Bildbände fotografieren: Brotlose Kunst
Früher war es so: Ein Fotograf fühlte sich geehrt, wenn ihn ein renommierter Buchverlag anrief, um ein Buchprojekt zu realisieren. Der Auftrag brachte Spaß, Renommee – und auch ausreichend Honorar. Doch die »schönen Zeiten« sind vorbei. Warum, schildert ein FreeLens-Fotograf aufgrund eigener und den Erfahrungen anderer Mitglieder.
Text – B.Kannt
Vor einiger Zeit waren die Bücher des Ellert & Richter Verlages, der durch die »Weiße Reihe« bekannt wurde, so schön gestaltet und gedruckt, daß die Mühe lohnte, daran zu arbeiten. Zudem gab es für den Bildautoren fünf Prozent des Nettoverkaufspreises, der im Buchverlagswesen übliche Prozentsatz. Davon zahlte der Fotograf alle Kosten: Filme, Entwicklung und Reisekosten. Aber das rechnete sich durch Imagegewinn und bei manchen Büchern auch durch gute Umsätze.
Dann brachte Ellert &Richter die »Billigreihe« heraus, große Reisebücher zu einem Thema für 19,80 Mark. Mit diesem Konzept konnte der Verlag Riesenumsätze machen – und die Autoren profitierten mit, obwohl deren Honorare schon weit von den fünf Prozent entfernt waren.
Pro Buch gab es 53 Pfennig für die erste Auflage, danach 50 Pfennig. Diese »Billigreihe« ist sehr erfolgreich und so werden immer mehr Bände produziert, allerdings für die Fotografen zu immer halsbrecherischeren Konditionen. Sie bekommen jetzt nur noch 40 Pfennig. Das bedeutet bei einer Erstauflage von 15.000 Stück, daß der Fotograf seine kompletten Reise-, Film- und Unterkunftskosten von 6.000 Mark bestreiten muß. Er erhält nur noch etwa 2,16 Prozent vom Nettoverkaufspreis, ein schlicht unakzeptabeler Prozentsatz.
Doch nicht nur die Honorare werden verschlechtert, sondern auch die Vertragsbedingungen. Der Fotograf soll sämtliche Rechte abtreten, weltweit. Der Fotograf soll dem Verlag die ausgewählten Fotos als Sacheigentum überlassen. Der Verlag erhält das Recht, die Bilder an Werbeagenturen weiterzuverkaufen. Natürlich gibt es dafür 50 Prozent für den Fotografen (nach Abzug aller Kosten). Das Grausen auch bei dieser Vertragspassage bekommt, wer weiß, wie unbefangen der Ellert & Richter Verlag damit umgeht. Er verlangte schlappe 1.000 Mark von einer Werbeagentur für ein Bild, daß dann in ganz Bayern auf große Tafeln geklebt wurde. Dafür hätte jede ordentliche Fotoagentur 5.000 bis 6.500 Mark verlangt und bekommen.
