotografieren wollte, fiel ihm der Begleiter des Fremdenverkehrsamtes in den Kameraarm und bedeutete ihm unmißverständlich, daß man derartige Bilder nicht wünsche. Ein anderes Mal mußte ein Kollege eine ganze Reportage mit der Leihkamera eines bestimmten Herstellers fotografieren, weil der die Reise mitfinanzierte und dafür in die Reisereportage eingebaut werden wollte.

Solche Knickerigkeit scheint GLOBO indes wenig zu nutzen. Seit Monaten sucht der Ringier-Verlag einen Käufer für das Reisemagazin. Vielleicht ist das Heft zum Zeitpunkt des Erscheinens vom FreeLens Magazin 2 schon »abgewickelt«. Für uns Fotografen, die wir leider längst daran gewöhnt sind, zu unfairen Konditionen zu arbeiten, wäre dies trotz allem ein herber Verlust. Bei Schließung des Magazins würden viele Kollegen einen wichtigen Kunden verlieren, der immerhin jährlich um die 100 Reisereportagen in Auftrag gab. Aber vielleicht lernen verantwortliche Redakteure, die über Honorareinsparungen ihre Blätter gewinnträchtiger machen wollen, endlich etwas dabei: Auch das Einsparen von ein paar Tausendern pro Reportage macht ein Blatt nicht profitabler. Da sind wohl eher konzeptionelle Lösungen gefragt.