Magazin #08

Das Schlüsselerlebnis

Editorial – Manfred Scharnberg

Es war einmal… so fangen alle Märchen an. Mein Erlebnis hört allerdings damit auf – und ist außerdem zu wahr, um ein Märchen zu sein. Es begab sich zu der Zeit, als mich die leitende Bilderfee eines Magazins um Themenvorschläge gebeten hatte. Gerüstet mit zwei Exposés sitze ich ihr und einer Textredakteurin gegenüber. Während wir das erste Thema erörtern, liegt das zweite Exposé auf dem Schreibtisch. Thema: Die Machenschaften des konservativen Guttempler Ordens, bekannt als anonyme Alkoholiker. Mein Blatt Papier würdigt die Redakteurin noch mit einem prüfenden Blick, bemerkt dann beim Aufbrechen mit vielsagendem Augenaufschlag: »Übrigens eine Geschichte über den Malteser-Orden haben wir schon liegen.« Orden ist eben Orden.

Das Exposé liegt immer noch unberührt vor mir. Die Bildredakteurin nimmt ein Telefonat an und übt sich dabei im Kopfüber-Lesen: Sie versucht von der anderen Schreibtischseite aus die Überschrift zu entziffern: »Brauner Klüngel gegen klaren Schnaps.« Das Telefongespräch ist erledigt und das Thema so ganz nebenbei auch. »Tut mir leid«, sagt sie, »über Schnapsbrennen haben wir schon etwas gemacht«. Danke für die Mühe, sage ich mir, aber diese Herangehensweise ist mir dann doch etwas zu assoziativ. Ich beende das Ratespiel mit der Devise: »Es war einmal ein Vorschlag.«

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann arbeiten sie noch heute so. Oder? Um das – und Genaueres über das Verhältnis von Bildredaktion und Fotograf – herauszufinden, ist sicher mehr als ein Titelthema nötig. Wir legen in diesem Heft einen Grundstock für diesen Themenbereich. Und was ist besser dazu geeignet, als die Beschriebenen selbst schreiben zu lassen. Drei Bildredakteure klären uns auf, wie sie ihren Job organisieren. Außerdem haben wir Bildredakteure testweise unter die Lupe genommen. Nein, nicht als Stiftung FreeLens-Test im Laborversuch, sondern natürlich auf journalistische Weise. Die Geburt eines Handlungsreisenden: Textautor Henrik Zorn besuchte mit einer Fotomappe einige Bildredaktionen und liefert uns einen Einblick in den Arbeitsalltag, einen »Blick zurück ohne Zorn«.