Begehrter Job mit trüben Aussichten
Erstmals bringt eine repräsentative Umfrage Licht in das Dunkel um den Beruf des Fotojournalisten. Die von FREELENS initiierte Studie unterstreicht vor allem eine Tendenz: viel Arbeit und wenig Ertrag
Text – Frank Keil
Zuerst die guten oder eher die schlechten Nachrichten? Denn beide finden sich in der Studie »Die Situation freiberuflicher Fotojournalisten und Fotografen in Deutschland«, einer Sozialumfrage der Soziologie-Magistrandin Julia Thiemann, die sie ein Jahr lang vom Februar 2008 bis zum Februar 2009 erarbeitet hat. Dabei gilt es erstmal die Unternehmung an sich zu loben, ist diese Studie doch die erste seit langem, die sich fundiert und auf einer soliden Datenlage beruhend, mit der Lage frei arbeitender Fotografen beschäftigt: Von 1721 angeschriebenen Mitgliedern haben sich 757 an der Umfrage beteiligt – mithin eine beachtliche Quote von 44 Prozent.
Wie schätzen nun die bei FREELENS organisierten Fotografen ihre Lage ein, wie bewerten sie diese? Ja, Fotojournalisten und Fotografen sind mit Engagement und großem Einsatz dabei. Ja, die tägliche Arbeit wird mehrheitlich als erfüllend und mindestens befriedigend wahrgenommen und geschätzt: Gut 30 Prozent der Befragten gefallen besonders die kreativen Aspekte ihrer Tätigkeit wie das Erarbeiten eigener visueller Lösungen, oder das Gestalten erteilter Aufträge. 27 Prozent schätzen die vergleichsweise freie Arbeitsorganisation wie das selber Suchen von Auftraggebern und die freie Zeiteinteilung bei der eigentlichen Arbeit als positiv ein.
Dass umgekehrt nur 0,4 Prozent eine gute Bezahlung hervorheben, spricht eine ebenso deutliche Sprache. Eine weitere Zahl verrät, dass der Grad der Berufszufriedenheit generell hoch sein dürfte: Fast 40 Prozent der Befragten arbeiten in diesem Beruf seit 15 bis 25 Jahren – ein beachtliches Stück Lebenszeit. Dass die freien Fotografen selbstverständlich in der neuen Medienwelt ohne wenn und aber angekommen sind, ist schnell zu belegen: Auftragsarbeiten für das Internet umfassen heute einen Anteil von 34,2 Prozent – Platz zwei unter den Arbeitsfeldern, nach dem Klassiker »Magazin« (siehe untere Grafik). Hier wird es sicherlich spannend sein, die weitere Entwicklung genauer zu beobachten. Ansonsten: 88 Prozent aller Befragten haben eine eigene Homepage, 40 Prozent sind in webbasierten Netzwerken unterwegs, 22 Prozent nutzen einen eigenen Fileserver und über 90 Prozent arbeiten mit der digitalen Kleinbildkamera.
ARBEITSINTENSIVES GESCHÄFT
Doch wenn man in die Details geht, mischen sich bald in das anfänglich positive Gesamtbild erste Hinweise, die auf anhaltende Probleme und zum Teil erhebliche Schwierigkeiten verweisen – etwa bei der Frage, ob sich das freie Handwerk mit der Kamera denn überhaupt lohnt, und was zugleich an Leistungen über das eigentliche Fotografien oder das Nachbearbeiten am PC hinaus erbracht werden muss. Zumindest arbeitsintensiv ist das Geschäft: Wochenarbeitszeiten von 40 bis 50 Stunden benennen knapp 32 Prozent der Befragten; auf bis zu 60 Stunden kommen weitere 26,8 Prozent. 12 Prozent arbeiten sogar regelmäßig mehr als 61 Stunden. Dem steht nur begrenzt ein finanzieller Gewinn gegenüber: 58 Prozent geben ein Netto-Jahreseinkommen von bis zu maximal 30.000 Euro an. Nur knapp 10 Prozent verfügen über eines von 60.000 Euro und mehr. Fast schon bedrückend ist die Auskunft, die die Hälfte der Befragten nach der Zahl ihrer Urlaubstage gibt: Sie kommen auf weniger als 15 Tage pro Jahr.
Belastet wird die ohnehin nicht einfache finanzielle Lage der Einzelnen oftmals durch Probleme bei der Wahrnehmung des Urheberschutzes für die gelieferten Bilder und Strecken: 22,4 Prozent aller Befragten geben an, dass ihr Urheberrecht »oft« verletzt wird; bei knapp 14 Prozent ist es »sehr oft« und bei gut 30 Prozent immerhin »gelegentlich« Nur 8,7 Prozent dagegen können berichten, dass sie »nie« Probleme bei der Wahrnehmung ihrer Urheberschaft haben.
