Magazin #33

Freibier für alle – nieder mit den Brauereien!

Was hat die Zahlungsmoral der Mitglieder der Piratenpartei mit dem Urheberrecht zu tun? Und warum für Nutzungsrechte zahlen, wenn es doch alles umsonst zu geben scheint? Ein Gespräch mit dem Fotografen Peter Weimann, der einst die kühne Idee hatte, Privatnutzern Fotos für ihren Internetauftritt zu erschwinglichen Preisen anzubieten

Interview – Lutz Fischmann
Fotos – Thies Rätzke

Wenn einem Nutzer ein Werk gefällt und er es haben will, wird er schon freiwillig dafür bezahlen – so das Mantra der Netzpolitiker. Die Nutzung und Vervielfältigung von Fotos und anderen Werken sei ein geradezu natürliches Recht und überhaupt widerspreche dies auch nicht den Interessen der meisten Urheber, wie »bestimmte Interessengruppen« immer wieder behaupten.

Wer diese Interessengruppen sind, verschweigen auch die Piraten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Urheber selbst gemeint sind. Aber so ist das mit der »Liquid Democracy«. Sprechen wir es aus: Es handelt sich bei den Piraten nicht um Urheber und auch nicht um Politiker, die das Wohl der Kulturschaffenden im Auge haben, sondern um Konsumenten, die alles möglichst billig haben wollen. Und natürlich zahlt ein Pirat auch dafür, wenn ihm ein Werk gefällt – wenn nicht, dann eben nicht.

Als Gradmesser für diese Einstellung mag die Beitragsehrlichkeit der Mitglieder der Piratenpartei gelten. Gerade einmal 34 Prozent der Parteimitglieder haben ihren Mitgliedsbeitrag von nur vier Euro pro Monat bezahlt. Die Zahlungsmoral gilt als schlecht, so der Parteivorsitzende Bernd Schlömer. Ein richtiger Freibeuter nimmt sich halt, was er braucht. Es mangelt ihnen auch nicht im Ersinnen von Geschäftsmodellen. Eines nennt sich »Idol-Marketing«. Ein Urheber soll danach durch die kostenlose Verbreitung seiner Werke im Internet bekannt werden und damit seinen Marktwert steigern. Er könne dann auf Konzerten und Lesungen hohe Eintrittspreise verlangen und so seinen Lebensunterhalt bestreiten. Wie das bei Fotografen funktionieren soll, dazu gibt es keine Auskunft.

Ein weiteres Modell zur Vergütung von Urhebern ist die Kulturflatrate, eine Abgabe, die jeder Haushalt mit einem Internetzugang zahlen müsste. Bei 34 Millionen Haushalten mit einem Internetzugang in Deutschland könnte doch schon einiges zusammenkommen. Ein Gutachten, das im Auftrag der Grünen erarbeitet wurde, nennt dazu erstmals Zahlen: Zwischen sechs und 88 Euro pro Monat soll demnach die Gebühr für jeden Haushalt betragen. Dazu Bruno Kramm, Urheberrecht-Experte der Piraten: »Ginge es wirklich um den Urheber, würde ein Aufschlag von deutlich unter zwei Euro pro Monat und Internetanschluss ausreichen.« Ein Gutachten dazu haben die Piraten sicherheitshalber nicht erarbeiten lassen.

Bleibt das »Social Payment«. Hierbei bleibt es dem Nutzer überlassen, freiwillig etwas zu zahlen. Auf Podiumsdiskussionen werden Piraten und Grüne nicht müde, zu betonen, dass natürlich alle Bürger gerne zahlen würden, wenn denn der Bezahlweg einfach wäre und ihnen die Ware gefalle. So wie im richtigen Leben eben.

FREELENS sprach mit dem Fotografen Peter Weimann, der im Bereich Stockfoto mit den Schwerpunkten Tier- und Naturfotografie tätig ist. Als einer der ersten versuchte er, seine Bilder auch Privatpersonen anzubieten. Er startete mit einem niedrigschwelligen, preiswerten und einfachen Fotoangebot.

Lutz Fischmann: Welches ist dein berühmtestes Foto?

Peter Weimann: Es handelt sich um das Foto eines Nebelparders, einer extrem seltenen Katzenart, die in freier Wildbahn kaum zu fotografieren ist, ohne sie zu gefährden. Ich habe vor einigen Jahren einige Wildlife-Model-Shootings in den USA gemacht, um mein Portfolio zu erweitern und um einige geplante Bildkataloge – so was gab es damals noch! – der Agenturen damit zu bestücken.

Wie lange hast du für die Aufnahme gebraucht?

Tierfotografie braucht generell viel Zeit, wobei der Zeiteinsatz bei dem Nebelparderbild relativ gering war. Ich habe dazu mehrere Reisen in die USA unternommen. Erst dann konnte ich mir sicher sein, mit marktfähigen Bildern heimzukommen. Bei einem solchen Shooting arbeitet man mit einem handaufgezogenen Tier und kann es dann in entsprechender natürlicher Umgebung fotografieren.

