Das Design der Wirklichkeit
Welt nach Wunsch: Immer öfter wird in Redaktionen vorab festgelegt, wie Fotos aus der Realität auszusehen haben. Reportage vs. Inszenierung – ein Grundkonflikt.
Editorial – Kay Dohnke
Wie es draußen tatsächlich aussieht, scheint egal zu sein. Reportagen als Bestandsaufnahme der Wirklichkeit – wen interessiert das noch! Medien versuchen zunehmend, die Welt schöner zu zeigen, als sie ist. Mit deutlichen Konsequenzen für die Fotos.
Der viel diskutierte Konflikt zwischen analoger und digitaler Fotografie ist vor allem eine Frage der Technik. Weit folgenreicher wäre aber die Trendwende von der Fotoreportage zur inszenierenden Fotografie – die gesellschaftliche und politische Rolle der Fotografie wäre eine gänzlich andere: Stimmung ersetzt Information, die Inhalte der Bilder werden beiläufig. Wenn Art Direktoren und Fotografen das Publikum über die Buntheit der Welt staunen lassen wollen und ihr dazu ein anderes Design verpassen, unterschätzen sie die Suggestivkraft des Mediums – das Foto gilt noch immer als objektiv. Aber wäre es noch wahr?
Natürlich ist es legitim, inszenierte Bilder zu produzieren, und es gehört viel Könnerschaft dazu. Nur sollte nicht übersehen werden, dass Fotografen als Bilder-Macher auch große Verantwortung tragen. Reduziert man das Abbild der Welt zum willkürlichen Dekor, werden wichtige Bereiche der Realität ausgeklammert, für uninteressant erklärt, für unbedeutend. Doch was nützen der Öffentlichkeit Szenen, die nur im Moment des Fotografierens und nur zu diesem Zweck vor dem Objektiv existiert haben?