Das Verfallsdatum der Fotos ist kürzer geworden
Qualitätsfotos sind ihr Markenzeichen: Die Stockbild-Agentur mauritius images hat eine sehr lange Geschichte. Und sie ist eine der wenigen Firmen, die es im hart umkämpften Markt geschafft haben, sich zu behaupten und nach wie vor Erfolge zu verbuchen. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer Hans-Jörg Zwez.
Interview – Corinna S. Heyn
Heyn: mauritius images ist seit vielen Jahren im deutschen Stockfoto-Markt erfolgreich. Wie erklären Sie das?
Zwez: Wir haben einen festen Stamm an Mitarbeitern und favorisieren die persönliche Schiene – unsere Kunden haben es stets mit denselben Menschen zu tun, sie müssen sich nicht laufend auf neues Sales-Personal einstellen. Und wir pflegen unsere Fotografen. Ich bin ein Bauchmensch, der sofort weiß, ob er mit einem Fotografen klarkommt oder nicht. Die Fotografen, deren Arbeiten wir verkaufen, können sich auf uns verlassen.
Wie sah der Start der Agentur aus?
Mauritius war anfangs ein kleines Unternehmen. Es wurde 1928 gegründet und gelangte 1937 in unseren Familienbesitz. Ursprünglich war Mauritius eine amerikanische Agentur und hieß Blackstar.
Mein Vater übernahm sie und nannte sie Mauritius. 1969 stieg ich in die Firma ein. Gemeinsam mit meiner Mutter und drei Angestellten wurde die Agentur nach und nach aufgebaut. Wir stellten das Bildmaterial von Schwarzweiß auf Farbe um. Ich war als Außendienstler dafür zuständig, neue Fotografen zu finden – ein Kontakt ergab dann den anderen.
Der erste erfolgreiche Fotograf war Eric Bach, der übrigens die Agentur Superbild gründete. Er hat für den Markt fotografiert. Damals herrschte Aufbruchstimmung, Themen wie Reise, tägliches Leben waren gefragt. Vor allem die Zeitschriften und Buchverlage hatten Bedarf. Das Problem damals war, dass es noch keine Stockfotos gab – vorgefertigtes Material wie heute war nicht vorhanden. Der größte Erfolg stellte sich mit dem Fotografen Alexander Kupka ein. Wir brachten einen gelben Wälzer heraus, in dem Kupka Typen fotografierte und Gesten, wie es noch keiner kannte. Die Nachfrage danach war so groß, dass wir damals 100 Duplikate pro Bild weltweit verschickten.
Hat sich der Stil der Fotos seit Beginn des Bestehens der Agentur verändert?
Der Qualitätsanspruch ist geblieben – aber der Stil hat sich geändert, so wie sich Bildsprachen und Sehgewohnheiten ändern. Wir müssen mit dem Zeitgeist gehen. Und das Verfallsdatum der Fotos ist kürzer geworden.
Aus welchen Bereichen stammen die Hauptkunden – Editorial, Werbung und/oder Online-Medien?
Die Kunden sind Magazine, Zeitschriften, aus dem Bereich Editorial, aber auch Werbekunden und Agenturen. Die Werber bauen dann oft ihre Produkte nachträglich in die Fotos ein.
Auf www.mauritius-images.com ist zu lesen, dass auf Wunsch auch im eigenen Studio Bildstrecken produziert werden. Wann wird dieser Service in Anspruch genommen?
Für die Editorial-Kunden wird produziert, wenn auf die Schnelle und aufgrund von Aktualität Bildmaterial benötigt wird.
mauritius images war lange durch seine opulenten Kataloge in vielen Redaktionen präsent – heute suchen die Kunden die Fotos online. Welche Rolle spielt das Internet für Sie?
Anfang der 70er Jahre waren wir die ersten, die Kataloge herausgaben; zunächst waren das Ringbücher für die Kunden. In der analogen Zeit waren Kataloge notwendig, um die Fotos vorzeigen zu können und zu vermarkten. Heute ist es wichtig, das Bildmaterial im Internet zu zeigen. Unsere Website ist schnell, bedienerfreundlich, gut gegliedert und wird ständig weiterentwickelt. Für den Verkauf ist das Internet unverzichtbar. Viele Redaktionen sind mit der Software Apis-Online ausgestattet. Das ermöglicht ihnen, einen Warenkorb mit Bildern verschiedener Agenturen zusammenzustellen. Damit müssen sie nicht alle Agenturen anschreiben und haben sehr schnell die gewünschten Treffer.
…die Kunden bezahlen dafür?
Ja, sie bezahlen eine Pauschale und können sich die Bilder via Apis direkt herunterladen. Wir können verfolgen, welche Downloads getätigt wurden. Alle Fotos wurden von uns digitalisiert. Zwei Prozent des Umsatzes erzielen wir noch mit analogem Material, das von Schulbuchverlagen oder für Kalender genommen wird. Wir scannen auch Fotos von Kollegen ein, die nur analog arbeiten.
Auf dem Fotomarkt herrscht ein immer härter werdender Konzentrationsprozess. Wie kann sich mauritius images neben Konzernen wie Getty, Corbis oder Jupiter behaupten – und gegen sie?