Wie viel Zeit hast du investiert?

Durch die Anzahl der Reisen war ich wohl einige Wochen unterwegs, in denen ich aber verschiedene Tierarten fotografiert habe.

Die Kosten der Produktion müssen doch immens gewesen sein?

Ja, mehrere Flüge in die USA, einige hundert Filme, Entwicklungskosten, Unterkunft, Verpflegung, Modelkosten, Mietwagen, Zeit. Insgesamt ein fünfstelliger DM-Betrag damals.

Wie oft müsstest du das Foto lizenzieren, um zumindest die Kosten zu decken?

Das lässt sich schwer sagen. Bei den heutigen Preisen im Stockbereich müsste ich es wohl mindestens 1 000 mal verkaufen. Wenn ich im Microstockbereich wäre, würde ich wahrscheinlich 20 000 Verkäufe benötigen; in der Werbung käme ich wohl mit 10 Verkäufen hin.

Was hältst du von den oben vorgeschlagenen Lizenzmodellen?

Kulturflatrate: Eine nette Idee, aber warum sollen normale Internetnutzer den Bedarf professioneller Bildverwender bezahlen? Und wie soll das aufgeteilt werden? Wird dann jedes Bild, das ich ins Internet stelle, honoriert? Das wäre ja super, dann stelle ich auch den gesamten Schrott rein und werde reich.

Idol-Marketing: Bei den meisten Fotografen funktioniert das nicht. Oder soll jetzt jeder Vortragsredner werden? Das ist bestimmt der Renner, wenn ein People-Fotograf einen zweistündigen Vortrag hält oder ich eine spannende Veranstaltung über das Liebesleben der hinterindischen Springspinne in 50 Städten organisiere.

Schließlich das Social Payment: Das habe ich ja im Moment unfreiwillig. Alle nutzen ein Bild und keiner zahlt. Wenn mir dann die rechtliche Verfolgung genommen wird, kann ich keine Bilder mehr machen, weil ich keine Einkünfte mehr habe. Also das Modell erscheint mir auch völlig unbrauchbar.

Was hat dich dazu bewogen, Fotos auch Privatpersonen anzubieten?

Durch die Verbreitung des Internets und dem daraus resultierenden Bedarf von Privatpersonen an guten Bildern, habe ich den Versuch gemacht, Bilder für die Internetverwendung im Privatbereich zu einem erschwinglichen Preis anzubieten. Leider zu 100 Prozent erfolglos, so dass ich das Angebot eingestellt habe.

Warum erfolglos?

Aus Bequemlichkeit oder Ignoranz der Bildverwender. Klauen ist einfacher als eine E-Mail schreiben und um Erlaubnis zu fragen. Ich glaube, dass die Bilderdiebe überhaupt kein Unrechtsbewusstsein haben, wenn sie ein Bild einfach nehmen. Durch die fehlende Nachfragebereitschaft konnten sie nicht einmal erfahren, zu welchem Preis ich ihnen die Bilder angeboten hätte.

Wurden die Fotos nur von deiner Internetseite entwendet?

Bilder werden nicht zwingend von der Website des Urhebers gestohlen, sondern auch von Fotocommunities, Kundenseiten, sozialen Netzwerken. Da macht sich niemand die Mühe, den Urheber herauszufinden und zu bezahlen.

Im Gegenteil: die Urhebervermerke werden vorsätzlich entfernt, um das Bild für die eigene Verwendung passend zu machen. Leider gibt es auch Bilderhehler, die Seiten betreiben, auf denen sie Bilder zum Download anbieten, ohne die Rechte dafür zu haben. Dann kommt ein Bildverwender, lädt das Bild herunter und in Unkenntnis der Rechtslage veröffentlicht er es auf seiner Homepage. Wir müssen mehr aufklären, dass der reine Download keine Rechte verletzt, wohl aber die Wiederveröffentlichung ohne die entsprechenden Rechte. Wenn jemand auf seinem heimischen PC mein Bild als Desktopbild haben möchte, finde ich das okay. Noch besser wäre es allerdings, wenn ich auch da einfach mal gefragt würde.

Wie oft wurde das Foto lizenziert und wie oft ist es bis heute geklaut worden?

Das Nebelparderbild wurde bislang lediglich einmal lizenziert – und das von National Geographic, die es als Desktopbild zum Download angeboten haben. Ab diesem Angebot hat das Bild eine steile Karriere als mein meistgestohlenes Bild gemacht. Bei meiner letzten Suche hatte ich fast 700 Fundorte im Internet. Nur mit diesem einen Bild.

Wie reagieren »Bilderklauer«, wenn du sie anschreibst?

Üblicherweise schreibe ich die Bilderdiebe erst einmal persönlich an und lege eine Rechnung zur Lizenzierung bei. Die wird meistens ignoriert. Dann schreibe ich 14 Tage später eine Zahlungserinnerung. Erst dann kommt oft eine Antwort. Aber leider nicht die von mir gewünschte. Es wird alles abgestritten bzw. behauptet: Die Bilder seien die eigenen oder stammen von irgendeiner Downloadseite. Und überhaupt, man habe das Bild entfernt und betrachte die Angelegenheit damit als erledigt.

