Magazin #15

Gerechtigkeit ohne Gericht

Für viele Fotografen hat das Grauen einen Namen: Urheberrecht. Alle glauben durchzublicken, aber keiner kennt sich aus. Jetzt gibt es endlich einen Weg, um jahrelange Rechtsstreitigkeiten, horrende Prozesskosten und endlosen Ärger zu vermeiden – die Stiftung »Copyright und Mediation«.

Text – Andreas Langen

Horst Wackerbarth hatte einige Jahre lang guten Grund, Rot zu sehen. Der Düsseldorfer Fotodesigner – bekannt durch serielle Porträts mit einer knallroten Couch als Eye-catcher – war 1993 von der Werbeagentur Grey zu einer Präsentation nach London eingeladen worden. Von einer internationalen Kampagne war die Rede; der Bildautor überließ den Werbern Fotos und Videobänder, sie versahen seine Arbeiten mit Logos und Packshots.

Der Tabakkonzern B.A.T. war begeistert: Ein dreiviertel Jahr danach war Westeuropa flächendeckend mit Rote-Couch-Bildern glücklicher Raucher plakatiert. Nur Horst Wackerbarth mochte sich nicht freuen – denn die Bilder sahen zwar aus wie von ihm, waren aber ohne seine Beteiligung entstanden.

Es folgten fünf Jahre Rechtsstreit Wackerbarth ./. B.A.T. Auf dem Spiel stand ein sechsstelliger Betrag, der Konzerne kalt lassen, einem freien Fotografen aber das Genick brechen kann. Doch die ungleichen Kräfteverhältnisse vertrugen sich nicht mit dem Gerechtigkeitssinn des Fotografen, und er begann einen privaten Kreuzzug im Namen des Urheberrechts. »Es hat mich so gebeutelt«, berichtet Wackerbarth, »dass ich eine Art Gelübde abgelegt habe: Ich werde mich systematisch darum kümmern, dass derartige Fälle in Zukunft nicht von Einzelkämpfern wie mir geschultert werden müssen, sondern dass ein faires, vernünftiges Verfahren läuft.«

Der Rächer der geistig Bestohlenen ist kurz davor, sein Versprechen wahr zu machen. Noch in diesem Herbst wird die Stiftung Copyright und Mediation erste Streitfälle um Urheberrechte an Fotografien schlichten helfen – schneller, billiger und unaufgeregter, als es vor Gericht möglich wäre. Dort werden pro Jahr allein in Deutschland etliche hundert einschlägige Fälle verhandelt. Zwar existieren bei Amts- und Landgerichten spezielle Abteilungen bzw. Kammern für Urheberrecht, aber auch diese sind nicht mit allen Besonderheiten von Fotografie-Anwendung vertraut. Und vor allem können sie nicht die Begleitumstände eines Gerichtsverfahrens ungeschehen machen. Etwa die Kosten: Bei einem Streitwert von 100.000 Mark betragen die Anwalts- und Gerichtsgebühren beider Seiten etwa 20.000 Mark, dazu kommen Gebühren für Sachverständige; das alles verteilt über Zeiträume von oftmals mehreren Jahren.

Die eine oder andere Seite bekommt zwar irgendwann recht, doch ist das Verhältnis zwischen den Kontrahenten – oft Auftraggeber und Auftragnehmer – meist irreparabel geschädigt. Dabei ist es oft wie in einer alten Ehe: Mit etwas Distanz wird klar, dass man den Streit eigentlich auch hätte beilegen und weiter gut miteinander auskommen können. Copyright und Mediation ermöglicht friedliche Koexistenz durch einige sinnvolle Handreichungen an potentielle Streithähne. Die Stiftung bietet kompetente, unabhängige Fachleute als Vermittler; sie verpflichtet ihre Mediatoren zu neutraler Vorgehensweise nach den Regeln der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO); sie erhebt lediglich eine moderate Grundgebühr von einem Prozent des Streitwerts und überlässt die Honorierung der Gutachter der freien Vereinbarung.

Und sie hindert niemanden, im Falle eines Scheiterns doch vor Gericht zu ziehen. Dort kommt allerdings in der Regel auch nichts anderes heraus als in dem Schlichtungsverfahren. »Oft beginnt man ein Verfahren nur, damit das Gericht einen seriösen Sachverständigen benennt«, sagt Dr. Wolfgang Maaßen. Als Justiziar des Bundes Freischaffender Fotodesigner (BFF) begleitet er seit Wackerbarths erster Einladung zur Gründung der Initiative im Herbst 1999 das Entstehen der Stiftung. Damals hatte der Fotodesigner alle relevanten Verbände zum vorbereitenden Gespräch zusammengebracht, heute sind die meisten davon Gründungsmitglieder der Stiftung Copyright und Mediation, die den Namenszusatz »Schlichtungsstelle für Urheberstreitfälle und andere Streitfälle im Bereich Kunst, Medien und Werbung« trägt: der Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Bildarchive (BVPA), die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, Freelens, der BFF, die Stiftung Akademie Bildsprache und der Art Directors Club (ADC).

»Neben den praktischen Vorteilen – sie ist schnell und billig – könnte diese Initiative unsere Branche vielleicht sogar zu einem so wunderbar altmodischen Ding wie einem Ehrenkodex animieren«, hofft ADC-Vorstand Prof. Hans-Joachim Berndt, »denn über Qualität zu reden, muss das Reden über Doubletten und Ideenklau einschließen«. Sollte dieser Aspekt der Grund für die auffällige Zurückhaltung der Agentur-Verbände sein? Obwohl seit dem Start an den Beratungen beteiligt, hat sich bisher weder die Organisationseinheit Werbetreibender im Markenverband (OWM) noch der Gesamtverband der Werbeagenturen (GWA) zu einer Teilnahme an der Stiftungsgründung entschließen können.

Bei der GWA allerdings arbeitet Dr. Stephan Heller an einer Publikation und einem Symposium mit Empfehlungen zu Rechtsfragen, um seine Kollegen zu sensibilisieren – »und das passt genau zur Absicht der Stiftung Copyright und Mediation«, so der Münchner Agenturchef, »denn jeder nicht geführte Rechtsstreit ist ein gewonnener«.

Demnach kann es ja nicht mehr allzu lange dauern, bis auch die Vertretung der Werbeagenturen Wackerbarths Initiative beitritt.

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Andreas Langen,
1984-1989 Foto-/Filmdesign-Studium an der FH Bielefeld, Schwerpunkt Bildjournalismus, dann als Autor und Fotograf freiberuflich tätig; Broterwerb durch Fotografie und Kommunikationsberatung im Bereich Industrie, Handwerk, Design; Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen. Lebt in Stuttgart.