Weitere Beispiele aus Verlagsverträgen, die FreeLens-Mitgliedern in den vergangenen Monaten von renommierten Verlagen wie Bucher, Pro Futura, Langenscheidt-Polyglott, Gräfe und Unzer vorgelegt wurden: Der Bucher Verlag, vertreten durch den Südwest Verlag, freut sich, »den geschätzten Autoren für einen Bildband gewonnen zu haben!« – genauer: ein Kleinstführer mit 64 Seiten und etwa 100 Fotos. »Für die Bebilderung bieten wir Ihnen ein einmaliges Pauschalhonorar an von 1.500 Mark. Sie übertragen dem Südwest Verlag für alle Ausgaben und Auflagen sämtliche ausschließlichen Verlagsrechte an diesen Fotos. Der Verlag ist berechtigt, Sonderausgaben, Buchklubausgaben, Taschenbuchausgaben zu veranstalten, bzw. die Rechte für diese Ausgaben sowie die verlagsüblichen Nebenrechte (Werbezwecke, Film, Fernsehen, Radio, Vervielfältigung und Verbreitung von Mikrokopie- und CD-ROM oder CD-I-Ausgaben oder ähnliche Formen des Electronic Publishing) im Rahmen dieses Buches weiter zu übertragen. Wir hoffen auf eine gute, partnerschaftliche Zusammenarbeit!«
Eine Partnerschaft bei 15 Mark pro Foto? Da können wohl nur Hobby-Fotografen unterschreiben. Wenn man alle Rechte zusammenzählt, die der Verlag erwirbt, dann bleiben pro Veröffentlichung höchstens Pfennige übrig! Der Langenscheidt Verlag bietet in seinem Vertrag für Polyglott-Reiseführer immerhin stolze 30 Mark pro Bild an. Natürlich kassiert er damit die Rechte für »CDI, DVI, EBP, CD-ROM, Online oder ähnlichen elektronische Medien«, ist allerdings bereit, für die CD-ROM-Nutzung nochmal 30 Mark pro Bild zu zahlen. Super! Es folgt ein schöner Passus: »Für den Fall der Veröffentlichung und Verbreitung einer oder mehrerer Lizenzausgaben erhält der Fotograf unabhängig davon, wieviele verschiedene Lizenzausgaben erscheinen, ein einmaliges Honorar in Höhe von 50 Prozent der im Vertrag genannte Honorarsumme.« Schönes Geschäft.
Besonders Großverlage versuchen, alle gängige Normen zu unterlaufen und mit dem Mittel der Unkenntnis oder gar Angst zu operieren, um auf die schnelle Tour Freischaffenden Copyrights zu Dumpingpreisen abzutrotzen. Das geschieht auch durch Risikoteilung, Mehrfachnutzungsrabatt, Mengenrabatt und ähnlichem. Es läßt sich leicht denken, daß doch sehr viele KollegInnen im einsamen Kämmerlein durch das Unterschreiben solcher Bedingungen zu diesem Zustand beitragen, schrieb uns ein Kollege zu dem Polyglott-Vertrag. Man kann solche Verträge ablehnen, Beispiele gibt es genug.
Oder ein Berliner Fotograf. Er schrieb dem Verlag zu seinem Vertrag für »Tucholskys Berlin«: »…ein unmoralisches Angebot, daß ich ablehnen muß. Auf die erbetenen Nebenrechte brauche ich damit nicht einzugehen. Ihr weist darauf hin, daß Ihr das Honorar der veränderten Situation angepaßt habt. Verändert soll heißen: verschlechtert. Nur an dieser Verschlechterung sind nicht wir Fotografen schuld, sondern die Verlage selber. Aber wir sollen die Suppe auslöffeln und Euch mit unserem Einsatz und Geld sponsern. Oder geht es Euch gar nicht so schlecht, wie Ihr tut? Wenn nicht, wenn Ihr gut daran verdient, dann ist euer Vertrag doppelt unmoralisch! 4 Prozent vom Nettoverkaufspreis konntet Ihr damals anbieten. Jetzt sind es nur noch 2,16 Prozent! 4 Prozent muß das Ende der Fahnenstange bleiben, das müssen auch meine Kollegen begreifen, die jetzt zu Euren Bedingungen arbeiten. Für weniger kann man seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten.«
Daß die Qualität bei alldem auf der Strecke bleibt, stört die Verlage nicht. Ob der Fotograf schöneres Licht abwartet, einen besseren Standort sucht oder einfach draufhält, ist neuerdings offenbar egal. Die Verlage drucken Billigbücher in Großauflagen. Die schlechten Verträge sind nur möglich, weil Fotografen sie entweder nicht lesen oder ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Wem ein solcher Vertrag ins Haus flattert, sollte ihn an FreeLens schicken und sich gut überlegen, ob er ihn unterschreiben kann. Wer unterschreibt, sollte nicht glauben, später an bessere Aufträge heranzukommen. Wenn wir nicht aufpassen, dreht sich die Spirale weiter nach unten. Dann allerdings hätten die Verlage Recht: Mit Fotografen kann man alles machen!