Magazin #11

Die wundersame Vermehrung von Bildrechten

Den Klagen von fünf Fotojournalisten gegen den Tagesspiegel wegen unerlaubter Verwendung ihrer Fotos gab das Landgericht Berlin statt – ein richtungsweisendes Urteil

Text – Manfred Scharnberg

Was macht man, wenn laufend Urheberrechte verletzt werden und freundliche Gesprächsangebote immer wieder auf taube Ohren stoßen? Den Streit vor Gericht austragen. Und so kam es am 14. Oktober diesen Jahres zu einem Urteil zugunsten von fünf klagenden Fotojournalisten – ein schwarzer Tag für den Tagesspiegel.

Der Berliner Tagesspiegel hatte, ohne das Einverständnis der Fotojournalisten, Fotos zusätzlich in das Internetangebot der Tagesspiegel Online Dienste GmbH übernommen sowie an die Potsdamer Neuesten Nachrichten weitergegeben. Vereinbart gewesen war jedoch lediglich der Abdruck im Tagesspiegel . Der Verlag lehnte stets eine Honorierung ab und war auch nach massiven Protesten nicht zum Gespräch bereit. Eine Demonstration der Fotografen vor dem Verlagsgebäude und 1200 Protestbriefe aus dem gesamten Bundesgebiet konnten den Verlag nicht umstimmen. Erst nach dem verloren gegangenen Prozess lud der Tagesspiegel zum Verhandlungsgespräch Anfang November ein.

In dem nun erfolgten Urteil spricht das Landgericht Berlin den klagenden Fotografen einen Anspruch auf Schadensersatz zu. Das Gericht untersagte dem Tagesspiegel die Weitergabe der Fotos ohne das Einverständnis der Fotografen. Außerdem wurde der Tagesspiegel dazu verpflichtet, Auskunft über das vollständige Ausmaß der Urheberrechtsverletzungen zu erteilen.

Den von FreeLens, dem DJV und der IG Medien unterstützten Klagen aller fünf Bildjournalisten wurde stattgegeben. Sogar in zwei Fällen, bei denen es unklar ist, ob Geschäftsbedingungen der Fotografen wirksam geworden sind. Denn das Gericht ist der Meinung: Wenn ein Fotograf und ein Verlag einige Zeit zusammenarbeiten, entsteht auch ohne schriftliche Vereinbarung eine Art Rahmenvertrag, der den Verwendungszweck und die Honorarhöhe beinhaltet. Mit seiner einseitigen klammheimlichen Änderung habe der Tagesspiegel »bewußt gegen den Rahmenvertrag verstoßen«. Eine solch »wundersame Vermehrung der Bildrechte« dürfe nicht zu Lasten der Fotografen gehen, meinte Richter Dr. Hess während der mündlichen Verhandlung. Fazit des Urteils: »Nach Treu und Glauben kann wohl niemand zum Verschenken seiner Rechte gezwungen werden.« Das gilt für die Veröffentlichung in den Potsdamer Neuesten Nachrichten ebenso wie für die Internet-Nutzung.

Von besonderer Bedeutung für die Medienbranche sind die Äußerungen des Gerichts zum Thema Internet. »Richtungsweisend ist das Urteil im Hinblick auf die Definition von Online-Verwendung als eigenständige Nutzungsart, für die explizit Rechte eingeräumt werden müssen und für die Vergütungsansprüche des Urhebers bestehen«, so die Einschätzung von FreeLens-Anwalt Dirk Feldmann. Damit hat erstmals ein deutsches Gericht bestätigt, dass das Internet ein eigenes, gesondert zu honorierendes Medium ist.

Mit dem Urteil wird den Verlagsjustitiaren, die eine kostenlose Nutzung legalisieren wollen, ein empfindlicher Dämpfer versetzt. Vielerorts hat man in Verlagen derartiges rechtswidriges Handeln bislang nicht erkannt oder sogar gedeckt. »Ein Unrechtsbewußtsein war im Rechtsstreit nicht erkennbar«, berichtet Rechtsanwalt Dirk Feldmann. »Die Online-Nutzung wurde von der Beklagten als natürliches Ergebnis des technischen Fortschritts und als branchenüblich angesehen. Letztendlich sei dies nur eine andere Form der Publikation – und zu publizistischen Zwecken seien die Aufnahmen schließlich überlassen worden.«

Und ein weiteres, oft gehörtes und vom Tagesspiegel benutztes Argument hat das Gericht entkräftet. Das Internet sei ein Verlustgeschäft, und deshalb dürften Fotos auch nichts kosten. Dazu das Gericht: »Dass die Beklagte mit ihrer Internetpräsenz keinen wirtschaftlichen Gewinn erzielt, ist für die Beurteilung der eigenständigen Nutzungsart irrelevant.«