Der Kunde erkennt, was er an uns hat. Die amerikanischen Agenturen arbeiten anders, die müssen weltweit verkaufen – wir haben uns im deutschen Raum mit mitteleuropäischem Material spezialisiert. Jupiter ist ein Sonderfall; die lassen die Marken bestehen.
Ich bin sehr lange im Geschäft und habe viele Agenturen kommen und gehen sehen. Wir spüren die Großen, aber es gibt viele Fotografen oder auch Kunden, die persönlich betreut werden wollen. Bei uns sind die Entscheidungswege sehr kurz, dadurch können wir schnell reagieren und auf die Kundenwünsche eingehen. Auch unsere Integrität zahlt sich aus. Und wir konzentrieren uns auf bestimmtes Material, das allerdings sehr gut sein muss.
Die übrigen Global Player haben andere Strategien. Sicher kaufen die Kunden auch bei den Großen; unsere Stärke aber ist, dass wir den Fotografen Raum geben und sie im Portfolio nach vorne stellen. Sie werden gut präsentiert. Und sie haben ein Anrecht darauf, mit Namen genannt zu werden.
Was zählt mehr – Klasse statt Masse oder ein cleveres Marketing-Konzept?
Sicher ist das Marketing wichtig. Es müssen Konzepte erstellt, Mailings herausgegeben, Kundenkontakte gepflegt werden. Auf Messen sind wir präsent, und wir schalten Anzeigen und Bannerwerbung. Aber wir müssen nicht auf der ganzen Welt und auch nicht in jedem Segment vertreten sein.
Inwieweit gestaltet mauritius images das eigene Portfolio aktiv? Werden Themen vorproduziert, um sie aktuell präsent zu haben?
Bereits zu Beginn produzierten wir für das Archiv und sahen, dass das immer wieder Geld einbringt – der Appetit kam quasi beim Essen. Wir haben heute rund eine Million Fotos im Netz, damit kann man arbeiten. Aber man muss heute sehr selektiv sein, was die Bilder angeht. Es gibt Fotografen, mit denen die Chemie nicht stimmt, und da sollte man sich nicht plagen. Im besten Fall hat man einen guten Draht zueinander, kann gut miteinander arbeiten.
Wir sehen uns auch gezielt nach herausragenden Fotografen um. Die müssen dann aber auch gut geführt und betreut werden. Die Fotografen wissen eine freundliche Behandlung sehr zu schätzen. Zurücklehnen kann man sich nicht, denn das Rad dreht sich immer schneller. Fotos sind heute sehr schnell veraltet, da müssen wir Trends setzen bzw. sie erkennen und darauf reagieren. Jede Zeit hat ihren Stil. Manchmal ist auch Retro angesagt oder aktuell die immer wichtiger werdende Gruppe der Best Agers.
Die Fotos von Botanica, Foodpix und Brand X Pictures sind nicht mehr bei Getty Images, sondern bei mauritius images zu erhalten. Wie haben Sie es geschafft, diese Sparten von Getty zu bekommen?
Getty hatte bislang die Fotos der genannten Sparten vertrieben. Jupiter zog diese Vertriebsschiene aus mir unbekannten Gründen zurück. Es war ihre Entscheidung zu sagen, dass sie das nicht mehr wollen. Wir haben alle Labels von Jupiter.
Wie wird sich die Situation der kleineren Bildagenturen verändern? Haben die noch eine Überlebenschance?
In den USA wurde der Markt durch Corbis sehr ausgedünnt. Die Aufkäufe der kleineren Agenturen haben verschiedene Ursachen. Zum einen nehmen manche gerne eine hohe Summe mit. Andere wiederum stehen unter dem Druck der Investoren, die nach einer bestimmten Zeit Geld sehen wollen. Und wenn das nicht fließt, muss verkauft werden. Oder aber Familienunternehmen finden keine Nachfolger innerhalb der Familie. mauritius images ist zum Glück unabhängig.
Auch die Qualität der Fotos ist ausschlaggebend für den Erfolg. In manchen Ländern gibt es keine richtigen Nachfolgeagenturen mehr. Weil die eben ihren amerikanischen Content haben, auch von der Bildsprache her. Allerdings finden die jungen Werber diese Portfolios gut. Was die Amerikaner richtig gut können, ist, Brands zu schaffen.
Wohin geht Ihrer Erwartung nach die Entwicklung im Stockfoto-Handel?
Früher, in den analogen Zeiten, hatten die Bilder eine Haltbarkeit von rund fünf Jahren. Das hat sich deutlich gewandelt, denn die Zeiten sind sehr schnelllebig geworden. Eine Marktanpassung ist unabdingbar. Die Guten setzen sich durch.
Hans-Jörg Zwez wurde 1947 geboren.
Er brach das Gymnasium in Garmisch vor dem Abitur ab, um stattdessen eine Berufsausbildung bei Linhoff zu absolvieren. Er machte dort eine Lehre als Bürokaufmann und lernte die Welt der Fotografie kennen. 1969 stieg er in das Familienunternehmen ein. Als Geschäftsführer baute er den Stock später bedeutend aus. Heute vertritt mauritius images 700 Fotografen, ist die größte Inhaber-geführte Bildagentur Europas und arbeitet international mit über 50 Partneragenturen zusammen.
www.mauritius-images.com
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Corinna S. Heyn
arbeitet als freie Autorin für Themen aus dem Bereich Fotografie und Medizin.