Was passiert dann weiter?

In meiner letzten Gerichtsverhandlung wurden sogar meine Beweismittel angezweifelt und eine Verschwörungstheorie aufgestellt, dass die Seite gehackt worden sei und jemand die Bilder dort eingestellt habe und dass die Bilder ja gar nicht meine eigenen seien. Erst als ich dem Richter meine Mittelformatdias vorlegte, ist der Gegner in diesem Punkt eingeknickt.

Eine Katzenzüchterin aus Österreich, die ihre Katzen für 900 Euro anbietet, erklärte, kein Geld zu haben und erachtete die Sache nach Entfernung des Bildes als erledigt. Für das vorsätzliche Entfernen des Urhebernachweises musste sie dann noch einen Aufschlag von 100 Prozent auf die Lizenzgebühr zahlen.

Welche Konsequenzen hast du aus dem Scheitern deines Geschäftsmodelles gezogen?

Nun, die Entscheidung war ganz einfach. Das Angebot habe ich eingestellt. Es wäre zusätzlich auch kontraproduktiv bei Gerichtsprozessen. Bilderdiebe finden ja plötzlich die offiziellen Angebote im Netz und reiben dir dann den niedrigsten Preis unter die Nase. Dann lohnt der rechtliche Aufwand nicht mehr. Damit würde ich den Bilderdiebstahl endgültig befördern. Deshalb habe ich die Entscheidung getroffen, private wie gewerbliche Nutzer gleichzustellen und nur einen Preis, nämlich gemäß MFM, zu verlangen.

Ich habe daraufhin meine Erfahrungen und Rechercheergebnisse zusammengefasst, auch als Nachschlagewerk für mich selbst, um im Bedarfsfall schnell die notwendigen Adressen zur Hand zu haben. Diesen kleinen Ratgeber pflege ich weiter, um alle neuen Adressen, Tipps und Hinweise, auf die ich stoße, immer griffbereit zu haben. Zusätzlich habe ich beim Entwickler meiner Shopsoftware angeregt, die Anbindung an die Google-Bildersuche und einen professionellen Bildsuchdienst zu integrieren, um den Zeitaufwand der Suche zu reduzieren.

Welchen Rat gibst du deinen Kollegen?

Vielen Fotografen ist gar nicht klar, wie viele ihrer Bilder im Internet unrechtmäßig kursieren. Und wenn sie es wissen, glauben sie, dass es zu mühsam und zu risikoreich sei, die Honorare einzutreiben. Oder sie wollen jedem Streit aus dem Weg gehen. Die Möglichkeiten, die ich herausgefunden habe, deckeln das finanzielle Risiko, den Zeitaufwand und den persönlichen Ärger.

Nachdem inzwischen die Nachlizenzierung einen zweistelligen Umsatzprozentsatz bei mir ausmacht, kann ich es mir finanziell gar nicht mehr leisten, darauf zu verzichten. Meine Agentureinnahmen sind auf nur noch 20 Prozent des Umsatzes aus dem Jahr 2000 gefallen – sicherlich auch eine Folge des massiven Bilderdiebstahls.

Ich würde mir mehr Kollegen wünschen, die ihre Rechte wahrnehmen, um in der Bevölkerung die gleiche Aufmerksamkeit zu dem Thema zu erreichen, wie es die Musikindustrie auf ihrem schweren Weg geschafft hat. Sonst wird irgendwann auch der Ladendiebstahl nicht mehr verfolgt werden, weil er ja so häufig ist. Aber deshalb ist er ja nicht in Ordnung.

Mittelfristig will ich ein funktionierendes Netz an Hilfen für ganz Europa und USA aufbauen – langfristig auch in Asien. Dafür benötige ich natürlich auch die Hilfe von Kollegen, die mit Erfahrungsberichten, Adressen und Tipps jederzeit dazu beitragen dürfen.

Wie siehst du die heutigen Vermarktungschancen deines Fotos des Nebelparders?

Die sind sehr schlecht. Obwohl es sich um eine rare Aufnahme handelt, sind sie durch die massiven illegalen Veröffentlichungen praktisch gleich Null.

Hintergrund
PETER WEIMANN

»Ich bin ein Photoholic«, sagt Peter Weimann von sich selbst. Früh schon hat sein Vater, der selbst ein passionierter Amateurfotograf war, sein Interesse für die Fotografie grweckt. Peter Weimann war erst als Fotograf einer Tageszeitung tätig, hat sich später aber auf Natur- und Reisefotografie konzentriert. Heute erscheinen seine Bilder in renommierten Magazinen wie National Geographic oder Outdoor Photographer. Sein im Netz angebotenes Nebelparderbild wurde hunderte Male unbezahlt genutzt. Weimann hat seine Konsequenzen gezogen und u. a. einen Ratgeber »Bilderklau – Das Erste Hilfe Buch« verfasst, der für 19,95 Euro auf seiner Webseite zu erwerben ist.

www.photoshopweimann.de