Generell ist die Tätigkeit des freien Fotografen eine oft einsame: knapp 60 Prozent der Befragten geben an, »nie« auf einen Mitarbeiter zurückgreifen zu können. Auch der kollegiale Zusammenhalt bewegt sicht nicht gerade auf einem hohen Niveau: 25 Prozent geben an, sich seltener als monatlich mit Kollegen fachlich auszutauschen. Nur zehn Prozent berichten von einem täglichen Erfahrungsaustausch.
Ein weiteres wichtiges Feld, ist das der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei klingt das Ergebnis der Befragung zunächst recht entspannt: 45 Prozent geben den Grad der Zufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Familienleben und Job mit »sehr zufrieden« und »zufrieden« an, während weitere knapp 40 Prozent sie mit »teils, teils« bewerten (wobei interessant sein dürfte, welches »teils« sich langfristig durchsetzt). Als Kontrast: Nur drei Prozent beschrieben ihr Vereinbarkeitsgefühl als »sehr unzufrieden«.
NOCH EINE MÄNNERDOMÄNE
Doch scheint die Idee eines Lebens mit Kindern für Fotografinnen nicht allzu nahe liegend zu sein: Während bei den Männern jeder Zweite eigene Kinder hat, ist es bei den Frauen nur ein Drittel. Überhaupt bewegen wir uns bei den hier zu betrachtenden Fotografen und Fotojournalisten überwiegend auf Männergebiet: 80 Prozent derer, die sich an der Befragung beteiligten, sind Männer.
Ein weiteres Thema, das die Lebensumstände direkt berührt, das sich quer durch die Studie zieht und dabei immer wieder zu Sorgen, wenn nicht gar zu Befürchtungen Anlass gibt, ist die Frage nach der Perspektive für Fotojournalisten und Fotografen im Alter – besonders im so genannten Rentenalter: Nur 20 Prozent erwarten dann eine monatliche Rente von mehr als 1.000 Euro; nur drei Prozent eine von mehr als 2000 Euro. Dagegen rechnen 23 Prozent der Befragten derzeit mit einer künftigen Rente von 250 bis 500 Euro. Folglich drängt sich vielen die Perspektive auf, im Alter weiter arbeiten zu müssen – was denn auch gut 40 Prozent erwarten.
TRÜBE FINANZIELLE PERSPEKTIVE
Abschied zu nehmen ist in diesem Zusammenhang von der Vorstellung, dass mit dem Alter, damit den Berufsjahren und damit den gewonnenen Erfahrungen, sich das Einkommen vielleicht nicht automatisch kontinuierlich steigern, aber doch nach und nach erhöhen wird: Zwar findet sich deutlich die Einschätzung, dass sich die wirtschaftliche Situation in den letzten Jahren verbessert hat, doch auf die Ferne gesehen, müssen die Befragten konstatieren, dass sich ihr monatliches Einkommen nicht nennenswert steigern, sondern bestenfalls auf dem heutigen Stand halten lässt.
Wenig überraschend daher, dass in die Zukunft geschaut, 70 Prozent der Befragten eine finanzielle Verschlechterung ihrer Lebenssituation erwarten – sich dagegen ganze zwei Prozent auf eine Verbesserung ihrer Lebensumstände im Rentenalter freuen. Dabei fallen bereits im Vorfeld die Erwartungen bei den Älteren besonders düster aus: Von den Antwortenden ab 56 Jahren schätzt niemand seine wirtschaftliche Zukunft als sehr gut ein.
SCHLECHTE ALTERSVORSORGE
Kaum verwunderlich ist angesichts der immer wieder zu beschreibenden Differenz zwischen hohem zeitlichen und mentalen Einsatz und vergleichsweise geringer finanzieller Entlohnung auch die Datenlage, die Auskunft über direkte Aspekte der Altersvorsorge gibt: Zwar stellt die Studie fast erleichtert fest, dass nahezu alle Befragten mittlerweile krankenversichert sind, aber nur ein Drittel hat zugleich eine Tagesgeldversicherung abgeschlossen, die Hälfte verfügt immerhin über eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Eine zusätzliche private Rentenversicherung haben 44 Prozent abgeschlossen, also nicht einmal die Hälfte. Ganze zehn Prozent verfügen über nennenswertes Kapital oder dürfen eine Erbschaft erwarten. Nüchtern heißt es daher: »Insgesamt scheint ein sehr großer Teil der antwortenden Fotojournalisten und Fotografen im Alter nur schlecht abgesichert zu sein.«
Tröstend soll daher als Gegengewicht zum Schluss der allerletzte Satz der Zusammenfassung der Studie zitiert werden: »Trotz dieser (zuvor skizzierten) Schwierigkeiten des Berufsalltages, möchten viele Befragte auch zukünftig fotojournalistisch oder fotografisch tätig sein.«
Hier können Sie sich die vollständige Sozialumfrage herunterladen:
freelens_sozialumfrage_2009.pdf
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Frank Keil
Seit 1995 freier Print-Journalist, u.a. für Die Welt, Mare, Jüdische Allgemeine Zeitung sowie Hinz&Kunzt. Schwerpunkt: Kultur und Sozialreportagen